Nr. 12Die Gleichheit185kteren, als eS tri? Winter 1909/10 an die Erneuerung der Tarifgruppe aus dem Jahre 1907 ging. Es ist dies die größte der bestehenden Tarifgruppen, und die Aussichten für die Unternehmerschienen hierbei die günstigsten zu sein. Doch die entschlossene Haltung und die Opferwilligkeit der deutschen Holzarbeiter haben diesenprobenden Kampf mit Erfolg abgewehrt.Wieder hat das deutsche Proletariat eine Reichstagswahl hintersich, und zwar eine, die zeigte, daß es geschlossener denn je dasteht.Die Arbeitgeber in der Holzindustrie hatten sich allerdings schonvorher mit dem Gedanken abgefunden, daß sie die Organisationder Arbeiter nicht vernichten oder auch nur mißachten- könnten. Undl» verlief die diesjährige Tariferneuerung wenigstens für die weitereÖffentlichkeit verhältnismäßig füll. Wir haben über die einzelnenStadien der Verhandlungen bereits berichtet. Freilich war auch dieZahl der Beteiligten diesmal geringer als sonst, sie betrug nur rundSOOO Arbeiter in 15 Städten. In der Frage der Arbeitszeitverkürzungschloffen sich die örtlichen Parteien fast durchweg den Vorschlägender zentralen Schiedskommission an, die bereits um Mitte Dezember1911 zusammengetreten war. Die getroffenen Vereinbarungen bestimmen, daß innerhalb der nächsten Vertragsperiode die wöchentliche Arbeitszeit in Lauban und Schönlanke um 3, in Brieg,Heidelberg, Nordhausen und Würzburg um S Stunden, inden übrigen beteiligten Orten um 1 Stunde herabgesetzt wird. NurKrankfurt a. M. behält die bestehende 52 ständige Arbeitszeit unverändert bei.Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen um den gefordertenMehrlohn, der ja schon durch die unablässig steigende Verteuerungdes Lebensunterhaltes zur gebieterischen Notwendigkeit gewordenwar. lind es genügt auch gar nicht, nur einen Ausgleich für diePreissteigerungen zu schaffen, die Arbeiterschaft will und muß denStand ihrer Lebenshaltung erhöhen. Manche Unternehmer glaubtenschon mit einer Lohnaufbesserung von 3 Pf. in der Stunde dasÄußerste geleistet zu haben. Schließlich aber konnten sie sich dochwohl der Erkenntnis nicht verschließen, daß die Organisation derHolzarbeiter stark genug sei, zu erkämpfen, was man den ArbeiternVorenthielt. Wo keine Einigung der Parteien zustande kam, entschied die zentrale Schiedskommission, die zu diesem Zwecke umPtitte Februar über eine Woche lang in Berlin versammelt war.Das Endergebnis war, daß in allen Orten die Stundenlöhne um6 Pf. erhöht werden, mir in Schönlanke beträgt die Aufbesse-amz bloß 5 Pf., dafür stellt sie sich für Nürnberg auf 7 Pf. DieGleichen Steigerungen erfahren die Mindest- und Durchschnittslöhne,mir kommen bei diesen in Cassel und Ludwigshafen je 8 Pf.Zuschlag auf die bisherigen tariflichen Sätze. Die künftigen tariflichen Stundenlöhne sind aus der drittletzten Zahlenreihe der nachfolgenden Zusammenstellung ersichtlich. Dabei ist zu beachten, daße« sich in Cassel, Heidelberg, Brieg, Lauban, Rordhausen,Schönlanke und Neustadt a. Orla um Durchschnittslöhne, inden anderen Orten dagegen um Mindestlöhne erwachsener ArbeiterHemdelt. Die wirklichen Verdienste der Mehrheit der Arbeiter müssenalso in diesen Orten entsprechend höher ausfallen.Die vorstehende Darstellung der Entwicklung von Lohn undArbeitszeit in den beteiligten Orten seit dem Jahre 1902 zeigt, daßin diesen letzten zehn Jahren recht bedeutend« Fortschritte gemachtworden sind. Ist doch die Arbeitszeit um 3 bis 7 Wochenstunden verkürzt und dabei der Barverdienst durchschnittlich um über S Mk., vereinzelt um beinahe 10 Mk. erhöht worden. Da» ist»in greifbarerErfolg gewerkschaftlicher Tätigkeit. Denn ohne dies« wäre die ver-tenerung der Lebenshaltung, die in erster Linie unserer„vorzüglichen" Wirtschaftspolitik geschuldet ist, mit ihrer ganzen Schwereauf die Schulter der Arbeiter gefallen. Kein Staatsmann und keinArbeitgeber hätte daran gedacht, freiwillig die Löhne der Arbeiterentsprechend aufzubessern. Außer diesen materiellen Vorteilen findnoch eine Reihe sonstiger Verbesserungen in den neuen Tarifverträgen festgelegt. So unter anderem die Bestimmung, daß Überstunden nur im Einverständnis mit den Arbeitern oder nach derEntscheidung derSchlichtungSkommissionen angeordnet Iverden dürfen,daß die zivilrechtliche Haftbarkeit der Verbände auSgeschloffen bleibtund daß eine neue Arbeitsstelle nicht wieder mit dem dort üblichenniedersten Lohn angetreten werden muß.Wohl sind nun die Vereinbarungen getroffen, ihre Durchführungober liegt jetzt an den Arbeitern und stellt an ihre Disziplin undihren Zusammenhalt hohe Anforderungen. In den meisten Städtenhaben die Arbeitgeberversammlungen die neuen Bedingungen bereitsangenommen. Nur in einigen kleineren Orten, in denen die Machtder Arbeitgcberorganisation nicht weit reicht, versuchen die Unternehmer zurzeit noch Schwierigkeiten zu machen oder abzuhandeln.Es wird ihnen nichts helfen. Die Arbeiterorganisation wird daraufdringen, daß die Bestimmungen, welche die Tarisinstanzen schufen,mich überall zur Durchführung kommen. Schwierigkeiten bei derJnnehaltung der Verträge sterben während der gesamten Tarifbauer nie ganz auS; sie zeigen, daß auch die Tnrifpolitik die Arbeiter nicht von der steten Organisationstätigkeit entbindet, sonderndiese zur dringenden Pflicht macht. kb.Aus der Bewegung.von der Agitation. Selten hat sich in Sachsen der Wahlkampfmit solcher Schärfe abgespielt wie diesmal, namentlich in einzelnenWahlkreisen. Der schneearme Dezember ließ eine weitgehende Agitationzu und ermöglichte eS, daß Dörfer besucht wurden, die bei großemSchneefall nicht erreicht werden können. Vom 21. November bis MitteDezember v. I. referierte die Unterzeichnete über„Die ReichStagS-wahl und die bürgerlichen Parteien" in Versammlungen, die in denfolgenden Orten des 21. skchsischrn Kreises Annaberg-Buchholz stattfanden: Frohnau, Crottendorf, EhrensriederSdorf, Cran»dorf, Wiesa, Rittersgrün, Unterstützengrün, CunerSdors,Mittweida-MarkerSdorf, Langenberg, Raschau, Pöhla,Buchholz, Oberwiesental. Die Versammlungen waren außerordentlich gut besucht, trotzdem die Teilnehmer oft stundenweite Wegezum Lokal zurücklegen mußten. In einigen Versammlungen beehrten uns die Anhänger StresemannS mit ihrem Besuch. Dochtaten diese Gesandten des Herrn den Mimd nicht ans, bis auf denchristlichen Gewerlschastsbeamten Pur fürst- Chemnitz, der in Oberwiesental Grausiges vom„Teilen" im Zukunftsstaat und vonBebels und Singers angeblichen Millionen erzählte. Mit Zitatenvon Herrn Calwer, Schippe! und dem Korbmacher Fischer suchte erdie Sozialdemokratie zu vernichten. Anscheinend hatte er von eineraußerordentlichen Wirkung seines Auftretens geträumt, denn zuseinem Schutze hatte er sich des Ortspolizisten versichert. In Trottendorf sagte vor dem Beginn der Versammlung der Büttel zu einpaar neugierigen Spießern:„Es wird wohl niemand kommen, wirhaben schon dafür gesorgt." Aber sonderbar, es kamen 350 Personen, die den Saal füllten. Als der Polizist gefragt wurde, waser in der Versammlung wolle, erhob er sich von seinem Platze underklärte würdevoll, er sei zum Schutze der Ordnung da. Als dieReserentin die Versammelten zur Wahl deS Genossen Grenz aufforderte, erklang der Ruf:„Stresemann fliegt I" Und am 12. Januarist er richtig mit 2000 Stmmren Verlust geflogen.„Es ist eine Lustzu leben," sagte König August von Sachsen 1907. Wahrlich, eS isteine Lust zu leben im Jahre 1912! Weitere Versammlungen folgtenim Januar d. I. im 15. und 29. söchfischen Wahlkreis in folgendenOrten: Göritzhain, Crumbach, gdöhrSdorf, Oberneuichön-berg, Griesbach und Thum. In Röhrsdorf hatten die Gegnerfür die gleiche Zeit wie wir eine Versammlung angesetzt. 25 Personen nahmen an ihr teil, 375 an der unseren. In Oberneu-schonberg waren einige junge Leute aus dem Kontor des Hüttenwerkes in die Versammlung gesandt worden, ausgerüstet mit Bleistift und Papier. Was sie notteren sollten: die Ausführungen derUnterzeichneten oder die Namen der Teilnehmer, das wurde unsnicht ganz klar, denn in dem großen Gedränge kamen sie gar nicktzum Schreiben. Auch einige Meister waren anwesend, denen ich denRat gab, sich meine Ausführungen und nicht die Namen der Ar-