Nr. 22

Die Gleichheit

erst, versuchen, diese Frauen für unsere Bestrebungen zu inter­essieren. Wie aber soll man das tun, wenn man mit leeren Händen zu ihnen kommt? Glaubt man, die unter flerifalem Einfluß stehenden Frauen hätten ein besonderes Interesse daran, daß die Sozialdemokratie ein neues Wahlrecht in Preußen einführen will, wenn die Frauen in dem geforderten Wahlgesetz überhaupt nicht berücksichtigt werden. Hält man es für möglich, daß sie sich für unser Vorgehen begeistern, wenn die Sozialdemokratie aus dem Wahlkampf die Forderung aus schaltet, die ihr Programm im Interesse der Frauen erhebt, der Hälfte der Bevölkerung, die soweit sie aus Prole tarierinnen besteht unter der kapitalistischen   Ordnung noch weit, weit mehr zu leiden hat als die Männer? Wieviel leichter wäre es, unsere grundsäßliche Forderung zu begründen, die das Frauenwahlrecht einschließt, als das Begehren nach der Übertragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen. Und das gilt nicht nur für die Frauen, das gilt auch für die Männer.

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Welchen Wert hat für unseren Kampf um ein wirklich demo­kratisches Wahlrecht eine Petition- und möge sie noch so viele Unterschriften erhalten, die gar kein demokratisches Wahlrecht fordert? Welch breite Grundlage für unseren wei­teren Kampf würde dagegen eine Petition abgeben, die unsere volle Wahlrechtsforderung aufstellt, eine Forderung, die nur die Sozialdemokratie und feine einzige andere Partei erhebt! Wie könnte eine solche Petition, da sie die Gleichberechtigung der Frauen einschließt, sowohl während ihres Umlaufs als nach ihrem Abschluß der Sache des Frauenwahlrechts dienst­bar gemacht werden! Es ist unbegreiflich, daß die Ausnutzung einer solchen Gelegenheit zugunsten der proletarischen Frauen­bewegung versäumt, ja daß ihr direkt aus dem Wege gegangen werden soll durch eine Petition wie die geforderte, die uns wenig nügen fann und nur geeignet ist, Verwirrung zu stiften. Das aber sogar unter den Parteigenossen selbst, die bei der Sammlung der Unterschriften zur Verfechtung einer Forderung gezwungen würden, von deren Unzulänglichkeit sie selbst über zeugt sind.

Der Parteitag hat außer dem kritisierten Antrag zur Wahl­rechtsfrage eine Resolution angenommen, die ausspricht, daß das Proletariat sich im Wahlrechtskampf auf die Anwendung des Massenstreits einrichten müsse. Genosse Obuch erklärte, die in seinem Antrag geforderte Petition stände nicht im Wider­spruch zu dieser Resolution, sie führe ,, vielmehr zur Vorberei­tung der dort angegebenen weiterreichenden Aftionen". Wie er sich das denkt, hat er leider nicht dargelegt. Soll das Prole­tariat in den Massenstreit mit der Parole eintreten: Über­tragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen? Sollen die proletarischen Frauen die Opfer eines Massenstreifs, die für sie wie alle Lasten der kapitalistischen   Welt drückender sind als für die Männer, auf sich nehmen zugunsten der Forde­rung nach einem Wahlrecht, das genau wie das bestehende sie politisch als unmündig betrachtet?

Wie soll die proletarische Frauenbewegung fünftig der bürger­lichen Frauenbewegung gegenübertreten, wenn die Partei, von der sie ein Teil ist, in einer so wichtigen Bewegung wie der um das preußische Wahlrecht die Gleichberechtigung der Frauen Kampflos, ohne Not, mitten im Kampfe preisgibt?

Vielleicht hätte der Antrag gar nicht erst die Reise nach Berlin   zur Konferenz der preußischen Landeskommission an­getreten, wenn er unter anderen Verhältnissen zur Abstim­mung gekommen wäre. Genosse Ullenbaum reiste noch am ersten Tage des Parteitags als Delegierter zu dieser Tagung nach Berlin   ab. Damit er dem Parteivorstand über die An­sicht des Parteitags zur Frage des Massenstreits beziehungs­weise zur Frage des Wahlrechtstampfes Mitteilung machen konnte, wurde beschlossen, zunächst in die Besprechung der beiden Anträge einzutreten, statt in die Diskussion über das eben beendete Referat des Genossen Dittmann über die Ko­lonialpolitik. Leider kam eine Besprechung jedoch gar nicht zustande, die Anträge wurden lediglich begründet. Hätte sich eine Debatte entsponnen, so wäre die Annahme des kritisierten Antrags wohl fraglich gewesen.

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Wie dem aber auch sei: die organisierten Genofsinnen sind an erster Stelle durch den Beschluß des Stuttgarter Inter­nationalen Kongresses verpflichtet, gegen die geforderte Fassung der Petition zu protestieren. Dieser Beschluß verpflichtet sie, ,, mit der nämlichen Energie", mit der sie sich am Wahlrechts. kampf zu beteiligen haben, dafür zu wirken, daß in diesem Kampfe die Forderung des allgemeinen Frauenwahlrechts nach ihrer grundsätzlichen Wichtigkeit und praktischen Tragweite ernstlich verfochten wird". Wir hoffen, daß ihr Protest sich da­durch erübrigt hat, daß die Konferenz der preußischen Landes­kommission das an sie gestellte Ersuchen zu einem Rückzug in der Wahlrechtsfrage abwies.

Der Antrag hat gezeigt, daß die grundsätzliche Stellung der Partei zur Frauenfrage nicht Allgemeingut aller Parteigenossen ist. Wenn das die Parteipresse und die Organisationen ver­anlaßte, mit gesteigertem Eifer dahin zu streben, sie zu diesem Allgemeingut zu machen, so hätte der kritisierte Mangel des im übrigen zu begrüßenden Antrags eine gute Wirkung. Diese würde dadurch keine Minderung erfahren, daß sie nicht be­absichtigt worden ist. Maria Wengels.

Material zur Tagesordnung der dritten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Wien  .

Aus Deutschland  . II.

Die Gewerbeordnung schüßt als jugendliche Personen nur Arbeiter und Arbeiterinnen von 14 bis 16 Jahren, und auch dieser Schutz kommt bloß in beschränktem Umfang zur Anwendung. Ausgeschlossen davon sind: die Landwirtschaft, häusliche Dienste, die Bureaus der Rechtsanwälte und Notare, Heilanstalten, Genesungsheime, Musikaufführungen, Schau­stellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lustbar­teiten, Landschaftsgärtnereien, Gast- und Schankwirtschaften, Apotheken, das Handels- und Verkehrsgewerbe. Die Schutz­bestimmungen gelten ferner nicht für Betriebe mit weniger als zehn beschäftigten Personen. Ohne Rücksicht auf deren Zahl unterstehen den Schutzbestimmungen in jedem Falle: Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, unterirdisch be­triebene Brüche und Gruben, Hüttenwerke, Zimmerplätze und andere Bauhöfe, Werften, Tabakfabrikation und Betriebe, in denen durch elementare Kraft( Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität) bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen. Ungeschützt sind männliche Jugend­liche( Lehrlinge) in Bäckereien und Konditoreien, die Bäcker­ware herstellen und nur Nachtbetrieb haben. In Ziegeleien, Brüchen und Gruben über Tag treten die Schutzbestimmungen für Jugendliche schon dann in Kraft, wenn fünf und mehr Personen beschäftigt sind.

Für Arbeiter im Alter von 14 bis 16 Jahren schreibt die Gewerbeordnung als höchste zulässige Arbeitszeit 10 Stunden vor. Für Arbeiterinnen gilt ohne Altersgrenze der Mari­malarbeitstag von 10 Stunden. Zwischen Ende und Wieder­beginn der Arbeit müssen mindestens 11 Stunden Ruhezeit ge­legen sein. Die Nachtarbeit für Jugendliche ist verboten, das heißt, es dürfen in der Zeit von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens Jugendliche nicht beschäftigt werden. Die Pausen sollen bei sechsstündiger Arbeitszeit mindestens eine halbe Stunde betragen; bei längerer Arbeitszeit muß mittags eine Pause von mindestens einer Stunde und vor- und nachmittags eine solche von einer halben Stunde eingehalten werden. Die Polizei oder die Gewerbeinspektion kann die Beschaffung von Aufenthaltsräumen für die Jugendlichen während der Pausen verlangen, wenn der Erfüllung dieser Forderung keine un­verhältnismäßigen Schwierigkeiten entgegenstehen. Solche Schwierigkeiten werden in der Regel angenommen, wenn die Herstellung der Räume mit großen Kosten verbunden ist.

Die höhere Verwaltungsbehörde und der Reichskanzler können Ausnahmen in der Beschränkung der Arbeitszeit zulassen, und