Nr. 23 Die Gleichheit 361 Einsicht besitzen, daran arbeiten, sie weiterzuverbreiten. Jede Gelegenheit zur Agitation für die Gewerkschaft, für die spartei, für die Presse muß genutzt werden, um die Macht der Arbeiter zu stärken und sie in ihrem eigenen Interesse zu ge­brauchen. Da ist niemand zu gering, um in diesem Sinne im Dienste der Arbeiterbewegung tätig zu sein. Der erzielte Erfolg und das Bewußtsein treuer Pflichterfüllung ist herrlichster Lohn für die aufgewandte Mühe. L n i s e Z i e tz. Aus der Bewegung. V»n de? Agitation. Franenversammlungcn in Bade». Die Krauenkonferenz in Baden, über die wir an anderer Stelle berichten, bildete den Abschluß einer Agitationstour durch das ganze Land. Ge­nossin Baumann-Hamburg hatte durch Vermirtlung des Frauen­bureaus die Tour übernommen, sie wird selbst über das Ergebnis berich­te». Im Anschluß an die Konferenz hatte GenossinZietz gleichfalls einige Versammlungen übernommen. Sie fanden statt in Totnau, Wehr, SSrrach, Fahrnau, Zell , Brombach, Grenzach , Freiburg , Lahr und Karlsruhe , also meist im badischen Oberland. Trotz­dem der Versammlungsbesuch zweifellos stark unter der tropischen Wärme litt, so war der organisatorische Erfolg dennoch ein guter undmanches Auge sah ich blitzen und klopfen hört ich manches Herz', oder um eS mit den Worten unseres Vorsitzenden in Wehr zu sagen:Unsere Begeisterung für die größten Ziele des Sozialis­mus ist wieder neu belebt, unser Mut wieder gestärkt worden", und das ist auch ein Erfolg, wenn auch kein sichtbarer. In Wehr sind dt« ersten weiblichen Mitglieder für die Sozialdemokratie gewonnen Worden. In den anderen Orten wurden je 12 bis Neuaufnahmen erzielt, insgesanu 13S. Da» ist bei dem verhältnismäßig schwachen Stand der Organisation an den meisten Orten als ein wesentlicher Fortschritt zu begrüßen. In Kreiburg war die Versammlung glänzend besucht. Eine Anzahl Studenten und Studentinnen nahnicn gleichfalls daran teil. Dicht vor dem Vorstandstisch hatten sich einige teutsche" Jünglinge postiert, die wiederholt durch Lachen und Gri­massen die Versammlung zu stören suchten, bei der Diskussion sich dagegen vollständig ausschwiegen. Genossin Zietz brandmarkte in ihrem Schlußwort gebührend da» Betragen dergebildeten" Jüng­linge. Darauf meldete sich noch ein Student der Medizin zum Wort. In der Annahme, der Herr schäme sich des Verhaltens seiner Kom- intlitvnen und wolle dies zum Ausdruck bringen, erhielt er nach d«r Schlußansprache noch das Wort. Aber weit gefehlt, daß dieser Herr sich der studentischen Flegeleien schämte, er bestritt sie und las im übrigen solch konfuses Zeug vor, daß die Versammlung unge­duldig wurde und ihm zurief: wer ihm das aufgeschrieben habe, was er dort vorlese. Nun meinte der Herr Student, eS sei der Ver­sammlung wohl zu hoch, was er biete, sie könne es wohl nicht ver- Schallendes Gelächter antwortete ihm darauf. Aus seinen konfusen Tiraden verstand man nur so viel, daß er sich gegen die »Gleichmacherei der Geschlechter" wandte, die doch seit Adams Zeiten darschiedeir gewesen seien. Genossin Ziey konstatierte zunächst, daß es ihr schwer falle, im Ernst auf das Vorgetragene einzugehen. Unter dem stürmischen Beifall der Versammlung verhöhnte sie als­dann den angehenden Herrn Mediziner, der die Forderung sozialer »»d politischer Gleichberechtigung der Frau anscheinend verwechsle mit einer anatomischen Gleichmacherei der Geschlechter, wozu das »üsi« ein Mediziner doch am besten wissen ein Rezept bisher nicht erfunden sei. Während der Antwort der Genossin Zietz betrug fich der angehende Jünger Äskulaps so unanständig, daß er wieder­holt zur Ruhe verwiesen werden mußte. Genossin Zietz schloß unter stürmischein Beifall der Versammelten ihre Ausführungen nnt der Vitt« an die Arbeiter und Arbeiterfrauen, sich in ihrer großen Ach­tung vor der Wissenschaft nicht dadurch wirr niachen zu lassen, daß «in»Jünger der Wissenschaft" hier so unglaublich blödes Zeug vor­getragen und in höchst unanständiger Weise das Gastrecht miß­braucht habe. Nach Schluß der Versammlung trat deranständige Herr" an die Referentin heran und erklärte, es seien nicht seine An­schauungen gewesen, die er vorgetragen, sondern die einer Dame, die fi« ihm aufgeschrieben! Und das nennt sich gebildet und sieht in grenzenlosem Hochmut auf tüchtige, selbständige Arbeiter Herabi Pfui Teufel! An fast allen Orten hat nach der Versammlung noch»ine Besprechung mit der örtlichen Parteileitung stattgefunden, in der die Frage erörtert wurde, wie die gewonnenen weiblichen Mitglieder zu halten und zu schulen seien. L. Z. Krauenkouferenz in Bade». Der Landesvorstand der badischen Sozialdemokraten hatte für den 23. Juni nach Karlsruhe eine Frauenkonferenz einberufen. Sie war auS allen Teilen des Lande? mit insgesamt 29 weiblichen Delegierten beschickt. Als Vertreter der Karlsruher Parteiorganisation war Genosse Dietrich anwesend, als Vertreter der Presse Genosse Winter. Die Leitung lag in den Händen des Genossen Strobel vom Landesvorstand, und als Ver­treterin des Parteivorstandes warGenossinZietz zugegen. NachdemGe« nasse Strobel die Konferenz eröffnet, die Erschienenen herzlich begrüßt und die geschäftlichen Formalitäten erledigt hatte, erhielt Genossin Fischer, Mitglied der Karlsruher Parteileitung, das Wort zu einer Begrüßungsansprache. In schlichter, herzlicher Weise bewillkommnete sie die Konferenzteilnehmer und gab ihrer hohen Freude über das Stattfinden der ersten Frauenkonferenz in Baden lebhaften Ausdruck. DaS einleitende Referat über das Thema:Wie schulen wir die Frauen für die politische Betätigung?" erstattete Genossin Zietz. Ein­leitend wies die Referentin kurz und präzis nach, daß die Notwendig­keit der politischen Betätigung für die Frau gegeben, daß sie tief und fest verankert sei in der wirtschaftlichen Entwicklung, die den Kapitalismus zum Siege führte. Sie stellte fest, daß besonders zwei Seiten dieser Entwicklung die politische Betätigung der proletarischen Frau in ihrem eigenen Interesse und in dem der Arbeiterklasse zur sozialen Lebensnotwendigkeit gemacht haben: die Wandlung in der Arbeit und damit in der gesellschaftlichen Stellung der Frau, und die Wandlung in den Aufgaben des Staats, seiner Gesetzgebung und Verwaltung. Sodann besprach die Reserentin eingehend die verschiedenen Methoden der öffentlichen Agitatipn zur Aufrüttelung und Organisierung der Proletarierinnen. Sie erörterte die Vor­bereitung der Versammlungen, die Wahl des Tages und der Themen, die Methode, um Mitglieder und Abonnenten für die örtliche Partei- Presse und dieGleichheit" zu gewinnen. Die verschiedenen Methoden der Hausagitation wurden eingehend dargelegt, und mit dem allein hatte schon die Skizzierung der praktischen Mitarbeit begonnen, die die weiblichen Mitglieder innerhalb der Organisation zu leisten haben, und die in ihrer Mannigfaltigkeit und Notwendigkeit beleuchtet wurden. Einen breiten Raum des Referats nahmen die Ausführungen ein über die Schulung der Genossinnen durch Lektüre, Ver- saminlungSbesuch, vor allem aber durch Einrichtung uird Ausbau der Lese- und Diskussionsabende, durch die Beteiligung an den verschiedenen Kursen, sowohl den örtlichen dauernden Bildungsein­richtungen, wie den Wanderkursen der Partei. Die ungeteilte Aufmerksainkeit und der lebhafte Beifall bekundeten bereits das lebendige Interesse der Konserenzteilnehmer, aber noch mehr wurde dieses bewiesen durch die Diskussion, die sich ausnahms­los auf einem sehr hohen Niveau bewegte. Unter den Teilnehmerinnen fiel allgemein die markante Persönlichkeit unserer langjährigen Ge­nossin Notzler-Schopfheim auf, die in Markgräflertracht erschienen war. Genossin Million-Lörrach, die mit großem Eifer im industric- reichen Wiesental für unsere Bewegung tütig ist, fesselte durch die Ruhe und Überlegenheit, mit der sie sich an der Debatte beteiligte. Von leidenschaftlichem Eifer und großer Liebe zur Sache zeugten die temperamentvollen Darlegungen unserer Genossin Knecht- Durlach. Zorn über die viel zu langsame Vorwürtsentwicklung und der leb­hafte Wunsch, alle verfügbaren Kräfte der Bewegung nutzbar zu machen, leuchteten aus den Ausführungen der Genossin Amann aus der Bijouteriestadt Pforzheim und der Genossin Bändel- Gaggenau . Von den Schwierigkeiten, die bei der Aufrüttelung und Organisierung der Proletarierinnen zu überwinden sind, aber auch von dem festen Willen, ihrer Herr zu iverden, erzählten die Reden der Genossin M a tz l o w- Freiburg und der Genossin Dühring aus dem Tabak­arbeiterort Hockenheim . Von prächtigen Erfolgen bei einer plan­mäßigen, intensiven Agitation, aber auch von dem lebhaften Wunsch, in Zukunft womöglich noch Besseres zu leisten, berichteten unsere tüchtigen, geschulten Genossinnen Blase, Kehl , Messinger, Wehner und Mohr aus Badens industriereichster Stadt Mann­ heim . Unsere tüchtige und fleißige Genossin Fischer, sowie die eifrigen Genossinnen Fäßer und Schwerdt aus der Residenz Karlsruhe lieferten wertvolle Fingerzeige für die örtliche Agi­tation. Genosse Strobel- Mannheim, die Genossen Dietrich und Nitschke aus Karlsruhe und Genossin Zietz beteiligten sich eben­falls lebhaft an der Diskussion. Beschlossen ward, die Anregungen des Referats in vollem Umfang in der Agitation und bei der Schulung der Genossinnen nutzbar zu niachen. Aus der Mitte der Konferenz ward der Wunsch geäußert, daß auch von Baden dem­nächst eine Genossin auf die Parteischule geschickt werden möge, Genosse Strobel erklärte namens des Landesvorstandes sein Ein­verständnis mit dem Vorschlage und teilte mit, daß bei der Aus­wahl der Bewerber in diesem Jahre der Landesvorstand bereits er­wogen habe, ob er einer Frau den Vorzug geben solle. Da aber unter den Bewerbern ein Genosse war, der schon einmal für die Schule bestimmt gewesen, dann aber mit Rücksicht auf die bewrgw