S4 Die Gleichheit Nr. 4 Beinahe drei Fünftel aller bäuerlichen Besitzer verfügen zusammen über ein Zwanzigstel der Ackerfläche! Die Ar­mut dieser Bauern macht es ihnen unmöglich, Ma­schinen zu verwenden, die sich ja auch auf ihrem kleinen Stückchen Boden gar nicht rentieren würden. Es haben landwirtschaftliche Maschinen verwendet von den Betrieben unter 2 Hektar..... S,g Prozent von 2 bis 6-..... 32,3- » 3« 23»,..., 72,3» . 20- 103-..... 92,8 über 100-..... 97,4» Aber nicht nur in bezug auf die Maschinenverwendung ist der Kleinbetrieb minder leistungsfähig als der große. Er hat im Verhältnis zu seinem Boden größere Unkosten für Gebäude und Gerätschaften: er muß Futter, Dünger, Saat­korn im kleinen, also teurer einkaufen: von Fruchtwechsel kann bei ihm kaum die. Rede sein usw. Daß der Großgrundbesitz wirklich eine größere Produk­tivität erreicht als der Kleinbesitz, das beweist ein Vergleich von Mecklenburg-Schwerin, wo der Großgrundbesitz fast KV Prozent der Betriebe ausmacht, mit dem kleinbäuerlichen Württemberg, wo der Anteil der Großbetriebe nur 1,7 Pro­zent beträgt. Vom Hektar wurden geerntet im Jahresdurch­schnitt des Jahrzehnts von 1900 bis IlM: Roggen Welzen Kartoffeln Dopp.-ZIr. Topp.-Ztr. Topp.-Ztr. In Mecklenburg ... 17,4 22,8 140,1 - Württemberg... 14,3 13,9 116,3 Zu der Armut des Kleinbauern tritt aber auch noch seine Unwissenheit. Von den meisten Fortschritten auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Produktion hat er noch nicht einmal etwas gehört: er düngt und bebaut sein Stück­chen Ackerland, wie er es von seinem Vater gelernt hat. Ein weiterer Grund, der auch kapitalkräftigere Land­wirte abhält, durch Maschinenanwendung zu einer höheren Wirtschaftsform überzugehen, sind die überaus nied­rigen Löhne der Landarbeiter. Warum soll man eiserne Sklaven einstellen, solange die von Fleisch und Blut noch weit billiger sind? Ja, treibt denn nicht schon die Konkurrenz die Landwirte zur Anwendung der moder­nen Wissenschaft und Technik? In der Industrie wird doch der Kleinbetrieb durch den technisch überlegeneren Großbetrieb zugrunde gerichtet. Das ist gewiß ein sehr schmerzvoller Prozeß: aber das Ergebnis dieses Konkurrenz­kampfes ist die Weiterentwicklung der Produktivkräfte, die Verminderung der Produktionskosten und damit das Sinken der Preise. Warum vollzieht sich dieser Prozeß nicht auch in der Landwirtschaft? Der industrielle Großbetrieb ist jederzeit in der Lage, seine Produktion so auszudehnen, daß seine billige Ware den Markt beherrscht und damit den Preis bestimmt. Das kann der landwirtschaftliche Großbetrieb nicht. Seine wichtigste Produktionsbedingung, der Grund und Boden, ist nicht be­liebig vermehrbar, dadurch sind seiner Ausdehnung Grenzen gezogen. Er kann den Kleinbetrieb nicht niederkonkurrieren. Andererseits ist der Bedarf nach landwirtschaftlichen Er­zeugnissen sehr groß: Zollschranken halten die ausländische Konkurrenz fern: die Erzeugnisse des letzten Kleinbauern sind der Gesellschaft noch notwendig.Übersteigt aber die Nachfrage das Angebot, so bestimmen die unter den schlech­testen Bedingungen produzierenden Unternehmungen den Marktpreis."(Hilferding , Finanzkapital.) Da also in der Landwirtschaft der Konkurrenzkampf bis zu einem gewissen Grade ausgeschaltet ist der einzige Ansporn für den tech­nischen Fortschritt, den der Kapitalismus kennt, bleibt hier die Produktion auf einer Entwicklungsstufe stehen, die gegenüber den Möglichkeiten, die die moderne Wissenschaft und Technik eröffnet hat, sehr rückständig genannt werden niuß.Darum können unsere Landwirte Getreide, Gemüse, Vieh, Fleisch und Milch nur mit sehr hohen Produktions­kosten erzeugen, während die Erzeugungskosten in der In­dustrie stetig und schnell gesunken sind."(Bauer.) Gewiß könnte auch innerhalb der heutigen Gesellschafts­ordnung schon mancherlei zur Verbesserung der landwirt­schaftlichen Betriebsweise geschehen. Durch Verbesse- rungderVolksschulen und Einrichtung land­wirtschaftlicher Fortbildungsschulen könn­ten die Bauern geistig auf eine höhere Stufe gehoben und mit den technischen Fortschritten bekannt gemacht werden. LandwirtschaftlicheGenossenschaften können durch Gewährung billigen Kredits dem kleinen Landwirt die Anschaffung besserer Betriebsmittel ermöglichen oder ihm Maschinen leihweise zur Verfügung stellen: sie können den Einkauf von Futter, Kunstdünger und Saatgetreide im großen und daher zu billigeren Preisen bewerkstelligen: sie können dem Bauern seine Produkte abnehmen und rationell verarbeiten, wie zum Beispiel die Molkereigenossenschaften. Auch die fortschreitende Organisation der Landarbeiter und die durch sie bezweckte Steigerung der ländlichen Arbeiterlöhne wird für die Landwirte ein An­sporn sein zur Anwendung technischer Errungenschaften. In letzter Linie jedoch wird das Privat­eigentum an Grund und Boden immer das Haupthindernis für eine rationelle Le­bensmittelversorgung bleiben.Will die Ge­sellschaft ihre Mitglieder ernähren, dann kann sie unsere Versorgung mit Lebensmitteln nicht armen Bauern und hochmütigen Großgrundbesitzern überlassen. Sie muß den Boden, den die Grundherrenklasse dem Volke vorenthält, dem Volke wiedergeben: sie muß die Bodenbebauer zur Ver­wertung der Errungenschaften der Wissenschaft erziehen und anhalten: sie muß ihnen die Mittel zur Entfesselung der brachliegenden Bodeukräfte geben: sie muß sie zu planmäßiger gesellschaftlicher Arbeit vereinigen. Unsere Versorgung mit Lebensmitteln von der Einsicht, der wirtschaftlichen Kraft, der Profitgier der einzelnen unabhängig zu machen, sie der organisierten Gesellschaft selbst zur wichtigsten ihrer Auf­gaben zu setzen, die Entfaltung der zeugenden Kräfte des Bodens und der Arbeit von den Schranken der Armnt, der Unwissenheit, der Selbstsucht zu befreien, das ist das letzte Ziel des Sozialismus."(Bauer.) Aus der Geschichte der menschlichen Unwissenheit. Von B. Sommer. III. Das Wesen der Ketzerei.» Gegen diese ganze Wirtschaft, die wir nicht im einzelnen ausmalen können, richtete sich schon seit den frühesten Zeilen der größte Teil der Ketzereien. Man kann sie ihrem Inhalt« nach in dogmatische, rationalistische und antiklerikale einteilen. Die dogmatischen Ketzereien treten besonders in den ersten Jahrhunderten in den Vordergrund, als das Christen« tum sich nochklärte" und festigte. Sie sind keineswegs nur ideologisches Pfaffengezänke von rein geistigem oder theore­tischem Gehalt, sie müssen vor allem als Kämpfe von Priester­fraktionen und ihrer Anhängerschaft angesehen werden, die zur Herrschaft kommen wollten. Solche Priesterfraktionen mit ihrer Gefolgschaft entsprachen den politischen Parteien unserer Tage. Der Denkweise der Zeit gemäß kämpften sie ihre Interessen unter religiösen Formen aus. Die Religion war die gegebene Ideo­logie. Wie heute alle bürgerlichen Parteiendas Wohl des Volkes" vertreten, so wollten damals alle priesterlichen Rich­tungendas Heil der Seele" retten. Welche ökonomischen und politischen Interessen im einzelnen hinter den Sekten steckten, ist heute nur noch in wenigen Fällen zu ersehen; daß aber solche Interessen dahinter standen, geht daraus hervor, daß in den Streitfragen fast stets das rückständige, das konservative