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Die Gleichheit

und die Damen des Frauenstimmrechtsvereins beteiligten sich an dieser eigenen Art der Ausübung des Frauenwahlrechts. Fräulein Augspurg und Fräulein Heymann haben den zweifelhaften Ruhm, an solchem Gebrauch" des Frauenwahlrechts mitgewirkt zu haben, weil der politische Kampf der Männer so unästhetisch" sei.. Solche Treibereien sind nur eine Karikatur des wirklichen Be­freiungskampfes der Frau. Das ist die Wahrheit, mag sie den Frauenrechtlerinnen noch so bitter dünken. Die volle Befreiung des gesamten weiblichen Geschlechts wird erstritten im Klassen­kampf des Proletariats. In ihm stehen Mann und Frau Seite an Seite, fest verbunden als Genossen einer Klasse, der die kapi­talistische Ordnung ihr Menschentum streitig macht und die es nur ganz durch den Sozialismus gewinnen kann.

Die Bemühungen des reaktionären Mischmasches haben den Er­folg gezeitigt, daß die freien Gewerkschaften die Mehrheit im Vor­stand der Ortskrankenkasse nicht mehr besitzen, wenn sie auch nach wie vor die meisten Versichertenvertreter stellen. Dieser Erfolg" wird den irregeleiteten Wählern und Wählerinnen wohl bittere Enttäuschungen bereiten.

-as.

Die älteste Wählerin der Welt dürfte Mrs. Sarah Todd sein, eine Schwägerin von Abraham Lincoln , dem berühmten Präsi­denten der Vereinigten Staaten und ganzen Manne, der bekannt­lich wegen seines Kampfes gegen die Sklaverei durch Mörderhand fiel. Frau Todd zählt 103 Jahre und lebt in Eugene , einer Stadt Oregons . Kürzlich durfte sie zum erstenmal wählen gehen. Als sie gefragt wurde, ob sie ihr Wahlrecht ausüben wolle, antwortete sie heiter: Warum sollte ich nicht wählen? Ich bin doch wirklich alt genug dazu."

Die Frau in öffentlichen Aemtern.

Frauen als Beisitzerinnen der Handwerkskammer Mann­ heim sollen fünftig amtieren können. Eine Vollversammlung der genannten Körperschaft hatte sich mit einer Statutenänderung zu befassen, die den Frauen den Eintritt in die Leitung der Handels­fammer ermöglichen soll. Die neue Fassung des Statuts lautet: Die Beisißer müssen den Gewerben, für welche der Prüfungsaus­schuß errichtet ist, angehören und zur einen Hälfte Handwerker sein, welche zu Mitgliedern der Handwerkskammer wählbar sind und zwar ohne Rücksicht auf das Geschlecht, so= fern sie im übrigen den zur Bestellung als Schöffen gestellten Bedingungen der§§ 31, 32 des Gerichtsverfassungsgesetzes ent­sprechen-, und zur anderen Hälfte Gesellen, welche zu Mit­gliedern des Gesellenausschusses wählbar sind und die Gesellen­prüfung abgelegt haben."

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Verschiedenes.

mg.

Die Frau hat in der Gemeinde zu schweigen. Mit diesem Grundsatz hat die katholische Kirche Jahrhunderte hindurch die Rechtlosigkeit der Frau in der Familie und in der Gesellschaft be= gründet. Das Zentrum, als die politische Vertretung des Kleri­falismus, hat diesen Grundsatz bis heute aufrechterhalten. Aber das Zentrum kann auch anders. Die Gründung der Volksfür­sorge" hat den alten Grundsaz ins Wanken gebracht. Die geist= lichen Stüßen des Zentrums versprechen sich für ihre gehässige Be= fämpfung der Volksfürsorge" bei den Arbeitern offenbar keinen Erfolg. Sie versuchen's daher bei den Frauen, um auf dem Um­weg über diese dem verhaßten Versicherungsinstitut Schaden zuzu­fügen. In der Pfarrei ückendorf bei Gelsenkirchen wurden die Frauen zu einer öffentlichen Versammlung zusammenberufen, von dem Kaplan Surholz begrüßt und von dem Pfarrer Röther scharf gemacht, dafür zu sorgen, daß ihre Männer sich dem katholischen Volksverein anschließen. Zwischen diesen beiden geistlichen Agitatoren besprach ein Arbeitersekretär Die Aufgaben der katholischen Frau in der Gegenwart". Dieser Frauenberater sagte nach dem Bericht der Gelsenkirchener Zeitung":

,, Ein neuer Feind, der das christliche Familienleben bedroht, sei in neuester Zeit in der sozialdemokratischen Volksfürsorge entstanden. Mit ihr würden meistens die Frauen zu tun haben, da die Männer auf der Arbeitsstätte zu tun haben dürften, wenn die Agitatoren kommen. Durch ein materiell gutes Anerbie­ten verschafften sich diese Zugang zu den Familien. Die An­bahnung des Versicherungsverhältnisses sei die erste Fesselung an die Sozialdemokratie. Nachdem der Redner den Frauen noch aus­einandergesetzt hatte, daß die Volksfürsorge durch die, ungeheure Ansammlung von Geldmitteln sich zu einem, Geldentleihinstitut für den Mittelstand der Hausbefizer entwickeln werde', kam er aufs Geschäft und empfahl die katholische Leokasse!!"

Nr. 7

Die Angst wirkt erheiternd, mit der die Klerikalen den Erfolgen der Volksfürsorge" entgegensehen, die auch den katholischen Ar­beiterfamilien durch ein materiell gutes Anerbieten" die Ver­sicherung in uneigennütziger Weise möglich macht. Die Volksfür­sorge" ein Feind, der das christliche Familienleben bedroht", das glauben bald die katholischen Frauen nicht mehr. Auch sie werden sich ja überzeugen, daß die" Volksfürsorge" nur den einen Zwed hat, allem Volk die Fürsorge für die schweren Zeiten- die auch in christlichen Familien nicht ausbleiben zu ermöglichen! k. h.

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Literarisches.

Ein proletarisches Märchen. Im Dresdener Parteiverlag erschien ein neues Kinderbuch von Robert Größsch, der den Leserinnen der Gleichheit" längst aus einer Reihe lustiger Er­zählungen für Kinder bekannt ist, wie auch als Verfasser der fri­schen Geschichten: Verschrobenes Volk". Das neue Buch trägt den lockenden Titel: Muz, der Riese.* Wir bekommen damit ein langersehntes sozialistisches Kinderbuch, geschrieben für die Jugend der letzten Schuljahre, geschrieben mit dem künst­lerischen Taft eines Sozialisten, der den jugendlichen Lesern sozia­listische Gefühlswerte zu vermitteln weiß, ohne ihnen eine unkind­liche Erkenntnis von außen her aufzudrängen. Die glücklichste Form, in der die Aufgabe gelöst werden konnte, war die des Mär­chens. Eine erdichtete Welt wird hier zum schärferen Spiegelbild der wirklichen, gegenwärtigen und der erstrebten sozialistischen Welt gemacht. Diese zwei Welten, auf die denkbar einfachste Formel gebracht und dann ins Märchenhaft- Groteske übertrieben, stellt Robert Größsch einander gegenüber. Und zwischen beiden Welten steht Muz, der Riese, ein vierzehnjähriger Schuljunge, ausgestattet mit allen Tugenden und Untugenden seines Alters. Er wird eines Tages als Opfer seiner Neugier in das Zwergen­land Winziganien verschlagen, in dem die Schmalhänse von den Zahlhänsen bedrückt werden. Dort wird Muz in einer Kette von Abenteuern in die märchenhafte Zwergenwelt verstrickt mit ihren Gegensäßen von Schmalhansnot und Zahlhanslurus. Er begreift dabei nicht die Befreierrolle, die ihm die Schmalhänse in ihrem Glauben an die Prophezeiung des Propheten Donnerwort auf­drängen. So wirkt sein Dasein nur als die äußere Ursache der Be­freiung, die die Schmalhänse am Ende eines Krieges gegen das Nachbarland Wunderbarien aus eigener Kraft vollbringen. Muz macht sich währenddessen durch seine nicht zu zügelnde Jungen­natur im Lande der Wunderbarier unmöglich, die, von keiner oberen Klasse beherrscht, ein freies Volk sind. Schließlich führt Storch Schwarzfrack Muz, den Riesen, in die Heimat zurück.

Das ist in gröbsten Umrissen die märchenhafte Fabel des Buches, in dem es von Episoden, Symbolen und Gestalten wimmelt. So ist ein sozialistisches Kinderbuch entstanden, das sich obendrein durch lebendige, kräftige Form und kerngesunden Humor aus­zeichnet, ein Kinderbuch, wie wir es sehr nötig brauchen. Und es ist nicht nur ein Kinderbuch. Auf Muz trifft zu, was von allen guten Kinderbüchern gilt: auch der Erwachsene legt das Märchen nicht eher aus der Hand, bis er es zu Ende gelesen hat. Ihm zeigt es sein zweites Gesicht, ihm wird es zu einem satirisch­grotesken Spiegelbild der Welt, die um uns ist und gegen die sich unser Kampf richtet. Er sieht hinter der märchenhaften Symbolik des Buches die Kräfte unserer Tage, die verkleidet in den Zauber­mächten wiederkehren, die auf der Zwergeninsel wirken. Er er­kennt auch die rein menschlichen Züge, mit denen der Verfasser seine Zwerge ausstattete, und so sich selbst davor bewahrte, billig zu idealisieren oder tendenziös zu übertreiben. Man müßte das Buch Seite um Seite durchblättern, wollte man auf alle seine Vor­züge hinweisen. Seinen Gehalt in einer knappen Besprechung er­schöpfen zu wollen, hieße den Versuch machen, einen buntgewebten Teppich in einer Streichholzschachtel zusammenzupressen.

Der Verlag hat der Ausstattung des Buches alle Sorgfalt zuteil werden lassen. Es zeichnet sich durch gutes Papier, großen, les­baren Druck und gediegenen Einband aus. Der Dresdener Maler Georg Erler zeichnete den Einband und dreißig Bilder, die den Reiz der Veröffentlichung erhöhen. Alles in allem: dieses Buch follte allen Arbeiterkindern in die Hand gegeben werden. Es ist das proletarische Märchenbuch, dessen Titel einst in den Kind­heitserinnerungen kommender Geschlechter fortleben wird.

Edgar Hahnewald .

* Muz, der Riese. Ein heiteres Abenteuermärchen von Robert Größsch. Mit Bildern von Georg Erler . Verlag von Kaden& Co., Dresden . 160 Seiten. Preis gebunden 2 Mt.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart .

Druck und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.H. in Stuttgart .