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Die Gleichheit

eine für Frauenstimmrecht überbrachten Grüße aus ihrer Heimat. Frau Cauer forderte in ihrem Schlußwort die Mündigkeits­erklärung des deutschen   Volkes. Die neue Vorsitzende des deutschen Verbandes, Frau Stritt, schloß die Generalversammlung, die diese Resolution angenommen hatte:" Damit die Frauen wirksam für den Schutz und die Hebung des weiblichen Geschlechts arbeiten fönnen, damit sie eine angemessene Berücksichtigung ihrer Inter­essen in der Gesezgebung durchzusehen vermögen, damit sie in den Stand gesetzt werden, ihrer weiblichen Eigenart entsprechend tat­kräftig an den großen sozialen Aufgaben unserer Zeit mitzu­wirken, bedürfen fie der politischen Gleichberechtigung. Die Ver-­sammlung fordert daher den Verband für Frauenstimmrecht auf, an den kommenden Reichstag mit der Bitte heranzutreten, den Frauen das aktive und passive Reichstagswahlrecht zu gewähren, und dieses Ersuchen in jeder Legislaturperiode zu wiederholen, so lange, bis jede Frau als gleichberechtigte Bürgerin ihres Vater­landes anerkannt wird."

Wie sich der Liberalismus des Bürgertums in Württem berg zur Forderung des Frauenwahlrechts stellt, wurde durch die große Versammlung in Stuttgart   illustriert, in der der libe­rale Sammlungskandidat, Oberbürgermeister Mülberger- Eßlingen, sein Programm entwickelte. Für diesen Politiker existiert offenbar die Frau als Glied der Gesellschaft nicht. Auch nicht ein Wort seiner Rede galt den Interessen, den sozialen Bedürfnissen des weiblichen Geschlechts, das heißt der großen Hälfte der Bevölkerung des Deutschen Reiches. Die Ergebnisse der Berufs- und Gewerbezählung von 1907, die auch für Württemberg   eine starke Zunahme der hauptberuflich erwerbstätigen Frauen nachgewiesen haben, sind dem Herrn stummes, totes Zahlenwerk geblieben. Frau Perlen fragte im Namen des bürgerlichen Frauenstimmrechtsvereins an, wie der Kandidat des Bürgertums sich zum Frauenwahlrecht stelle. Sie begründete ihre An­frage mit dem Hinweis auf die ausgedehnte und wachsende Berufs­arbeit der Frau. Herr Mülberger hatte für die weittragende soziale Erscheinung und die in ihr verankerte Rechtsforderung nur ein plat­tes, stumpfes Wigwort, welches zeigte, daß er im legten Grunde nur das Weibchen kennt. Wenn die Frauen einen Freund haben, so haben sie mich", rief er mit einer Betonung aus, deren Bedeu­tung die versammelten viertausend liberalen Bürger sofort ver­ständnisinnig mit der bekannten stürmischen Heiterkeit" bestätigten und die der Redner selbst noch durch die Antwort darauf stark unter­strich. Die Forderung des Frauenwahlrechts schob er mit Redens­arten beiseite. Was für andere Länder passe, das passe nicht ohne weiteres für Deutschland  . Er habe immer befürwortet, daß die Frauen im Erziehungswesen zur Beratung herbeigezogen würden. Aber oft würde das größte Unglück für Kinder und Familie ent­stehen, wenn die Frau ihre Zeit und Kraft auch noch für Politik verwenden wolle. Diese läppischen Ausführungen fanden die leb­hafteste Zustimmung der Versammlung. Bezeichnend genug hatte die Philisterbeschränktheit der gesammelten liberalen Bürger die For derung des Frauenwahlrechts mit so stürmischem Gelächter aufge­nommen, daß Frau Perlen empört und tapfer in den Saal rief: Es ist eine Schande, daß Sie diese Frage mit Lachen beantworten! Lesen Sie denn feine Zeitungen? Wissen Sie nicht, daß diese For­derung schon in manchen Staaten ganz oder zum Teil verwirklicht ist?" Man stelle diesem Bild von der Auffassung und dem Verhalten des liberalen Bürgertums und seiner führenden Politiker die Sach­tenntnis und den Ernst gegenüber, mit denen jeder sozialdemokra tische Kandidat die Frage der Fraueninteressen und Frauenrechte behandelt, die Begeisterung, mit der die sozialdemokratischen Prole­tarier sich für das Frauenwahlrecht erklären. Man sieht dann greif­bar, auf welcher Seite das vorwärtsdrängende neue geschichtliche Leben steht. Trotz des Anschauungsunterrichts der Tatsachen träumen bürgerliche Frauenrechtlerinnen noch von der Wiedergeburt des deut­ schen   Liberalismus, unterstüßen sie ihn im Stampfe gegen die Sozial­demokratie. Gibt es einen bündigeren Beweis von der Stärke des Klasseninteresses, das diese Damen leugnen? Denn im schroffsten Gegensatz zu dem Liberalismus ist die Sozialdemokratie die ein­sichtsvollste und zuverlässigste Verteidigerin des Frauenwahlrechts.

Die letzten Gewerbegerichtswahlen in Paris   haben die Rück­ständigkeit der Arbeiterinnenbewegung in Frankreich   gezeigt. In Paris   gibt es rund 70000 Arbeiterinnen, die in der Hut-, Blumen­und Schmuckfedernindustrie beschäftigt sind. Zu den Gewerbegerichts­wahlen steht allen von ihnen das Wahlrecht zu, die über 25 Jahre zählen und das französische   Staatsbürgerrecht besitzen. Von den vielen Tausenden Wahlberechtigten hatten sich bei den letzten Ge­werbegerichtswahlen nur 51 in die Wählerliften eintragen lassen. Für einen Siz im Gericht kandidierte die Sekretärin der Modistinnen­gewerkschaft. Sie erhielt im ersten Wahlgang ganze 17, im zweiten nur noch 7 Stimmen. Als Sieger ging ein Mann aus der Urne

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hervor. Zwar ist es um die Organisation der paar tausend Arbeiter in der Modenindustrie nicht zum besten bestellt, aber doch ist die Teilnahmlosigkeit der Männer gegen die Gewerkschaft nicht so groß wie bei den Arbeiterinnen. Diesen liegt der Gedante des Zusammen­schlusses noch sehr fern. Es ist kein Wunder, daß unter solchen Ver­hältnissen die Arbeiterinnen der schamlosesten Ausbeutung preis­gegeben sind.

o. p.

Das kommunale Frauenwahlrecht für Britisch- Honduras ist beschlossen worden. Viele Frauen ließen sich sofort in die Wähler­listen einschreiben. Leider besagen die vorliegenden Meldungen nichts darüber, ob es sich um ein allgemeines oder nur um ein beschränktes Frauenwahlrecht handelt. Da die englischen Kolonien sich für ihre Einrichtungen zunächst meist an das Beispiel des Mutterlandes halten, dürfte wohl das letztere der Fall sein.

Frauenbewegung.

E.ikette statt politischen Rechts, das scheint noch immer das Ideal auch mancher bürgerlicher Frauenrechtlerinnen zu sein. Der Verein für Frauenstimmrecht in Frankfurt   a M. hatte eine öffentliche Versammlung einberufen, die Stellung zur Reichstags­wahl nehmen sollte. Fräulein Augspurg referierte über den alten und den neuen Reichstag" und sparte nicht mit einer äßenden Kritik der bürgerlichen Parteien. Von den eingeladenen Reichstagskandi­daten war nur Genosse Dr. Quard erschienen, der Bannerträger des Linksliberalismus, Herr Deser hatte sich brieflich entschuldigt und brachte sein Wohlwollen für das Frauenwahlrecht zum Aus­drud. Genosse Quard legte ausführlich den sozialdemokratischen Standpunkt zu den Fragen dar, die das öffentliche Interesse be­Herrschen und tief das Leben der Frauen berühren. Er ergänzte Fräulein Augspurgs Kritik an dem Verhalten der Fortschrittlichen Volksparteiler und bezeichnete es als das feiger Weiber". Dem Tun und Lassen dieser Herren stellte er lobend die tapferen Frauen" gegenüber, die für die Rechte ihres Geschlechts kämpfen. Unter den anwesenden Frauenrechtlerinnen gab es wunderliche Bier­vögelchen, die behaupteten, Genosse Quard habe durch den Ausdruc feige Weiber" das gesamte weibliche Geschlecht beleidigt. Die ver sammelten Damen nahmen die beleidigende" Äußerung zum Vor­wand, sich in eine Erregung hineinzusteigern, die sie zu feiner Parole tommen ließ, für welchen Kandidaten die bürgerlichen Frauen im Reichstagswahlkampf eintreten sollten. Und das, ob. gleich der anwesende Parteisekretär der Fortschrittlichen Volkspartei  keine bindende Erklärung über die Stellung zum Frauenwahlrecht abgab, vielmehr die Frauenrechtlerinnen mit allgemeinen, nichts. sagenden Redensarten und einem Wechsel auf die Zukunft abspeiste. Was den Kandidaten der Demokraten, den bisherigen Reichstags­abgeordneten Deser anbelangt, so hat sich seine Sympathie für das Frauenwahlrecht bisher unter Ausschluß der parlamentarischen Offent­lichkeit betätigt. Uns ist nicht eine Gelegenheit bekannt, wo Herr Deser im Reichstag durch Wort oder Abstimmung für diese Forde­rung eingetreten wäre. Wenn in Frankfurt   tatsächlich bürgerliche Frauenrechtlerinnen wegen Genossen Duards Äußerung für den bürgerlichen Kandidaten arbeiten würden, so erbrächten sie damit nur den Beweis politischer Unreife. Die Frage der Etikette statt der des politischen Rechts zur entscheidenden machen, heißt die Arena des politischen Kampfes mit dem Salon verwechseln. Die Entrüstung der Damen ob des Wortes mutet um so komischer an angesichts der frommen Geduld, mit der sie sich immer aufs neue für die Fortschrittliche Volkspartei   begeistern, die die Frau politisch noch auf eine Stufe mit Unmündigen, Ehrlosen und Wahnsinnigen stellt, indem sie sich weigert, die Forderung des Frauenwahlrechts in ihr Programm aufzunehmen. Der bürgerliche Klasseninstinkt läßt die Frauenrechtlerinnen fortschrittliche Fußtritte dem Kampf der Sozialdemokratie für die volle Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts vorziehen. Es sei noch vermerkt, daß Fräulein Augspurg in ihrem Schlußwort die gewohnheitsmäßige Verleumdung auf­tischte, in allen Ländern sei die Sozialdemokratie nie ernst und tatkräftig für das Frauenwahlrecht eingetreten. Das ewige Auf­wärmen macht diesen mageren Kohl wahrhaftig nicht fett. Die Genossinnen Otto und Ennenbach sowie Genossen ließen keinen Zweifel darüber, wie politisch Kämpfende über die aufgerollte welt­bewegende Etikettenfrage denten, welche einige Damen so in Harnisch gebracht hatte. Sie nahmen auch Fräulein Augspurg etwas un­sänftiglich wegen ihrer unwahren Behauptungen am Dhr. Die Ver sammlung ging in Erregung auseinander.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Verlag von J. H. W. Dtes Nachf. G.m.b.8. tn Stuttgart  .