Nr. 7

Die Gleichheit

hausen hatten die Gegner Versammlungen und Theatervorstellungen veranstaltet, um uns die Leute wegzulocken. Doch ohne Erfolg, wie unsere gefüllten Versammlungen bewiesen. In Brombach er­eignete sich während der Versammlung das Erdbeben, das einigen Schrecken hervorrief. Verschiedenen Versammlungen wohnten auch Gemeinderäte und Bürgerausschußmitglieder bei, einigen der Bürger­meister der betreffenden Orte. Manche der Herren bedankten sich für die erhaltene Aufklärung. Das Zentrum wühlt in Baden aller orten vor allem im geheimen gegen die Sozialdemokratie. Jeder Weg ist ihm recht, auch der schmutzigste, wenn er nur zu dem ge­wünschten Ziel führt. Die Parteigenossen Oberbadens lönnen viel davon erzählen. In den katholischen Jungfrauen und Frauen vereinen wird gehetzt und den Mitgliedern gesagt: Der Glaube, die Religion ist in Gefahr. Auf, ihr gläubigen Frauen, verteidigt eure Kirche!" Die Ortsgeistlichen unterstüßen die Hezarbeit von der Kanzel herab. Mit welchen Mitteln im Schwarzwald gegen die Sozialdemokratie gearbeitet wird, spottet manchmal jeder Be schreibung. Aufpasser müssen feststellen, wer zur Versammlung geht. Das Unternehmertum beteiligt sich an dieser Spionage. In Rheinfelden wurden Aufpasser vertrieben, die vor dem Lokal standen. Um so erfreulicher ist die kampfesmutige Stimmung, die unter der Bevölkerung Oberbadens herrscht. Die Teuerung und die Finanzreform haben ihre Wirkung nicht verfehlt. In der nahen Schweiz kostet das Pfund Salz nicht 10 Pfennig, sondern 4 Pfennig, das Sechspfundbrot ist um 18 Pfennig billiger als bei uns, bie Preise für Fleisch, Hülsenfrüchte, Mehl, Zucker, Butter und Milch find niedriger als im Deutschen Reiche, Milch und Butter dazu noch besser. Der Unterschied in den Preisen zwischen der Schweiz und Deutschland macht auch für den ärmsten Haushalt wöchentlich 3 bis 4 Mart aus. Die Agitationstour hatte große Erfolge für die Partei und ihre Presse, sie zeigte, daß unsere Jdeen sich durchs setzen. So tönnen wir hoffen, daß die Reichstagswahlen zu einem Volksgericht der Ausgebeuteten über ihre Bedrücker werden.

Marie Wackwiz.

In der zweiten Hälfte des Oktober hielt die Sozialdemokratie im 17. fächsischen Wahlkreis eine Reihe von Versammlungen ab, in denen die Unterzeichnete über das Thema sprach:" Was lehrt die Teuerung die Frauen?" An den Versammlungen nahmen fast ausschließlich Frauen teil. Den besten Besuch wiesen die Versamm lungen in den Dörfern Gersdorf, Gallenberg und Herms­dorf auf, dagegen hätte die Beteiligung in den Städten Hohens stein, Glauchau und Meerane im Verhältnis zur Einwohner­zahl stärker sein können. In der Versammlung in Callenberg , in der begeisterte Stimmung herrschte, wurden außer 8 Männern die ersten 25 Frauen für die Partei gewonnen. Die Genossen dort zeigten ein lebhaftes Interesse an der Aufklärung der Frauen und versprachen, Frauenleseabende einzurichten, um die Frauen zu schulen. An der Versammlung in Hermsdorf, wo noch nie eine Frau gesprochen hatte, nahmen auch einige Frauen von wohl habenden Bauern teil. Sie waren wohl nur aus Neugierde ge­kommen, aber die Aufmerksamkeit, mit der sie dem Vortrag folgten, ließ erkennen, daß auch ihnen durch die Ausführungen der Rednerin manches in einem anderen Lichte erscheinen mochte als bisher. In allen Versammlungen äußerten die Frauen den Wunsch, öfter der­artige Vorträge zu hören, damit sie über die Vorgänge im öffent­lichen Leben aufgeklärt würden. 126 Mitglieder für die Partei und eine Anzahl Leser für die Gleichheit" wurden in den sechs Ver­fammlungen gewonnen. M. Reichert.

In Altenwerder , einer Elbinsel in der Nähe Hamburgs , sprach die Unterzeichnete am 8. Dezember in einer Mitgliederversammlung der Partei über:" Die Frauen und die Politit". Die Insel hat 4000 Bewohner. Der Partei gehörten bisher über hundert Genossen an und vier Genossinnen, die vor furzer Zeit beigetreten waren. Die Frauen der Mitglieder waren zu der Versammlung mit ein geladen worden, leider fonnten jedoch nur fünf dem Rufe Folge leisten. Diese fünf schlossen sich in der Versammlung der Partei an. Außerdem wurden neun Gleichheit"-Abonnenten gewonnen, die ersten am Orte. Mögen die Genossen und Genossinnen in Alten­ werder für unsere große und schöne Sache weiter arbeiten, damit auf ihrer Insel bald feiner mehr unserer Fahne fernsteht.

Luise Kähler. In der württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen find fast 300 Arbeiterinnen beschäftigt. Alle Mühe des Metall­arbeiterverbandes, sie der Organisation zuzuführen, war bisher umsonst. Der Betrieb beschäftigt gegen 8000 Arbeiter und Arbeite­rinnen, die für verschiedene Gewerkschaften in Betracht kommen. Von ihnen sind allein die Glasschleifer gut organisiert. Am 11. November feierten die Glasschleifer das Fest des fünfjährigen Bestehens ihrer Organisation, auf dem die Unterzeichnete die Feft

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rede hielt. Da an der Feier auch viele Frauen und Mädchen teil­nahmen, die in der Metallwarenfabrik arbeiten, so nahm die Unters zeichnete die Gelegenheit wahr, ihnen die Notwendigkeit des An schlusses an die Gewerkschaften darzutun. Nachher in der Unters haltung rückten die Arbeiterinnen mit ihren Beschwerden und Wünschen heraus. Sie werden nicht nur ungenügend entlohnt, sondern sie haben auch noch unter schlechter Behandlung zu leiden. Die Arbeiterinnen versprachen, sich der Organisation anzuschließen; fie wollen nicht mehr länger Lohndrückerinnen sein und sind ent­schlossen, sich eine würdigere Behandlung zu erkämpfen. Die Gleich­heit" war in diesem großen Industrieort unbekannt.

Helene Grünberg.

Im Auftrag der Parteileitungen des 19. und 21. fächsischen Wahlkreises sprach die Unterzeichnete in öffentlichen Frauen­versammlungen zu Annaberg , Grünstädtel , Schlettau , Bärenstein , Sosa, Beierfeld , Bermsgrün, Bockau- Aue und schorlau. Das Thema lautete:" Lebensmittelwucher, die Stellung der Regierung und die Aufgaben der Frauen bei den tommenden Reichstagswahlen." Die Versammlungen waren sehr gut besucht, einige überfüllt, so daß viele Besucher stehen mußten. In Sosa war der Andrang besonders groß; 500 Personen waren im Saale, außerdem standen auf den Treppen Zuhörer, und annähernd 200 Menschen warteten auf der Straße. Die Frauen machten in allen Orten zwei Drittel der Versammlungs teilnehmer aus, ein Zeichen, daß auch im Erzgebirge die Prole tarierinnen begonnen haben, sich gegen ihr trauriges Los auszu lehnen. Im Annaberger Bezirk, in dem die Heimarbeit zu Hause ist, sitzen die Frauen mit ihren Kindern vom frühen Morgen bis zum späten Abend bei den Posamenten- und Perlarbeiten, die in den Städten bewundert werden. Kinder von vier Jahren müssen schon bei der Arbeit helfen. Für eine Woche anstrengender Arbeit sind 4 bis 7 Mt. der Lohn. Mit Tränen im Auge erzählte eine Mutter der Unterzeichneten, sie habe den heißen Wunsch, ihre Kinder vor der Erwerbsarbeit wenigstens im zartesten Alter zu bewahren, aber die allgemeine Teuerung lasse es nicht zu; es seien in der Woche doch einige Pfennige, die durch die Arbeit der Kleinen mehr verdient würden. Die Frauen flagten, schon lange fönnten sie nur ganz wenig Fleisch kaufen, nun sei es ihnen auch unmöglich, die teuren Kartoffeln zu bezahlen. Der Preis schwankt im Erzgebirge zwischen 4,60 und 5,60 Mt. für den Zentner. Als die Unterzeichnete in den Versammlungen auf die Zölle und indirekten Steuern zu sprechen tam und darlegte, wozu deren Ertrag verwendet wird, als fie die Stellung der bürgerlichen Parteien und der Regierung zu der jetzigen Hungersnot kennzeichnete: da brachen die Frauen in heftige Entrüstungsrufe gegen die Lebensmittelverteuerer aus. Sie gelobten, im Bunde mit den Männern dafür zu sorgen, daß am 12. Januar 1912 das Volk seine Quittung ausstellt für die Zaten der bürgerlichen Parteien während der letzten fünf Jahre, besonders aber für die Sünden des schwarz- blauen Blocks. Die Partei gewann durch die Versammlungen viele neue Mitglieder, Männer und Frauen, und die Chemnißer Volksstimme" und die ,, Gleichheit" erhielten neue Leser. Berta Lungwiz.

Jahresbericht der Bremer Genoffinnen. Die Zahl der weib­lichen Parteimitglieder in Bremen ist im letzten Jahre von 1599 auf 1920 gestiegen. Das ist einer regen Agitation der Genossinnen und Genoffen zu danken. Die Genossinnen warben, wie schon im Jahre zuvor, namentlich durch Hausagitation neue Anhänger, wobei ihnen die Genossen tatkräftig halfen. In den regelmäßigen Zusammenkünften der Frauen, an denen im Durchschnitt fünfzig Genoffinnen teilnahmen, wurde das Erfurter Programm erläutert. Im Anfang des Jahres leitete Genosse Rauch diese Zusammen­fünfte; als er Bremen verließ, trat Genosse Schwarz an seine Stelle. Auf den besonderen Wunsch der Genossinnen wurden noch folgende Fragen behandelt: Die proletarische Kindererziehung", Die Aus­beutung schulpflichtiger Kinder"," Die Frauen im Kampfe gegen den Alkoholismus". Die Vorträge hierüber riefen lebhafte Debatten her vor, welche das Interesse und Verständnis der Genossinnen für die behandelten Fragen bewiesen. Da sich die Frauen bei den Zusammen tünsten noch vor ungefähr einem Jahre in hartnäckiges Schweigen hüllten, so bedeutet ihre Beteiligung an der Diskussion einen freudig zu begrüßenden Fortschritt. Zwei junge Genoffinnen haben sich zu Vortragenden ausgebildet, und wir hoffen, daß sich ihnen in diesem Jahre neue hinzugefellen werden. Wichtig ist, daß sie für ihre weitere Schulung Förderung finden. In den ländlichen Distrikten, die zur Organisation Bremen gehören, find die Bu sammenkünfte der Genoffinnen eingegangen, nur in einem einzigen Orte konnten sie aufrechterhalten werden. Die Ursache ist, daß die ländlichen Parteigenossen ein Stückchen Land besigen, das sie zu sammen mit den Frauen nach Feierabend bearbeiten, solange es