Nr. 17

Die Gleichheit

Steuern zu verhindern, für die Erbschaftssteuer stimmen, würde, da die Bewilligung der Ausgaben durch die bürgerliche Mehrheit doch einmal feststehe. Diese Erklärung hat Konservative und Zentrum und ihren Anhang in arge Verlegenheit und schreckliche Angst gestürzt. Mit guten und harten Worten suchen sie die Na­tionalliberalen davon abzuhalten, sich mit dem Umsturz" zu ber­bünden, um die Erbschaftssteuer durchzudrücken. Dadurch würde fich die nationalliberale Partei völlig ins Verderben stürzen. Und unsere aufrechten Nationalliberalen scheinen wirklich Angst davor zu haben, mit Fortschritt und Sozialdemokratie die Steuer gegen die Rechte durchzusetzen. Wenigstens ist die Haltung ihrer Presse zu der Frage mehr als schwächlich, und in der Deckungskommission haben von den drei nationalliberalen Vertretern zwei gegen die Erbschaftssteuer gestimmt, darunter auch der Linksnational­liberale" Paasche. Man muß demnach darauf gefaßt sein, daß die Nationalliberalen alle ihre vielen bisherigen Umfälle durch den neuen überbieten, daß sie gegen die Erbschaftssteuer stimmen. Gegen die Erbschaftssteuer, auf der sie seit 1909 ihre ganze Po­litik aufgebaut haben, die sie im Wahlkampf zum Kriegsruf gegen Rechte und Zentrum gemacht haben. Das klingt zwar unglaublich, ist aber bei dieser Partei nicht unmöglich. Hat sie sich doch auch schon für eine neue Liebesgabe an die Schnapsbrenner mit den Blauschwarzen eben in der Dedungskommission friedlich zu­sammengefunden. Die Nationalliberalen haben ihren Namen mit unter einen Antrag gesetzt, der den Schnapsjunkern als Ersatz für die wegfallende Liebesgabe eine neue von jährlich 16 Mil­lionen Mark gewährt, und zwar soll diese gezahlt werden aus dem Ertrag der Betriebsauflage als Vergütung für die Herstel­lung von vergälltem, das heißt für Trinkzwede unbrauchbarem Spiritus und für die Ausfuhr von Branntwein. Dies Geschenk an die Schnapsbrenner haben Konservative, Zentrum und Polen  für ihr Prinzip erklärt. Wenn also die Schnapsjunker die 16 Mil­lionen Mark nicht kriegen, so lehnen sie die ganze Vorlage ab und fragen trotz all ihrer glühenden Vaterlandsliebe den Teufel danach, was aus der Deckung der Wehrvorlagen wird. Und die Nationalliberalen leisten ihnen dabei dienstbeslissen Beistand. Das Zentrum hat bei der Wehrdebatte wieder ein Manöver zur Täuschung seiner kleinbürgerlichen, bäuerlichen und proleta= rischen Wähler ausgeführt, denen die katholische Weltanschauung noch mehr am Herzen liegt als die Wahrung der Interessen der fatholischen Bourgeoisie und Junkerschaft. Die Schwarzen haben sich plötzlich in heiligem Glaubenseifer gegen den Due II= unfug erhoben. Nachdem Herr Erzberger zunächst als freiwilliger Regierungskommissar die Vorlagen verteidigt und sein Sprüchlein gegen die Noten hergesagt hatte, griff er zum Schlusse den Fall eines katholischen Militärarztes der Landwehr auf. Dieser war vom militärischen Ehrengericht wegen Duellver­weigerung zum schlichten Abschied berurteilt, vom Kaiser aber gnädigerweise zum freiwilligen Ausscheiden veranlaßt worden. Herr Erzberger   ging, wie es sich für einen Volkstribunen und Gottesstreiter gebührt, fraftvoll ins Zeug und bezeichnete die faiserliche Kabinettsorder als einen Schlag ins Gesicht des katho­lischen Voltes. Natürlich mußte der Kriegsminister für den obersten Kriegsherrn und für das standesgemäße Duell in die Bresche springen. Nun vermag selbst der geschickteste Klopffechter nicht darüber hinwegzutäuschen, daß der Schutz des Duellunfugs durch den Kaiser sich weder mit dem Gesch noch mit dem Christen­tum vereinbaren läßt. Überdies erweist sich der Kriegsminister Herr v. Heeringen auf dem parlamentarischen Fechtboden als äußerst plumper Gesell, ein so schneidiger General er auch auf dem Kasernenhof oder im Manöverfeld sein mag. So polterte er denn mit der offenen Erklärung heraus, daß ein Offizier, der das Duell ablehnt, eben nicht ins deutsche Offizierkorps hinein­passe. Das goẞ Ol ins Zentrumsfeuer. Die schwarze Presse ver­goß Ströme von Tränen über diesen neuen Schlag ins Gesicht aller guten Christen, und Herr Spahn gab am letzten Tage der Wehrdebatte eine scharfe Erwiderung der Zentrumsfraktion auf die Erklärung des Kriegsministers ab. Soweit durfte das Zen­trum mit der Aktion zufrieden sein. Hatte es doch dem Teile seiner Wähler, der noch etwas demokratisch fühlt, wieder einmal bewiesen, daß es der Regierung die Zähne zu zeigen vermag, wenn die heilige Religion bedroht ist. Auch hat es dem Papste, der es modernistischer Anwandlungen für verdächtig hält, sich wieder einmal als tapferer Glaubensstreiter empfohlen, zugleich aber der Regierung einen Wink gegeben, daß die regierende Bartei nicht umsonst zu haben ist. Aber nun kommt der heiflere Teil der Geschichte, wo es heißt, vom Neden zum Handeln über­gehen. Und da haben die vermaledeiten Sozialdemokraten einen Antrag eingebracht, wonach jeder Offizier, der sich duelliert, aus

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dem Heere zu entlassen ist. Das Unangenehme für das Zentrum ist, daß für diesen Antrag eine Mehrheit im Reichstag zustande tommt, falls es sich den Sozialdemokraten und Fortschrittlern anschließt auf die Nationalliberalen ist natürlich nicht zu rechnen. Ferner, daß die Wehrvorlage die Möglichkeit gibt, die Regierung zur Annahme zu zwingen. Das kann dem Zentrum natürlich nicht passen, denn es will doch regierende Partei bleiben und den einträglichen Bund mit den Junkern nicht gefährden. So sucht es denn nach einem Ausweg und glaubt ihn in einent Antrag gefunden zu haben, wonach kein Offizier wegen Duell­verweigerung aus dem Heere entlassen werden darf. Das heißt, es fordert die Regierung nicht auf, den Zweikampf in der Armee auszurotten, sondern verlangt lediglich Duldung für den Duell­verweigerer. Das soll das ganze Ergebnis des großen Feldzugs sein, den die Zentrumspresse im Namen des Christentums gegen den Zweikampf geführt hat.

Einen winzigen Fortschritt bedeutet es, daß der Reichstag nun endlich gegen die Stimmen der Konservativen die kleinen An­fragen" seiner Geschäftsordnung eingefügt hat, und ferner die Bestimmung, daß am Schlusse von Interpellationsverhandlungen ausgesprochen werden kann, ob der Reichstag der Haltung der Regierung in der Angelegenheit zustimmt oder nicht..

Die Interpellationsverhandlungen über den bayerischen Jesuiten­gesezerlaß im Reichstag und bayerischen Landtag waren nicht sehr aufregend. Nur daß es im bayerischen Landtag zu Sturm­fzenen kam durch die Versuche des Zentrums, die Minderheit des Landtags zu vergewaltigen. Der Bundesrat soll nun den Streit beilegen, indem er eine Auslegung über die Ausführung des Jesuiten­gesetzes gibt, der auch Bayern   sich unterwerfen wird. Es ist indes längst durchgefickert, daß Bethmann Hollweg   der bayerischen  Regierung hat zusichern müssen, ihre weitherzige Auslegung, die das Gesetz zu einem großen Teil umgeht und den Jesuiten   ein weites Tätigkeitsfeld eröffnet, werde der Sache nach zugelassen werden. Der Reichskanzler hat für sich nur einige formale Zuge­ständnisse herausgeholt, damit er den evangelischen Glaubensstreitern doch auch etwas zu bieten hat. Er erhält den Knochen, das Zentrum das Fleisch die Schwarzen präsentieren ihre Rechnung für die Bewilligung der Wehrvorlagen. Aber sie hüten sich, die Regierung vor die Wahl zu stellen, entweder Aufhebung des Jesuitengesetzes oder Ablehnung der Wehrvorlagen. Obgleich die Sozialdemokraten das Zentrum wieder und wieder aufgefordert haben, den Antrag auf Aufhebung des Ausnahmegeseges einzubringen, für den sie natürlich stimmen würden. Soviel sind die Jesuiten   den Schwarzen doch nicht wert, daß die darob ihr inniges Verhältnis zur Regie­rung und zu den Junkern in Frage stellen möchten. Zudem fürchten auch manche katholische Orden den Wettbewerb der Jesuiten  , und das Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten   ist ein zu bequemes Agi­tationsmittel, dessen die schwarzen Demagogen nicht gern entraten möchten.

Jm preußischen Dreiklassenhaus ging es in diesen Wochen bewegt zu und ein Hagelwetter von Ordnungsrufen entlud sich über die sozialdemokratischen Abgeordneten, die sich die frechen Beleidigungen der Junker und die parteiische Handhabung der Ge­schäfte durch den Junkerpräsidenten nicht schweigend gefallen lassen. Anscheinend haben sich die Reaktionäre unter Beihilfe der Regie­rung darauf verlegt, unsere tapferen Sechs planmäßig zu reizen, um einen einleuchtenden Vorwand für die Erdrosselung der Redefreiheit der Opposition zu haben, an der die Geschäftsordnungskommission dieser Volksvertretung" bereits arbeitet. Die Junker sollen sich H. B. über den Erfolg dieses ihres Streiches noch wundern!

Gewerkschaftliche Rundschau.

Die Unternehmerverbände suchen in letzter Zeit nicht allein durch Einwirkung auf die Gesetzgebung dem Kampfe gegen die organisierten Arbeiter besondere Schärfe zu verleihen, sondern sie verstärken auch die Schlagkraft ihrer eigenen Reihen mit Eifer. Die Bauunternehmer haben, wie bereits berichtet, zu diesem Zwecke das probate Mittel erfunden, ihren Material­lieferanten Beiträge für die Kriegskasse abzuzwingen. Von den Metallindustriellen wurde bekannt, daß der Ausschuß ihres Verbandes die Satzungen einer Revision" unterzogen hat. Anstatt der bisher zu leistenden 5 Mk. für je 100 beschäftigte Ar­beiter werden nun für einen Arbeiter 30 Pf. Jahresbeitrag er­hoben. Es bedeutet das eine Verstärkung der Kriegsmittel um das Sechsfache. Ferner wurde bestimmt, daß auf den Schwarzen Listen verzeichneten Arbeitern sofort gekündigt werden muß, die ver­sehentlich zur Einstellung gelangten. Damit die gelben Schäflein bei einem Strafgericht nicht mit den Schuldigen zusammen ge=