Nr. 23

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Die Gleichheit

wünsche, weil sonst die Interessen der Landesverteidigung verlegt werden würden ein Argument, dem kein Kriegsgericht wider­stehen wird. Als dann freilich selbst in der bürgerlichen Presse gegen diesen Vertuschungsversuch gemurrt wurde, da wurde be= sänftigend mitgeteilt, erstens habe das Kriegsgericht vollständig selbständig über die Öffentlichkeit der Verhandlung zu befinden- was richtig ist, bei der Abhängigkeit der Richteroffiziere von ihren Vorgesetzten aber nicht viel besagen will und zweitens sei eine beschränkte Öffentlichkeit in Aussicht genommen", nur bei Er­1. örterung militärischer Geheimnisse solle die Verhandlung geheim geführt werden. Hinterher kam dann aber die Erklärung, daß se ziemlich alles, was im Prozeß zur Sprache kommen wird, mili­tärisches Geheimnis darstellt, so daß von der Öffentlichkeit kaum etwas übrig bleiben wird. Dabei liegen die meisten der Fälle, um die es sich dreht, um Jahre zurück und betreffen schon veraltete Konstruktionen, bei denen nichts mehr zu verraten ist. Daß die Firma Krupp   ein großes Interesse am Ausschluß der Öffentlich­feit hat, steht fest das ist aber nur ein Grund mehr, diesem Blane entschieden entgegenzutreten.

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Das Zentrum hat bei der Ersazwahl im oberbayerischen Reichs­tagswahlkreis Weilheim   eine böse Schlappe erlitten. Zwar hat es das Mandat noch mit 74 Stimmen Mehrheit behauptet, es hat aber 4227 Stimmen gegen 1912 verloren, die fast sämtlich dem Bauernbündler zufielen.

Dem Todesmarsch von Arys ist einer auf dem Truppen­übungsplatz in der Senne bei Paderborn   gefolgt. 50 Reservisten brachen dort zusammen und zwei von ihnen sind. gestorben. Die Militärverwaltung hat es nicht für nötig befunden, den traurigen Fall vor der Öffentlichkeit darzulegen man erfährt nicht ein­mal, ob die schuldigen Vorgesezten zur Verantwortung gezogen. werden!

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Auf dem Balkan   dauert das blutige Ringen der ehemaligen Verbündeten an. Der Kampf wird nicht nur gegen Bewaffnete geführtgegenseitig beschuldigen sich Griechen, Serben und Bulgaren   der scheußlichsten Greuel an der wehrlosen Bevölkerung, an Frauen, Greisen und Kindern. Nachdem die Nu­mänen ohne Widerstand zu finden bis dicht an die bulgarische Hauptstadt heranmarschiert waren, hat Bulgarien   ihnen ein grö­Beres Stüd seines Gebiets zugesichert. Darauf hat Rumänien   den Vormarsch eingestellt und bemüht sich, die Serben und Griechen zum Abschluß eines Waffenstillstandes zu bewegen, dem Friedens verhandlungen in Bukarest   folgen sollen. Die Bemühungen find bis jetzt aber ohne Erfolg geblieben, da Serbien   und Griechen­ land   nur dann die Feindseligkeiten einstellen wollen, wenn Bul­ garien   ihre Friedensbedingungen angenommen hat, das ist Ab­rüstung und Abtretung der strittigen mazedonischen Gebiete. Ihre Etreitkräfte seßen den Vormarsch erfolgreich fort. Zugleich hat die Türkei   die Gelegenheit benutzt, um über die durch den Conderfriedensvertrag zwischen ihr und Bulgarien   festgesetzte Grenzlinie vorzubringen, das von den Bulgaren   preisgegebene Adrianopel   wieder zu besetzen, ja in Bulgarien   selbst ein­zufallen. Die hilflose bulgarische Regierung, die alle ihre Trup­pen gegen die Serben und Griechen braucht, hat die Groß­mächte aufgerufen, die Türkei   zur Umkehr zu bestimmen. Und die Großmächte haben denn auch in Konstantinopel   erklärt, daß sie der Türkei   nicht gestatten würden, das im Londoner   Ver­trag abgetretene Gebiet, insbesondere Adrianopel   wieder zurück­zunehmen. Die Türkei   scheint indes zu denken, daß die Groß­mächte im Verlauf der beiden Balkankriege schon viel erklärt haben, ohne ihren Willen durchsetzen zu können. Der Vormarsch der brennenden und plündernden türkischen Truppen dauert an, und die türkische   Regierung verkündet mit Entschiedenheit ihren Ent­schluß, Adrianopel   zu behaupten. Damit ist neuer Zündstoff auf den europäischen   Brandherd gehäuft, die Gefahr einer Verwid­lung zwischen den Großmächten ist wieder näher gerückt. Rußland  droht mit einer Besetzung Armeniens  , womit die Frage des Bestandes der asiatischen Türkei   ins Rollen käme.

Ein zweites Ungewitter, daß dem Weltfrieden gefährlich werden sfönnte, hat sich im äußersten Osten zusammengebraut. Jm Süden Chinas   ist ein ernstlicher Aufstand der Südprovinzen gegen die > Zentralregierung zu Peking   ausgebrochen. Der aufständische Süden wird insgeheim von Japan   unterstüßt. Die Truppen der Regierung sind zurzeit im Vorteil, doch ist die Entscheidung noch nicht abzusehen. Diesen Zeitpunkt hat Rußland   zu einem neuen Vorstoß in der Mongolei   benußt. Führt er es ans Biel  , so werden die anderen Großmächte Kompensationen" verlangen, und gefährliche Gegenfäße tun sich auf.

In Frankreich   ist das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit schließlich durchgedrückt worden. Doch ist der tapfere und zähe

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Kampf unserer französischen Genossen in der Kammer, der noch zuletzt von einer großen Massendemonstration in einem Pariser  Verort begleitet wurde, nicht umsonst gewesen. Die öffentliche Mei­nung ist bis in die Tiefe aufgerüttelt worden, und große Scharen sind der sozialistischen   Propaganda zugänglich gemacht worden. Die holländische Sozialdemokratie hat erfreu= licherweise den Eintritt in ein liberales Ministerium abgelehnt drei Ministerposten waren ihr angetragen gewesen. In Rußland   hat die zarische Regierung die zwei Tageblätter der Sozialdemokratie in Petersburg  , Prawda" und" Lutsch", unterdrückt, nachdem die unaufhörliche Verfolgung der beiden Or­gane durch Polizei und Justiz sie dank der Opferwilligkeit der Ge­nossen nicht zu erdrosseln vermocht hatte. Das Wiederaufleben der Arbeiterbewegung wird durch diese brutale Gewaltmaßregel nicht verhindert werden. H. B.

Gewerkschaftliche Rundschau.

Schlimme Blüten treibt der Unternehmerterroris= mus in den Zwangsinnungen. Segar der preußische Han­delsminister Sydow war gezwungen, im preußischen Abgeord­netenhaus sich mißbilligend darüber zu äußern. Werden doch durch die ungesetzlichen Zwangsmaßregeln der Innungen selbst Aus­benter und nicht nur Arbeiter geschädigt. Nunmehr hat der Han­delsminister an die Oberpräsidenten und die diesen unterstellten Lehörden einen Erlaß gerichtet, worin er nochmals gegen die Methoden der Innungsbrüder Stellung nimmt und das unter Hinweis auf die vielen Klagen über die terroristischen Maßnahmen der Zwangsforporationen. Der Minister erklärt es für unzulässig, wenn Zwangsinnungen ihre Mitglieder bei Strafe verpflichten, alle gewerkschaftlich organisierten Gesellen zu entlassen und nur solche Gesellen in Arbeit zu nehmen, die einen bestimmten Revers unterzeichnen. Ebenso wenn sie ihren Mitgliedern bei Straf­androhung verbieten, Eonderverträge mit den Arbeitern abzu= schließen und wegen der Nichtbefolgung solcher Vorschriften Strafen festseßen. Beschlüsse, die lediglich dazu dienen, die Innungsmit­glieder zur Befolgung der von den Unternehmern getroffenen Verabredungen zu nötigen, um günstigere Lohn- und Arbeits­bedingungen zu erlangen, würden übrigens wider die Vorschriften der Gewerbeordnung gegen den Koalitionszwang verstoßen. Eine Verpflichtung der Innungsmitglieder, nur bestimmte Gesellen in Arbeit zu nehmen oder bestimmte Gefellen zu entlassen, sei auch nach§ 41 der Gewerbeordnung unzulässig. Die Aufsichtsbehörden follen auf solche wider die guten Sitten verstoßenden Maßnahmen achten und entsprechend den ministeriellen Vorschriften verfahren. Ob das geschehen wird, steht auf einem anderen als dem papierenen Blatte des Handelsministeriums. Bisher wurde der Terrorismus der Innungen in weitestgehendem Maße durch die Behörden unterstüßt. Gegenüber der verschärften Klassenjustig und angesichts des systematischen Kampfes gegen die Arbeiterorganisationen sind solche ministeriellen Ermahnungen in den Wind gesprochen. Wir werden dafür bald Leweise erbringen können.

Die Werftarbeiterbewegung hat nicht allein zum Kampfe gegen die Unternehmer, sondern auch zu Konflikten in den Reihen der Organisationen geführt. Ehe nach der Meinung der Organisationsleitungen die Verhandlungen mit den Werftbesitzern völlig erschöpft waren, legten die Arbeiter in Hamburg  , Stettin  , Riel, Bremen   und Flensburg   die Arbeit nieder. Die Arbeiter trieb zu ihrem schnellen Schritte die Empö­rung über das hinhaltende Venchmen der Unternehmer. Diese suchten durch ungenügende Zugeständnisse die Bewegung zu ber­schleppen. Dazu kam, daß unter der Arbeiterschaft sich die Mel­dung verbreitete, die Organisationsvorstände hätten die Arbeits­niederlegung beschlossen. Tausende von Werftarbeitern stellten die Arbeit ein. Die Zentralvorstände, unter ihnen besonders der des Metallarbeiterverbande 3, verlangen demgegen­über die Einhaltung der statutarischen Bestimmungen, sie erklären diese Streiks als ohne ihre Zustimmung erfolgt und verweigern die Mittel zu ihrer Unterstützung. Die Arbeiter haben die Bercch­tigung ihrer Handlungsweise nachzuweisen versucht, sie forderten in Versammlungen die Zentralvorstände auf, ihren ablehnenden Standpunkt aufzugeben, und verlangten die Einberufung außer­ordentlicher Verbandstage. Die Zentralvorstände beharren jedoch auf ihrem Standpunkt. Die Stettiner Bahlstelle des Metall­arbeiterverbandes beschloß daraufhin, keine Gelder an die Zentralkaffe abzuführen und von den vorhandenen und ein­gehenden Beträgen die Streifenden zu unterstüßen. Die Werft­besißer sind auf der Suche nach Streifhrechern, sie haben auf Logierschiffen im Hafen bereits Arbeitswillige einquartiert. Der