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Die Gleichheit

Heusinger ein für allemal vergangen. Sie hat an ihren Erfah­rungen mit gnädigen Herrschaften genug. Diese vertreiben sich selbst die Dienstboten und jammern dann beweglich, daß die Mädchen nicht mehr dienen wollen. Zur Behebung der Dienst­botennot erwarten bürgerliche Kreise so viel von Hauswirtschafts­schulen. Wären daneben nicht auch Schulen für die Bildung und Erziehung der Herrschaften nötig? St.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Niedrige Löhne und grobe Mikstände als Zugabe finden sich in der Spinnerei von Chr. Dierig in Langenbielau  . Das wurde kürzlich in einer Betriebsversammlung festgestellt. Die Spinnerei beschäftigt 50 männliche und 200 weibliche Arbeits­kräfte. Das in ihr fabrizierte Garn wird in der Weberei der Firma weiterverarbeitet, so daß diese also die Kosten spart, die sonst beim Absatz der Ware erwachsen. Sie wäre dadurch in der Lage, höhere Löhne als andere Spinnereien der gleichen Art zu zahlen. Trotzdem sind bei der Firma Dierig wie wir bereits früher hier mitteilten die Löhne bedeutend niedriger als in anderen Spinnereien, wo die Arbeiter sich fest organisiert haben. Troz der höheren Löhne konnten aber diese Firmen für das ver­gangene Jahr 14 bis 30 Prozent Dividende verteilen. Man kann daraus schließen, daß die Spinnerei Dierig für die Besizer eine wahre Goldgrube ist und daß hier ein Heidengeld aus der Ar­beiterschaft herausgepreßt wird. Der spottniedrige Verdienst der Arbeiterinnen und Arbeiter wird noch bei jedem Anlaß durch hohe Strafen gekürzt, die bis zu einem vollen Tagesverdienst betragen können. Für die Lohnauszahlung steht eine eigen­tümliche Gepflogenheit im Schwange. Die Lohnberechnung um= faßt die Zeit von Montag früh bis Samstag abend, die Aus­zahlung des Verdienstes erfolgt jedoch erst Mittwoch oder Don­nerstag der folgenden Woche. Als Prämie dafür, daß die Ar­beiterschaft das alles hingenommen hat, hat die Firma Dierig die Löhne in der Flyerei herabgesetzt. Ob auch in anderen Abtei­lungen vom fargen Verdienst abgebrochen werden soll, das wird davon abhängen, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter endlich auf­wachen und sich organisieren. Wenn sie etwas auf sich halten und ihre Menschenwürde fühlen, des Wertes ihrer Leistungen sich bewußt find, so müßten sie ihre Pflicht zur Vereinigung erkennen. Denn auch sonst fordern die Verhältnisse in der Spinnerei die schärfste Kritik heraus. Den Arbeiterinnen wird eine sehr rohe Behand­Iung zuteil. Besonders der Meister Waibel scheint nie etwas von Knigges Umgang mit Menschen gehört zu haben. Er betitelt die ihm unterstellten Arbeiterinnen als Schweinebande"," Sau­bande" usw. Der Meister Waibel sucht auch oft die Aborte der Arbeiterinnen auf, stellt sich dort vor die Frauen hin, die er aus­lacht oder beschimpft, je nachdem er gerade gelaunt ist. Damit er vom Vorraum der Aborte aus alle hier befindlichen Arbeiterinnen mit einem Blick sehen kann, hat er von allen sechs Klosetts die Riegel entfernt. Darf es bei solchem Verhalten noch wunder­nehmen, daß der Mann die Arbeiterinnen mit Vorliebe duzt, auch die älteren verheirateten Frauen? Der jugendliche Meister Heil­mann in der Flyerei soll ebenfalls die Arbeiterinnen gern schimpfen. Freilich machen es höhere Beamte nicht besser. Vor einiger Zeit beschwerten sich Andreherinnen bei dem Direktor Edert, weil sie zu lange auf Spulen warten mußten und da­durch nichts verdienen konnten. Der Herr ließ sie jedoch gar nicht ausreden, sondern brüllte sie an: Hinaus, ihr Saustüde, ihr Schweine!" Jm Arbeitssaal hat der Meister Waibel fast sämtliche Fensterriegel mit Draht umwickeln lassen, so daß sie nicht mehr aufgehen. Die Fenster können mithin nicht geöffnet werden, und in dem Arbeitsraum herrscht eine Atmosphäre, die jeder Beschrei­Lung spottet. Als großer Mißstand wird es ferner empfunden, daß die Arbeiterinnen an Sonnabenden über die zulässige Zeit hinaus im Betrieb festgehalten werden. Statt der gesetzlich fest­gelegten acht Stunden Arbeitszeit werden es in der Spinnerei bei Dierig oft genug neun Stunden und mehr. Selbstverständlich ver­langt die Firma nicht direkt längere Arbeitszeit, jedoch durch ihre Maßnahmen zwingt sie die Arbeiterinnen dazu. Sonnabends sollen sämtliche Maschinen geputzt werden, und da diese erst um 14 Uhr stehen bleiben, so haben die Arbeiterinnen bis gut 4 Uhr mit dem Buzzen zu tun. Es wird 5 und 25 Uhr, ehe sie sich dann selbst gewaschen und umgekleidet haben. Schließlich ist der starke Ge­duldsfaden der Arbeiter und Arbeiterinnen bei Dierig gerissen. Sie sind mit ihren Beschwerden an die Öffentlichkeit getreten. Die Firma hat daraufhin Kenntnis" davon genommen und Abhilfe in Aussicht gestellt. Inwieweit sie ihr Versprechen halten wird, das liegt zum guten Teil in den Händen der Arbeiterschaft selbst.

Nr. 23

Hält sie zusammen und tritt dem Deutschen Textilarbeiterverband  bei, so ist der Tag nicht mehr fern, wo es wenigstens von den am härtesten empfundenen Übelständen heißen wird: sie sind gewesen.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

j. 1.

I. K. Die sozialistische Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten   soll durch die Arbeit der Nationalen Frauenkomitees der Sozialistischen Partei tatkräftig gefördert werden. Diese Körperschaft hat die Aufmerksamkeit der Partei zunächst auf die folgenden dringlichen Aufgaben gelenkt.

Im Hinblick auf den Stand der Frauenwahlrechts­frage in der Union   muß die Sozialistische Partei bei allen ihren Veranstaltungen zeigen, daß sie die politische Organisation ist, die mit der größten Entschiedenheit für das volle Bürgerrecht aller Frauen eintritt. Die Genossinnen sind verpflichtet, die Aufmert­samkeit der Genossen immer wieder aufs neue auf diese Forde­rung zu lenken und ihr die Unterstützung der gesamten Partei zu sichern. In den Staaten der Union  , wo das Frauenwahlrecht noch nicht besteht und wo Sozialisten den gesetzgebenden Körperschaften angehören, sollen die Vertreter der Partei Anträge für die poli­tische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts einbringen; in den Staaten, wo dem Volke das Recht der Initiative und des Re­ferendums für Verfassungsänderungen zusteht, hat die Partei die geeigneten Maßregeln zu ergreifen, damit die Forderung des Frauenwahlrechts zur Volksabstimmung kommt. Die sozialistischen  Organisationen müssen der politischen und sozialen Erziehung der Frauen die größte Aufmerksamkeit zuwenden, damit die vielen wahlberechtigten Staats- und Gemeindebürgerinnen den richtigen Gebrauch vom Stimmzettel machen. Diese Schulung hat auf dem Boden der Auffassung vom Klassenkampf zu erfolgen.

Die gewerkschaftliche Organisierung der lohn­arbeitenden Frauen und Mädchen ist eifrigst zu för­dern. Von den mehr als 5 Millionen weiblicher Erwerbstätiger, die es in den Vereinigten Staaten   gibt, sind nur 7 Prozent gewerk schaftlich organisiert. Das nationale Frauenkomitee schärft den Genossinnen die Pflicht ein, soweit sie einem Beruf nachgehen, ihrer Gewerkschaft sich anzuschließen, jedoch in ihrer Gesamtheit alle Kämpfe zu unterstüßen, in denen Arbeiterinnen um bessere Existenzbedingungen ringen und die Gesetzgebung zum Schuße der Arbeiterinnen voranzutreiben. Zum Zwede der entsprechenden systematischen und einheitlichen Arbeit soll die Partei in allen In­dustriezentren ein besonderes Komitee einsetzen, dem möglichst Ge­nossinnen angehören sollen, das aber auch aus Genossen bestehen kann. Eine rege Aufklärungs- und Organisations­arbeit ist auch unter den Farmerfrauen zu entfalten, deren Lage kaum besser als die der Lohnarbeiterinnen ist. Man zählt davon in der Union   über 6 Millionen, und in 9 Staaten des Westens besitzen diese Frauen das Wahlrecht. Damit die Farmer­frauen von der sozialistischen   Agitation erfakt werden, befürwortet das Nationale Frauenkomitee, daß in den Schulhäusern der länd­lichen Bezirke Versammlungen abgehalten werden. Im Staate Kansas   hat die Partei damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Bei jeder Agitationstour ließ man der ersten Versammlung in einem Ort binnen kurzem eine zweite folgen, die die Ergebnisse der früheren Veranstaltung befestigte. Das Nationale Frauen­fomitee fordert des weiteren die Genossinnen und Genossen zur fleißigen Werbearbeit unter den Volksschullehrerinnen auf. Diese müssen mit der sozialistischen   Literatur bekannt gemacht werden, denn sie beeinflussen in hohem Grade die Entwicklung der proletarischen Jugend. Nach der letzten Volkszählung gab es an den Volksschulen der Vereinigten Staaten 445 687 Lehrkräfte, davon waren 327 206= 73 Prozent Frauen. In den Staaten, wo den Frauen das Wahlrecht in Schulangelegenheiten zu­steht, sollen die Genossinnen und Genossen dafür sorgen, daß die Proletarierinnen in die Wählerlisten eingetragen und zum Ver­ständnis des Bildungswesens erzogen werden.

Der Frauentag soll fünftig möglichst an dem gleichen Datum fiattfinden wie in Europa  . Das Nationale Frauenfomitee hält es für zwedmäßig, daß die organisatorisch tätigen Genoffinnen bei Agitationstouren sich wenigstens 2 Tage an einem Ort aufhalten und alle besuchten Orte auf der Rückreise nochmals berühren. Es verspricht sich davon eine nachhaltigere Wirkung der Arbeit und eine engere Fühlung zwischen den Genossinnen und Genoffen, die sich der Erwedung und Schulung der Frauen widmen. Von der Verwirklichung dieser Anregungen ist ein fräftiges Fortschreiten der sozialistischen   Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten  zu erwarten.