Nr. 17

Die Gleichheit

tommen. Im übrigen herrscht ein sehr großer Stellenwechsel. Viele Mädchen gehen entweder wieder in Privatdienste oder suchen sich eine andere Beschäftigung, die ihnen mehr Be­wegungsfreiheit und Selbständigkeit bietet.

Die Organisation hat bis jetzt noch sehr wenig Einfluß auf die weiblichen Arbeitskräfte im Gastwirtsgewerbe gewinnen fönnen. Dem Verband deutscher Gastwirtsgehilfen, der jetzt rund 14000 Mitglieder zählt, gehören zirka 800 weibliche Mitglieder an, und sie sind zum allerwenigsten Hilfspersonen aus der Küche und dem Zimmerdienst, sondern zumeist Kellnerinnen in München   und Nürnberg  . Die in der Küche beschäftigten Bersonen sind viel schwerer durch die Agitation zu erreichen als die Kellnerinnen. Dazu kommt noch die ungeheuer starke Fluktuation dieses Personals. Die Mädchen erblicken in ihrer Tätigkeit, mehr noch wie andere Arbeiterinnen, eine vorüber­gehende und nicht etwa einen Lebensberuf. Solange aber die Organisation und ihre Kraft die Hilfskräfte im Gastwirts­gewerbe nicht erreicht, werden diese Lohnsflavinnen kaum auf Hebung ihrer Lage rechnen können. Der Verband deutscher Gastwirtsgehilfen bemüht sich fortgesetzt, auch die weiblichen Hilfskräfte des Erwerbsgebiets für die Organisation zu ge­winnen, um ihr Los zu verbessern. Hugo Poetsch.

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dieser Zahlen entspräche. Leider ist es dem nicht so. Darüber darf man sich nicht wundern, weil es sich meist um des Lesens und Schreibens unkundige Proletarierinnen handelt, denen das Ver­ständnis der sozialen Zusammenhänge noch ganz und gar abgeht. Am schroffsten tritt dieser bedauernswerte Stand der Dinge jezt während des kapitalistischen   Raubkriegs hervor. Die Frauenmassen fehlen im Stampfe gegen den Krieg. Nicht einmal die Hinopferung des eigenen Blutes ihrer Söhne, geschweige denn die Barbarei des Völkermordes überhaupt, hat die breitesten Schichten der Frauen des werktätigen Volkes zur Erkenntnis wachgerüttelt. Klein ist noch die Zahl derer, die ihrer Pflichten als Mütter und kämpfende Prole tarierinnen bewußt geworden sind. Möge es dem seit 1. Januar erscheinenden sozialistischen   Frauenblatt vergönnt sein, die große, schwere, bringende Aufgabe zu lösen, das weibliche Proletariat auf­zuklären. Wieviel Schwierigkeiten find allein schon zu überwinden, damit das Blatt in die Hände der Frauen und Mädchen gelangt, die am meisten der Aufklärung bedürfen. Lange ist die Reaktion, ist der Haß der Besitzenden gegen die Sozialisten und das Prole­tariat nicht so offen und unverhüllt zutage getreten wie jetzt. Hat diese Tatsache dazu beigetragen, die Partei als Ganzes inner­lich zu stärken und ihr die kampfesfähigen Elemente der Arbeiter­Klasse zuzuführen, so werden doch auch einstweilen die indifferenten und ängstlichen Gemüter von ihr ferngehalten und schwerer, lang­samer von unserer Agitation ergriffen. Welch bitterer Hohn! Alte, von Arbeit und Entbehrungen gebrochene Mütter und Großmütter lassen sich die kriegslüfternen, bluttriefenden bürgerlichen Zeitungen

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation vorlesen und lauschen andächtig Worten, von denen sich fast ein

in Italien  .

Der legte Gewerkschaftskongreß zu Padua   hat, wie bekannt, ein­ftimmig eine Resolution zugunsten der gewerkschaftlichen und poli­tischen Organisierung der Proletarierinnen und des allgemeinen Wahlrechts aller Großjährigen angenommen. Seitdem haben sich bie einzelnen Arbeitskammern mit statistischen Erhebungen über die weiblichen Arbeitskräfte und den Stand der Gewerkschaftsorganisation der Arbeiterinnen beschäftigt. Nach ihren Veröffentlichungen gibt es gegenwärtig in Italien   62 548 gewerkschaftlich organisierte Arbeite­rinnen, und zwar verteilen sich diese folgendermaßen auf die einzelnen

Provinzen:

Provinz.

Piemont Lombardei  

Ligurien  

Benedig

Emilia.

Zahl der

organisierten

Arbeiterinnen

Bahl der

organisterten Arbeiterinnen 12077

Provinz

2115

9709

414

Romagna Toskana  Latium  

1130 2550

.

2090

2875

.

818

Kampanien  . 29765 Sizilien.

Eine genaue Klassifizierung in landwirtschaftliche und industrielle Arbeiterinnen ist leider nicht erfolgt. Man kann jedoch feststellen, daß von den 62543 organisierten erwerbstätigen Proletarierinnen 84486 in der Landwirtschaft beschäftigt waren, 14842 in der Jndu­strie, von den übrigen läßt sich nicht genau sagen, ob sie dem Ver­dienst in der Landwirtschaft oder in der Industrie nachgingen. Wie es leider in Italien   vorkommt, haben nicht alle Arbeitskammern bie Fragebogen beantwortet, neun haben mitgeteilt, daß ihnen keine einzige Arbeiterin angehört. Im ganzen haben sich 46 Arbeits­lammern an der Statistik beteiligt.

Die Frauen machen 12,88 Prozent sämtlicher gewerkschaftlich organisierter Arbeiter aus. Genosse Rigola, Generalsekretär der Gewerkschaften, betont, die Zahl der Gewerkschaftlerinnen sei zwar nicht groß, aber doch immerhin bedeutend, besonders wenn man sich bergegenwärtige, daß auch in den Hilfskaffen auf Gegenseitigkeit die Frauen schwach vertreten seien und taum 20 Prozent der Mitglieder ausmachen. Die Schuld daran liegt jedenfalls nicht an den Frauen, fagt Genosse Rigola, sondern an den Herren Männern, und zwar auch an den organisierten und aufgeklärten, die nicht immer ihre Pflicht tun und ihre Arbeits- und Leidensgefährtin veranlassen, der Drganisation beizutreten". Es mag sein, daß die angegebene Ge­famtziffer die Zahl der tatsächlich organisierten Arbeiterinnen in Italien   etwas unterschätzt, zumal da es Vereine und Verbände gibt, beren Mitglieder nicht den Arbeitskammern angeschlossen sind. 1901 wurden zum Beispiel 141 809 organisierte Frauen gezählt, die weib­lichen Mitglieder fatholischer Vereine usw. mitgerechnet. Die heute borliegende Statistit hat aber ausschließlich die Gewerkschaftsorga­nisationen erfaßt, die auf dem Boden des Klassenkampfes stehen.

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So bescheiden die angegebenen Zahlen auch sind, so würde es boch um das Proletariat in Italien   besser stehen, als es steht, wenn bas Klassenbewußtsein der organisierten Arbeiterinnen der Stärke

jedes gegen die Interessen der Ausgebeuteten richtet. In allem und durch alles von den Kulturfortschritten und Kulturgütern getrennt, von ihrem Vaterland enterbt und verhöhnt wird diesen Armsten der Armen gepredigt, fie müßten auf die Größe und den Ruhm ihres Vaterlandes stolz sein und sich der Kultur" freuen, die ihren Söhnen das Leben kostet. Den äußeren Feind, den sie nie gesehen und von dessen Existenz fie früher nichts gehört haben, sollen sie auf einmal so unversöhnlich hassen, daß ihre Wünsche und ihre Gebete nur seiner Vernichtung gelten dürfen, nicht aber der Erhaltung ihrer Söhne und Enkel! Also wird den ausgebeuteten, unaufgeflärten Proletarierinnen in Italien   vorgelogen. Nur der völkerbefreiende Sozialismus ist berufen und befähigt, auch sie aufzuklären und zu Angelika Balabanoff.

erlösen.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Das Parteisekretariat des Wahlkreises Leipzig  - Land hatte vier öffentliche Frauenversammlungen einbe rufen mit der Tagesordnung: Welches Intereffe haben die Frauen an den Bestrebungen der Sozialdemokratie?" Die Vera sammlungen hatten großen Erfolg. Das gleiche Thema wurde be handelt in Versammlungen zu Klotzsche   b. Dresden   und Schmiede­berg. In Chemnitz- Altendorf fand im Marmorpalast eine Riesen versammlung von Frauen und Mädchen statt, die die Parteis organisation stärkte. 30 Frauen nahmen an einer Volksversamm lung in Staucha teil, einem rein ländlichen Orte, wo außer Baus arbeitern nur Landarbeiter von unserer Bewegung erfaßt werden können. Gegner waren nicht erschienen, obwohl die Helden des Biertischgepolters zu der Versammlung eingeladen worden waren. In Weinböhla   und Riesa   tagten trok Sturm und Regen prächtig besuchte Frauenversammlungen. Die Tagesordnung war überall die oben angegebene. Versammlungen der Parteimitglieder von Dippoldiswalde   und Schmiedeberg hörten einen Vortrag über das Thema:" Was lehren die Reichstagswahlen?" Eine Reihe Diskussionsabende der Genossinnen des 5., 6. und 8. fächsischen Kreises beschäftigten fich mit dem Frauentag vom 12. Mat. Mehrere Gewerschaften veranstalteten Versammlungen, die be sonders der Aufklärung der Arbeiterinnen dienten. So die Fabrit arbeiter in Dresden  , Bauten und Niesa; die Tabatarbeiter in Bannewių, die Holzarbeiter in Gunnersdorf  , die Textilarbeiter in Leipzig  . Während des gewaltigen Kampfes der Bergarbeiter im Revier Ölsnit- Lugau fanden dort überfüllte Versammlungen für die Frauen statt, die aufgerufen wurden, den zähen Kampf ihrer Männer durch Geduld und Begeisterung zu fördern. In all den angeführten Veranstaltungen sprach die Unterzeichnete. Mögen nun die gewonnenen Genossinnen so treu zur Fahne halten wie die alten erprobten Kämpfer und Kämpferinnen. Es muß mit Riesenschritten brwärts gehen. Marie Wadwiz.

Wie alljährlich, so hatte auch in diesem Jahre der Bezirksvor­stand der sozialdemokratischen Parteiorganisation eine größere Agitaionstour durch Bommern   in die Wege geleitet. Als Re­ferentin hatte das Frauenbureau Genoffin Wulff- Berlin   ber­