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Die Gleichheit

zur Legitimierung eines außerhalb der Ehe gezeugten Kindes nicht gezwungen werden, ja, sie haben nicht einmal das Recht, eine solche freiwillig zu vollziehen. Falls eine solche Vaterschaft erwiesen ist, wird der Mutter zwar eine Geldsumme als Genugtuung zugesprochen, natürlich unbeschadet der als Unterhaltsbeitrag festgesetzten Summe, aber die unmöglich gemachte Legitimierung des Kindes trifft in seinen Folgen auch sie. Die Klage gegen den Vater des außerehelichen Kindes fann bereits vor der Niederkunft angestrengt werden, ist aber in jedem Fall vor Ablauf eines Jahres nach der Geburt des Kindes zu er­heben. Sobald die Vormundschaftsbehörde von der außerehelichen Geburt Kenntnis erhalten oder die Mutter ihr die außereheliche Schwangerschaft angezeigt hat, wird in allen Fällen ein Beistand ernannt, der des Kindes und der Mutter Interessen dem Vater gegen­über wahrzunehmen hat. Der Beistand kann jedoch nur im Einver­ständnis mit der Mutter handeln. Er wird nach Ablauf der Klage­frist durch einen Vormund ersetzt, der entweder eines der Eltern ist oder vom Gericht bestellt wird.

Die Alimentierung des außerehelichen Kindes dauert bis zum 18. Lebensjahre, also zwei Jahre länger als in Deutschland  . Die zu zahlende Summe richtet sich nicht nur nach der Lebensstellung der Mutter, sondern auch nach der des Vaters, der sie entsprechen muß. So ist dem Kinde eines reichen Vaters die entsprechende Er­ziehung gewährleistet, ja, das Schweizer   Gesetz läßt noch eine nach­trägliche Erhöhung der Alimentation zu. Es ist nämlich eine Revision zulässig, falls sich die Stellung des Vaters oder der Mutter zugunsten des Kindes geändert hat. Die Rechte des Kindes werden auch durch feinen Vergleich berührt, der zwischen Vater und Mutter abgeschlossen wird und seine Ansprüche irgendwie beeinträchtigen könnte oder gar durch einen Verzicht auf die Rechte seitens der Mutter. Im Erbrecht ist das außereheliche Kind in der mütterlichen Verwandtschaft dem ehelichen gleichgestellt. In der väterlichen Verwandtschaft besteht da­gegen nur dann ein Erbrecht, wenn das Kind entweder freiwillig oder durch Urteil des Richters anerkannt worden ist. Hat ein außer ehelicher Erbe in diesem Falle mit ehelichen Nachtommen zu teilen, so erhält der außereheliche Erbe oder sein Nachkomme je mur halb so viel, als einem ehelichen Kinde oder seinem Nachkommen zukommt. Da das allgemeine Schweizer   Strafgesetzbuch noch nicht in Kraft getreten ist, wird das Verfahren in Vaterschaftssachen nach dem Prozeßrecht des jeweils in Betracht kommenden Kantons geregelt. Eine Anmerkung hierzu besagt, daß die einzelnen Stantone teine strengeren Beweisvorschriften aufstellen dürfen, als es diejenigen des f. dr. geltenden ordentlichen Prozeßverfahrens sind.

Vom Kampf um die Erforschung der Vaterschaft in Frank reich. Die französische   Deputiertenkammer hat ohne Debatte das von uns seinerzeit besprochene Gesetz über die Erforschung der Vaterschaft angenommen, das der Senat ausgearbeitet hat, und das den berüchtigten Artifel 340 des Code civil abändert. Nach­träglich stellt es sich heraus, daß das neue Gesetz zwei Bestimmungen enthält, die die schwersten Bedenken hervorrufen müssen, und von denen die eine geradezu eine juristische Ungeheuerlichkeit darstellt. Der Artikel 3 des Gesezes legt nämlich fest, daß die im Artikel 400 des Strafgesetzes auf Erpressung gesetzte Strafe von 1 bis 5 Jahren Gefängnis vom Zivilgericht über Personen verhängt werden kann, die bei einem Prozeß, den sie auf Anerkennung der Vater­schaft angestrengt haben, des schlechten Glaubens überführt werden. Außerdem soll in diesem Fall die Ausweisung aus einem bestimmten Bezirk auf die Dauer von 5 bis 10 Jahren zulässig sein! Ein Zi­bilgericht erhält also die Befugnis, ex officio, von Amits wegen, ohne Antrag der Staatsanwaltschaft und der beklagten Partei, in einem und demselben Urteil die uneheliche Mutter nicht nur mit ihrem An­spruch abzuweisen, sondern sie obendrein noch mit Gefängnis und Aufenthaltsverbot zu bestrafen. Während bei einem Prozeß wegen­Erpressung alle Vorschriften der Strafprozeßordnung eingehalten werden müssen, würde demnach gegen uneheliche Mütter die bloße Überzeugung des Zivilrichters zur Entscheidung genügen, daß die Klägerin in gutem oder schlechtem Glauben gehandelt hat. Juristisch betrachtet ist diese Bestimmung eine Verlegung der allgemeinen Rechtsgarantien, die Errichtung eines Ausnahmerechts gegen außer eheliche Mütter; praktisch bedeutet sie natürlich eine Einschüchterung, da der Beklagte der Klägerin jederzeit drohen kann, auf schlechten Glauben zu plädieren, und diese der Gefahr preisgegeben ist, vom Gericht ohne vorherige strafgerichtliche Untersuchung und ohne Bei­stand eines informierten Verteidigers zu schwerer Strafe verurteilt zu werden.

Die zweite Bestimmung hat die Tendenz, den Geltungsbereich des Gesetzes einzuengen und die Freiheit des unehelichen Vaters von der Alimentationspflicht als Rassenprivileg fortzuerhalten. Der Artikel 4 des Gesetzes sagt nämlich: Das gegenwärtige Gesez ist in Algerien   und den anderen französischen   Besigungen in allen

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Fällen anwendbar, wo wenigstens eine der Parteien französischer Nationalität ist oder der Kategorie der Ausländer angehört, die den französischen   Staatsbürgern gleichgestellt sind. Die Lokal regierung hat gleichwohl das Recht zu erklären, daß fie es nur in dem Fall anwenden wird, wo die Mutter und der angeb liche Vater französischer Nationalität sind oder der Kategorie der gleichberechtigten Ausländer angehören." Was das bedeutet, liegt offen zutage. Es handelt sich darum, die der weißen Rasse angehörenden Männer vor den zivilrechtlichen Folgen ihres Ge­schlechtsverkehrs mit eingeborenen Frauen zu schüßen, die Geschlechts­sllaverei der farbigen Rasse aufrecht zu halten.

Gegen diese zwei Bestimmungen dieses Gesezes sind zahlreiche Proteste erhoben worden. Die Liga der Frauenrechte und die Liga der Menschenrechte agitieren in Vorträgen und Versanımlungen für die Aufhebung der Bestimmungen. Dafür tritt auch das hochan­gesehene Juristenkomitee für Gesezreform ein, eine Vereinigung von Richtern, Advokaten und Verwaltungsbeamten, die sich die Reform von Gesezen auf Grund der Praxis zur Aufgabe gemacht haben. Übrigens kommt das Gesetz im Senat noch einmal zur Verhand lung, und wenn der Berichterstatter der Kommission auch für die unveränderte Annahme ist, so ist doch der Einspruch einsichtigerer O. P. Senatoren zu erwarten.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

I. K. Eine Konferenz der Arbeiterinnen des böhmischen Jfer. gebirges am 2. Juni befaßte sich mit dem Ausbau der politischen Organisation der Arbeiterinnen. An der Konferenz nahmen 96 Genossinnen teil, die von 18 Orten entsandt waren; das Frauenreichskomitee in Wien   war durch Genossin Popp ber­treten. In 8 Orten des Jsergebirges bestehen erst Organisa­tionen, die etwa 500 Mitglieder haben. Die clende Lage der Proletarierinnen der Gegend erschwert die Aufklärung und Organisierung, macht diese aber um so notwendiger. Die Frauen arbeiten in der Glas- und Textilindustrie. Viele sind als Schleiferinnen, andere als Perlenbläserinnen tätig; die Heim­industrie ist sehr verbreitet, und zahlreiche Kinder werden bis in die späten Nachtstunden zur Arbeit angehalten. Genossin Popp erstattete ein ausführliches Referat über die Pflicht der Prole. tarierinnen, sich am Befreiungskampf der Arbeiterklasse zu be­teiligen, und über die Aufgaben und den Ausbau der politischen Organisation. Da die Vertrauensmänner des Kreises und auch der einzelnen Orte anwesend waren, so ist zu erwarten, daß diese die Bestrebungen der Konferenz auf das tatkräftigste fördern werden. Es wurde für die beiden auf der Konferenz vertretenen Bezirke Gablonz   und Tannwald   je ein Komitee gewählt. Diesen Körperschaften obliegt es nun, im Einvernehmen mit den Vertrauensmännern den Ausbau und die Neugründung von poli­tischen Frauensektionen ins Werk zu sezen. Als Mittel zur Auf­flärung und Schulung der Frauen sollen Diskussionen und Vor­lesungen dienen.

Frauenstimmrecht.

a. p.

I. K. Eine Frau im böhmischen Landtag. Ein Ereignis von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist aus Böhmen   zu melden. Eine Frau hat bei einer Abgeordnetenwahl zum böhmischen Land­tag die Mehrheit der Stimmen erhalten. In Nimburg, einer Stadt in Böhmen  , war eine Nachwahl notwendig geworden. Die Leitung der jungtschechischen Partei, die sich schon einigemal zugunsten des Frauenwahlrechts ausgesprochen hat, brachte als Kandidaten die Schriftstellerin Bozena Vit- ku= netika in Vorschlag. Die jungtschechischen Wähler von Nim­burg erhoben dagegen Widerspruch und stellten von sich aus ihren Bürgermeister als Kandidaten auf. Die Parteileitung hielt jedoch die weibliche Kandidatur aufrecht. Die tschechoslawische Sozialdemokratie in Böhmen   bewarb sich um das Man­dat durch die auch den Leserinnen der Gleichheit" bekannte Ge­noffin Karoline Mach, Redakteurin der Zensky List" ( Frauenzeitung). Obwohl der Statthalter Böhmens, Fürst Thun, seine Bedenken äußerte, er könne doch nicht einer Frau das Wahl­zertifikat ausstellen, wurde die Kandidatur der Frau Vik sowie selbstverständlich auch die von Genossin Mach aufrechterhalten. Am 4. Juni fand die Wahl statt, und bei ihr erhielt die jung­tschechische Kandidatin 840 Stimmen, der Bürgermeister von Nim­burg 769 und Genossin Mach 415. Da keine absolute Mehrheit er­zielt wurde, kam es am 13. Juni zu einer zweiten Wahl. Diese endete, wie vorauszusehen war, mit dem Sieg der jungtschechischen Kandidatin. Denn die Sozialdemokraten hatten beschlossen, in der