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Die Gleichheit
verdient würde. Auch das lehnten die tapferen Frauen ab., Solange wir Kartoffeln zu essen haben, leiden wir keinen Hunger, riefen sie aus. Streiklieder singend zogen sie nach Hause. Dieses Mal haben sie verloren, aber ihr revolutionäres Empfinden ist mächtig gestärkt."
So halten sich organisierte Proletarierinnen! Sobald sie gefühlt und begriffen haben, was für die Allgemeinheit der Ausgebeuteten auf dem Spiel steht, sind sie die revolutionärsten aller Kämpfer!
Frauenstimmrecht.
r. r.
Wirkungen des Frauenstimmrechts. Amerikanische Blätter berichten, daß in der öffentlichen Bibliothek zu Chicago ein besonderes Lesezimmer für Frauenwahlrechtslite= ratur eingerichtet worden ist. Die Zuerkennung des politischen Wahlrechts an die Frauen des Staates Illinois hatte zur Folge, daß die Nachfrage nach politischer und ökonomischer Literatur bedeutend gewachsen ist. Ähnliches wird aus anderen Orten gemeldet. Ein Buchhändler in Denver behauptet, daß er in den acht Monaten nach Einführung des Frauenwahlrechts in Kolorado mehr Bücher nationalökonomischen Inhalts verkauft habe, als vorher in vielen Jahren. Er fügt hinzu, daß solche Bücher von Frauen und Männern gelesen werden. Der Generalstaatsanwalt Mullen von Wyoming, wo das Frauenwahlrecht feit Jahrzehnten besteht, urteilte also über die Wirkungen der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts:" Juteresse und Wissensdrang der Frauen in bezug auf öffentliche Angelegenheiten sind rege. Fragen von allgemeiner Bedeutung werden im Hause erörtert. Mehr Zeitungen und Zeitschriften werden gelesen. Dabei gewinnen die Interessen des Staates und des Hauses. Der Einfluß ist sehr groß, den die Frau als Mutter, Schwester oder Lehrerin von Knaben auf die Entwicklung idealen Bürgerfinns ausübt. Je mehr sie um Bürgerpflichten Bescheid weiß, um so besser kann sie Knaben belehren und erziehen."
Das Verhalten der liberalen Regierung in England zum Frauenwahlrecht ist noch immer zweideutig und wenig verheißungsvoll. Der einflußreiche Reichsschatzkanzler Lloyd George empfing fürzlich in Orford zwei Abordnungen, die für das Frauenwahlrecht eintraten. Die eine war von einer Männerorganisation entsendet, die das Frauenwahlrecht fordert. Ihre Delegation bestand aus Journalisten, Universitätsbeamten, ehemaligen Barlamentsabgeordneten usw., und ihre Wortführer wendeten sich sehr scharf gegen die Haltung der Regierung in Sachen des Frauenwahlrechts. Ebenso nachdrücklich forderte eine Depu= tation von Universitätsprofessoren die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Der Minister antwortete beiden Abordnungen mit den üblichen wohlfeilen Angriffen gegen die„ kricgerische Taktik" der Suffragetten und der faulen Ausrede, daß nichts zur Einführung des Frauenwahlrechts geschehen werde, solange die Agitation dafür von„ Ordnungsstörungen" begleitet sei.
Frauenbewegung.
Ueber das Erwachen der türkischen Frauen hat Djavid Bey, der frühere Finanzminister, dem sozialistischen Tageblatt„ Humanité" interessante Angaben gemacht. Mit der neueren politischen Entwicklung in der Türkei , mit der Bewegung der Jungtürfen, setzten auch Bestrebungen ein, die Lage der Frauen zu heben. Die Frauen waren in großem Umfang an den Vorbereitungen zum Sturz Abdul Hamids beteiligt. Mit dem Sieg der Jungtürken trat die Bewegung zur geistigen Befreiung des weiblichen Geschlechts lebhafter und kraftvoller hervor. Materiell- rechtlich war die türkische Frau gleichberechtigt mit dem Manne, sie blieb freie Herrin ihres Eigentums und war zu allen Rechtsgeschäften, zum Handelsbetrieb usw. befugt. Dagegen lasteten schwere soziale Vorurteile auf ihr und hemmten die Entwicklung und Betätigung ihres geiftigen Lebens. Strenger noch als die westeuropäische Frau war die Türkin aus dem öffentlichen Leben verbannt. Damit wurde es nun anders. Vier Tage nach der siegreichen Revolution, die Abdul Hamid den Thron kostete, sprach Djavid Bey in Saloniti in einer öffentlichen Versammlung über die neuen politischen Aufgaben. Mehr als tausend mohammedanische Frauen wohnten der Veranstaltung bei. Allerwärts wurden Frauenversammlungen abgehalten, bei denen viele Teilnehmerinnen sogar unverschleiert erschienen. Die Regierung der Jungtürken verbot jedoch solchen Umsturz der Religion und Moral". Sie wollte dadurch der Reaktion den Vorwand nehmen, den religiösen Fanatismus anzustacheln. Vom politischen Gebiet verdrängt, konzentrierte sich die Bewegung nun um so stärker auf die geistige Befreiung der tür
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kischen Frau. In Saloniki wurden Zeitungen für die Mohammedanerinnen gegründet, in Konstantinopel erschien eine Zeitschrift für sie. Die angesehene Schriftstellerin Halide Hanum gründete die Gesellschaft zur Förderung der mosIemischen Frauen, deren Aufgabe es ist, für die materielle und geistige Hebung der Türfin zu wirken. Sie veranstaltete Versammlungen mit literarischen, geschichtlichen und politischen Vorträgen, deren Zahl bald verdoppelt werden mußte. Ein Zeichen des Erwachens der türkischen Frauen sind auch die Reisen ins Ausland. Früher war es den Türkinnen streng verboten, die Grenzen des Landes zu überschreiten, sie durften das nicht einmal tun, um einen ausländischen Arzt aufzusuchen. Der Krieg hat zur Folge gehabt, daß die Bestrebungen der Frauen lebhafter wurden und größeren Spielraum gewannen. Viele Türkinnen widmeten sich im Dienste des roten Halbmonds der Verwundeten- und Krankenpflege. Manche davon brachten Tag und Nacht in den Lazaretten zu und leisteten Vorzügliches. Als die Greuel der modernen Kreuzfahrer", zumal der Bulgaren , bekannt wurden, veranstalteten die Frauen Massenversammlungen, um dagegen zu protestieren und den patriotischen Widerstand zu kräftigen. In den Versammlungen waren Blatten aufgestellt, auf denen die Teilnehmerinnen ihren Schmuck niederlegten vom einfachsten bis zum fostbarsten, um zu den Kosten der Landesverteidigung beizutragen. Noch heute gibt es Werkstuben, wo Frauen unter der Leitung von Frauen arbeiten, um Mittel zur Fürsorge für die Kinder ge= fallener Soldaten aufzubringen. Auch nach Friedensschluß hält die Bewegung zur Reform der Erziehung und Stellung des weiblichen Geschlechts an. In Konstantinopel ist ein Komitee zur Verteidigung der Frauenrechte gegründet worden, das bestrebt ist, sie in der Richtung zur vollen Gleichberechtigung der Geschlechter vorwärtszutreiben. Djavid Bey schloß seine Mitteilungen mit der Versicherung:„ Wir werden nicht aufhören, an der Hebung des Unterrichts und der Erziehung der Frauen zu arbeiten. Denn wir wissen, daß die Erhebung unseres Landes das erfordert."
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Die Frau in öffentlichen Aemtern.
s.k.
Eine Frau als Bürgerdeputierte in Berlin . Zum erstenmal hat die Berliner Stadtverordnetenversammlung eine Frau als Bürgerdeputierte vorgeschlagen. Es ist die Vorsteherin der Armenkommission 81 A, Genossin Ottilie Gerndt, die vor Jahren das Amt als Vertrauensperson der Berliner Genosfinnen bekleidet hat. Außer ihr ist noch der Fabrikbesizer Hauer für den Posten eines Bürgerdeputierten der Armendirektion in Vorschlag gebracht worden.
Frauen als Stadträte in Großbritannien . Bei den letzten Stadtratswahlen, die im November 1913 in Großbritannien stattgefunden haben, kandidierten 21 Frauen, und 13 davon wurden gewählt. 8 der weiblichen Stadträte gehören feiner politischen Partei an, 3 sind konservativ, eine der Gewählten ist Parteigängerin der Liberalen, eine andere kandidierte für die Arbeiterpartei.
Als Forschungsaffistentin für Biologie ist Fräulein Dr. Erdmann an die Yale- Universität New Haven berufen worden.
Eine Frau als kommunaler Schaumeister. In der Stadt Roseburg im nordamerikanischen Staate Oregon wurde Miß Pitchford als Schatzmeister der Gemeinde gewählt. Dafür war entscheidend, daß die Frauen das Wahlrecht besitzen und auch trot strömenden Regens in großer Zahl zur Urne gingen. Die lokale Presse nimmt an, daß mehr Frauen als Männer gewählt haben.