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Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Die Gleichheit
Drei Schulschwestern zur Unterstüßung der Schulärzte find in den Breslauer Volksschulen angestellt worden. Jeder von ihnen find bestimmte Bezirke zugewiesen, in denen sie als Hilfsorgane der schulärztlichen Fürsorge tätig sind.
Einen weiblichen Eherichter hat das Polizeigericht Brooklyn seiner Abteilung für Ehestreitigkeiten zugeordnet. Die Richterin hat zusammen mit ihrem männlichen Amtsgenossen alle Streitig feiten zu entscheiden, und sie ist ausdrücklich angewiesen, die Fragen ausschließlich vom weiblichen Standpunkt aus zu beurteilen.
Verschiedenes.
Einige Zitate. Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen. So dachte die" Parole, Deutsche Kriegerzeitung, Amtliche Zeitung des Deutschen Kriegerbundes", und bemühte sich, ihr Spänlein beizutragen zu dem Scheiterhaufen, auf dem die Sozialdemokratie verbrannt werden soll. Bekanntlich hat Vater Staat, der preußische, seit einiger Zeit seine Fürsorge" der Arbeiterjugend zugewandt. Mit einigen Millionen hat er eine staatserhaltende Jugendbewegung ins Leben gerufen zu dem ausdrücklichen Zweck, der sozialdemokratischen Jugendbewegung das Wasser abzugraben. Da be= eilen sich nun die waderen Krieger, auch noch hinterherzukommen und durch Gebelfer gegen die sozialdemokratische Jugendpflege ihre Treue und Ergebenheit den staatserhaltenden Kreisen zu beweisen. Man sollte meinen, das Los der hungernden Veteranen ginge sie näher an. Aber nein, jetzt ist ja Jugendpflege in Mode, und da gehört es sich natürlich, daß die" Parole" in Jugendpflege macht. Was sollte man sonst„ oben" von ihr denken! So tischte sie denn in ihrer Nummer vom 31. Juli etliche Schimpfereien gegen die Sozialdemokratie auf, die wenig beachtlich sind. Doch läßt sie die Gelegenheit nicht vorübergehen, ohne der Welt zu verkünden, wie nach ihrer Meinung die Jugend erzogen werden muß. Und das sieht so aus: 3ucht in der Jugend ist die Vorbedingung für späteres gedeihliches Leben und Schaffen. Zur Zucht gehört aber vor allem Gehorsam, die Fähigkeit des Unterordnens und Einordnens in die gegebenen Wirklichkeiten in der Familie, Gemeinde, Gesellschaft und im Staat. Der jugendliche Wille muß von früh auf gewöhnt werden, daß er sich überall zu fügen hat, daß er zu allererst gehorchen lernen muß, den Eltern, den Erwachsenen, den Lehrern, der von Gott und der Geschichte verliehenen Obrigkeit und Ordnung. Im Kinde, wenn es dereinst ein brauchbares, tüchtiges Glied in der großen vaterländischen Gesamtheit werden soll, muß das heilige Wort gleichsam Fleisch und Blut werden: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe! Für jede größere wie kleinere Gemeinschaft gilt das, sonst gibt es keinen Halt, kein Zusammenwirken. Der Einzelwille muß dem Gesamtwillen, dessen Glied er ist, dienen und folgen. So gebietet es allerwegen die natürliche Ordnung; so muß es sein und bleiben." Gehorchen, unterordnen, sich fügen das ist es, was der " freie" deutsche Krieger dem heranwachsenden Geschlecht beibringen will.
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Was wir dazu meinen, haben wir oft genug gesagt und wollen es nicht wiederholen. Wir wollen vielmehr heute nur einige Zitate zu dieser Frage beibringen. Der Zufall will es nämlich, daß auch in einer ernst zu nehmenden konservativen Zeitschrift, in den " Preußischen Jahrbüchern", im Juli dieses Jahres ein Artikel über die Jugendpflege erschienen ist, und der kann natürlich ebenfalls an der Frage der Erziehung nicht vorübergehen. Da klingt es aber ganz anders:
„ Die Schuld dafür, daß in unserem öffentlichen Leben mehr und mehr ein Mangel an überzeugungstreue und Charatterfestigkeit zutage tritt, wird mit gutem Recht zum großen Teil dem Geist an unseren öffentlichen Schulen zugesprochen. Die Erziehung zur Selbständigkeit, zu freien, willensstarten Persönlichkeiten wird zwar jeder deutsche Lehrer als ein richtiges Jdeal anerkennen; in der Pragis aber begnügen sich sehr viele, wenn nicht die meisten, immer noch damit, bei ihren Schülern eine gute Zucht und tadellosen Gehorsam zu erziehen.... Der englische Knabe lernt nicht nur ge= horchen, sondern auch befehlen. Die Folge davon, daß das bei uns nicht geschieht, ist, daß der Deutsche , wenn er ins Leben hinaustritt, nicht von selbst die Empfindung dafür besißt, wann er ge= horchen und wann er befehlen soll."
Diese Empfindung ist allerdings für den Krieger nach dem Herzen der Parole" auch ganz überflüssig, denn der will ja immer nur gehorchen, sein ganzes Leben lang. Aber weiter im Text
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Nr. 2
der„ Preußischen Jahrbücher ":" Außerdem betrachtet sich der eng lische Lehrer seinem Schüler gegenüber nicht als Vorgesetzter( entseßlich zu hören für ein treudeutsches Kriegerherz!), sondern als primus inter Pares( Erster unter Gleichen); und dem Schüler wird das Recht zugebilligt, eine unwürdige Behandlung, Miß- und übergriffe zurückzuweisen."
Nachbarin, euer Fläschchen! Wo bleibt da die" Bucht", die in Deutschland bekanntlich den jungen Menschen so weit erzieht", daß er in der Kaserne auf Befehl des Vorgesetzten schmutziges Waschwasser trinkt. Ja, bei uns wird eben auf Kriegervereinsmethode erzogen, und die ist natürlich viel besser als die englische. Cder nicht? In dem konservativen Artikel heißt es weiter:" Dürfen wir uns wundern, daß unsere Knaben und Jünglinge, die als mehr oder weniger willen lose Individuen behandelt werden und sich fremder Autorität blindlings fügen müssen, sich auch als Männer durch alles, was mit Selbstbewußtsein auftritt, imponieren lassen und nicht den Mut finden, ihrer überzeugung Ausdruck zu geben und sie unter allen Umständen zu vertreten?"
Arme Parole! Und gerade das hat sie den Sozialdemokraten zum schlimmsten Vorwurf gemacht, daß sie die Jugend auf eigene Füße stellen, zu eigenem Willen erziehen will! Aber freilich, wir dürfen nicht vergessen, daß die waderen Krieger, die das geschrieben haben, selbst eine Frucht jener„ Erziehung zur Unterordnung" sind, die sie jetzt mit so vollen Backen preisen. Sie haben es nicht anders gelernt, gehen wir also nicht zu streng mit ihnen ins Gericht.
Der Artikel in der konservativen Zeitschrift enthält auch sonst noch treffende Worte über unser Erziehungswesen, zumal an den höheren Schulen, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wolIen. Zum Beispiel diese:" Solange unsere höheren Schulen das bleiben, was sie heute sind, nämlich Examenschulen, Versicherungsanstalten zur Gewinnung staatlicher Berechtigungen, so lange fann es nicht besser werden. Nur der Geist macht lebendig, der auf der Liebe zur Sache, auf der Freude an den Dingen beruht. Der aber kann nicht gedeihen, wo statt der inneren Werte, die in der Arbeit und der Vertiefung in die Gegenstände liegen, der äußere Erfolg, der mit der Sache gar nichts zu tun hat, das Ziel ist, auf das Lehrer und Schüler hinarbeiten müssen.... Solange solche Vorwürfe im Durchschnitt berechtigt sind, und das kann man nicht leugnen, so lange sind die Schulen nicht der Hort des Jdealismus, sondern die Pflegestätte des Materialismus, der in der Sucht nach äußeren Vorteilen und Erfolgen wurzelt, die es nicht fümmert, ob der innere Mensch, die wahrhaftige Persönlichkeit dabei Schaden leidet. Sie hilft selbst das Scheinwesen erzeugen, die Phrase, die äußere Mache, die von den Besten der Zeit als der Krebsschaden betrachtet wird, an dem wir franken."
Wenn die höhere Schule, die Schule der Besitzenden, sich aus den eigenen Reihen solche Dinge muß sagen lassen, hätte da nicht der Staat, dieser Regierungsausschuß der Besißenden, alle Veranlas sung, sich erst einmal um diese inneren hauslichen Angelegenheiten seiner Auftraggeber zu kümmern, ehe er es unternimmt, die Arbeiterjugend vor der Sozialdemokratie zu retten? j. b.
go
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Jahrgang 1911/1912
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