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Die Gleichheit
der Bundesrat hat in einer Reihe von Erlassen den Jugendschutz tatsächlich eingeschränkt. Bei einer sechsstündigen Schicht braucht es keine regelmäßigen Pausen zu geben, und für die Jugendlichen, die bei der An- und Abfahrt beschäftigt sind, ist ein früherer Beginn der Arbeitszeit vorgesehen. Die Mitgabe der Arbeit nach Hause ist nach einer zehnstündigen Arbeitszeit in der Werkstatt oder Fabrik verboten. An Sonn- und Festtagen dürfen jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen nicht beschäftigt werden.
2. Arbeiterinnenschuk. Während für die männliche Jugend in bezug auf die Arbeitszeit und Pausen sowie Mindestruhezeit nur bis zu 16 Jahren Anordnungen getroffen sind, ist für die Arbeiterinnen auch über dieses Alter ganz allgemein der Behnstundentag als höchste zulässige Arbeitszeit vorgeschrieben. Allerdings auch nur in all den Betrieben, die für den Schutz der Jugend in Frage kommen, also solche, in denen mindestens 10 Personen beschäftigt werden. Die Arbeiterinnen in der Hauswirtschaft, der Heimarbeit und Landwirtschaft sind ungeschützt.
Die Nachtarbeit von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens ist verboten. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine elfstündige Ruhezeit liegen. Am Sonnabendsowie am Vorabend der Festtage darf die Arbeitszeit nur 8 Stunden betragen und muß spätestens um 5 Uhr beendet sein. Die Mittagspause hat mindestens eine Stunde zu betragen. Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, müssen auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause entlassen werden. Arbeiterinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Die Wiederaufnahme der Arbeit ist erst 6 Wochen nach der Niederkunft zulässig. Die Mitgabe der Arbeit nach Hause ist nach einer 10stündigen Arbeitszeit in der Werkstatt oder Fabrik verboten.
Die Gewerbeordnung untersagt, daß Arbeiterinnen in Rofereien sowie beim Transport von Materialien bei Bauten aller Art beschäftigt werden. Berboten ist ferner ihre Verwendung im Bergbau im Betrieb unter Tag sowie bei der Förderung mit Ausnahme der Aufbereitung( Separation, Wäsche), bei dem Transport und Verladen. Durch Verordnungen des Bundesrates ist die Beschäftigung von Arbeiterinnen wie Jugendlichen ganz oder teilweise untersagt in Betrieben, die elektrische Akkumulatoren aus Blei oder Bleiberbindungen herstellen, Alkali- Chromate, Bleifarben, andere Bleiprodukte fabrizieren; in den Betrieben der Blei- und Binkhütten, Glashütten , Glasschleifereien und Glasbeizereien sowie Sandbläsereien, in Walz- und Hammerwerken, Rohzuckerfabriken, Zuckerraffinerien und Melaffeentzuckerungsanstalten, Steinbrüchen und Steinhauereien usw. Leider sind sowohl in bezug auf den Zehnstundentag wie den Arbeitsschluß an Sonnabenden, die Nachtarbeit eine ganze Reihe von A u 3- nahmen zugelassen. In welch großem Umfang von diesen Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch gemacht wird, das künden uns alljährlich die Berichte der Fabrikinspektionen.
Arbeiterinnen- und Jugendschuß im Han delsgewerbe. Für das Handelsgewerbe besteht ein besonderer Jugendschutz nicht. Die Bestimmungen der§§ 139c bis 139m der Gewerbeordnung gelten für Jugendliche wie für Erwachsene, und zwar nur für offene Verkaufsstellen und den damit in Verbindung stehenden Kontoren. Die Angestellten in Engrosgeschäften( auch die Hausdiener), in Kontoren, in Bureaus der Fabriken, in Gast- und Schankwirtschaften stehen außerhalb jeden Arbeiterschußes, von eini gen Bestimmungen über die Sonntagsruhe abgesehen. Für offene Verkaufsstellen, auch Konsumbereine, fommt im wesentlichen in Betracht der Neun respektive Achtuhrladenschluß. Die Mindestruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen muß 10 bezw. 11 Stunden betragen. Eine angemessene Mittagspause muß den Angestellten gewährt werden, die im Haushalt des Unternehmers die Mahlzeiten einnehmer, die Pause der übrigen hat mindestens 1%, Stunden zu betragen. Ausnahmen der Vorschriften sind vorge
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sehen. Die Pausen können mit Genehmigung der Polizei an höchstens 30 Tagen in Wegfall kommen. Für höchstens 40 Tage im Kalenderjahr kann der Ladenschluß später als festgelegt erfolgen, jedoch nicht nach 10 Uhr abends. In offenen Verfaufsstellen und den damit verbundenen Kontoren muß nach einer Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 28. November 1900 den Gehilfen und Lehrlingen in ausreichender Weise Sitzgelegenheit geboten werden.
Sonntagsarbeit im Handelsgewerbe. In offenen Verkaufsstellen, Konsumvereinen, Engrosgeschäften und Fabrikkontoren dürfen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter ( Hausdiener, Packer) am ersten Weihnachts-, Osterund Pfingsttag überhaupt nicht, im übrigen an Sonnund Festtagen nicht länger als 5 Stunden beschäftigt werden. Eine Gemeinde kann durch Ortsstatut für bestimmte Gewerbe die Sonntagsarbeit gänzlich untersagen oder allgemein weiter einschränken. Die vorgesehene Sonntagsruhe findet keine Anwendung auf Arbeiten, die in Notfällen oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen; bei Aufnahme der Inventur; für die Bewachung des Betriebs, auf die Reinigung und Instandhaltung des Betriebs, um die Wiederaufnahme der Arbeit am Werktage zu ermöglichen; auf Arbeiten, die zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind, sofern nicht die Arbeiten an Werktagen vorgenommen werden können.
Das strikte Verbot der Beschäftigung an den drei hohen Festtagen wird im Handelsgewerbe durch Ausnahmen für die Nahrungsmittelbran che in offenen Verkaufsstellen, für den Zeitungsverkauf und Blumengeschäfte durchbrochen. Besondere Verfügungen regeln diese Ausnahmen für den einzelnen Ort. In dieser Hinsicht gibt es eine Fülle bon Bestimmungen, die schwer zu übersehen sind und doch nur wenig Durchgreifendes enthalten, weil man fast nirgends über halbe Maßnahmen hinausgekommen ist.
3. Die Arbeiterversicherung. In der Reichsversicherungsordnung sind die vier Zweige der Arbeiterversicherung zufammengefaßt: die Kranken-, die Unfall-, die Invaliden- und die Hinterbliebenenversicherung.
Zu der Krankenversicherung zahlen die Arbeiter zwei Drittel der Beiträge, die Arbeitgeber ein Drittel. Gewährt wird in Krankheitsfällen die Hälfte des Lohnes der in Frage kommenden Klasse als Krankengeld, ärztliche Behandfung und Heilmittel für 26 Wochen. Die weiblichen Mitglieder der Kasse, die sechs Monate versichert sind, erhalten als Wöchnerinnen acht Wochen eine Wöchnerinnenunterstützung in der Höhe des Krankengeldes, davon können die Unterstübungen für zwei Wochen vor der Entbindung gezahlt werden.
Die Krankenkassen können durch ihre Sazung diese Mindestleistungen erhöhen; ebenso können sie eine Schwangerenunterstügung, Hebammen- und Arzthilfe für die Frauen der Versicherten einführen, desgleichen ein Stillgeld bis zum Ablauf der zwölften Woche nach der Niederfunft. Sie sind des weiteren berechtigt, die Familie der Versicherten in die Fürsorge einzubeziehen.
Die Kosten der Unfallversicherung tragen die Arbeitgeber. Bei erfolgten Unfällen wird eine Rente gezahlt, wenn nach Ablauf des Heilungsprozesses eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zurückbleibt. Die Rente richtet sich nach dem Grade der eingetretenen Erwerbsunfähigkeit, die vom Arzte eingeschätzt wird. Die Bollrente bei Eintritt völliger Erwerbsunfähigkeit beträgt zwei Driftel, des Jahresverdienstes. Dieser wird voll angerechnet bis zur Höhe von 1800 Mark, darüber hinaus nur zu einem Drittel. Ist der Unfall tödlich, so erhalten die Hinterbliebenen ein Sterbegeld, das den 15. Teil des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen ausmacht, jedoch mindestens 50 Mt. betragen muß. Außerdem ist den Hinterbliebenen eine Rente zu zahlen. Für die Witwe beträgt sie ein Fünftel des Jahresarbeitsverdienstes des Verstorbenen, für jedes Kind unter 15 Jahren die gleiche