Nr. 22

Die Gleichheit

Die Bertreter der Arbeitgeber aus den Städten, deren Tarif­verträge mit den Arbeitnehmern in den Jahren 1914 bis 1916 ab­Taufen, sind einstimmig der Ansicht, daß die Grenze der Möglichkeit, den Arbeitnehmern Bugeständnisse zu machen, bereits überschritten ist. Sie werden deshalb, eher die Konsequenzen einer Ableh= nung etwaiger Forderungen tragen, als weitere For­berungen bewilligen. Diesem einstimmigen unumstößlichen Beschluß der Städtevertreter tritt der Arbeitgeberschutzverband für das deutsche Holzgewerbe bei und ist der tatkräftigen mora­lischen und materiellen Unterstützung der Vereinigung deutscher Ar­beitgeberverbände und damit der gesamten Arbeitgeberschaft Deutschlands   sicher."

Die Holzarbeiter- Beitung" gibt auf diese Fanfaronade die rich­tige Antwort:

Nicht durch Generalversammlungsbeschlüsse und prahlerische Kampfgebärden werden die Bedingungen unserer Tarifverträge ge­schaffen, sondern durch die Macht, Stärke und Aktionsfähigkeit der Organisation. Und in dieser Beziehung lehren uns die heurigen Beschlüsse unserer Arbeitgeber wieder einmal recht eindringlich, wo es bei uns den Hebel anzusehen gilt. Stärkt eure Organisation, stärkt den Deutschen Holzarbeiterverband  , das ist eine flügere Taktik, als, unumstößliche Kampfbeschlüsse in die Welt hinaus­zupofaunen."

Sollte inzwischen bei den Unternehmern nicht die bessere Ein­sicht einkehren, so darf man überzeugt sein, daß die organisierte Holzarbeiterschaft, die die berühmte ebenso unumstößliche" Kaiser­teller- Resolution vom Dezember 1909 zuschanden gemacht hat, auch in den kommenden Kämpfen ihren Mann stehen wird. Eines na­türlich gilt auch hier als ewige Wahrheit": je mehr Proletarier und Proletarierinnen sich um das Banner des Deutschen   Holz­arbeiterverbandes scharen, um so stärker und mächtiger wird die Stellung der Arbeiterschaft beim Vertragsabschluß sein.

Genossenschaftliche Rundschau.

fk.

Mitte Juni wurde in Bremen   der Genossenschaftstag des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine abgehalten und im Anschluß die Generalversammlungen der Verlagsgesellschaft- der technischen Betriebsabteilung des Zentralverbandes- und der Groß­einkaufsgesellschaft. Alle diese Einrichtungen werden ja organisatorisch für sich verwaltet, zusammen bilden sie aber den großen Brenn­punkt, in dem die Strahlen der mächtigen deutschen Konsumvereins­bewegung sich vereinigen. Wir haben es mit einer wichtigen Ge­nossenschaftswoche" zu tun, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Unser Bremer   Parteiorgan, die Bürgerzeitung", hatte in Würdigung dieser Tatsache der Konsumvereinstagung das ganze Hauptblatt zum Empfang der Delegierten gewidmet; Artikel, die auch allerlei fri­tischen Lesestoff enthielten. Man kann nur wünschen, daß die Dele­gierten sich diese Nummer mit nach Hause genommen haben, um sie daheim in Ruhe zu studieren.

Wir müssen und können uns an dieser Stelle mit einer kurzen Besprechung der Bremer   Tagung begnügen, da die Parteipresse aus­führliche Kongreßberichte gebracht und eingehender über die wich­tigsten Vorgänge informiert hat. Um mehr Zeit zu gewinnen, wurde mit einer Übung aufgeräumt, die sich mit der Zeit zu sehr breit gemacht hatte: mit den langen Begrüßungsreden. Dem Genossen­schaftstag wohnen regelmäßig eine Anzahl Vertreter aus anderen Ländern bei, die sich in ihren gutgemeinten Ansprachen bei Leginn des Kongresses oft in zu breiten Erörterungen ergingen. Dazu ist die Zeit aber doch zu kostbar. Diesmal waren diese Begrüßungs­reden alle miteinander in etwa Fünfviertelstunden erledigt. Be­merkenswert war in einigen dieser Ansprachen die lebhafte Betonung der Ideenverwandtschaft zwischen Konsumvereins- und Ar­beiterbewegung; bemerkenswert auch, wie die Delegierten solchen Ausführungen stürmischen Beifall zollten. Besonders Genosse Dr.Renner aus Wien   unterstrich start, wie sich in Rücksicht auf die politische Stärke und Stampfesweise der Krämer gegen die Konsumbereine letztere in der Hauptsache auf die Arbeiterklasse verlassen müssen. Die Solidarität zwischen Konsumberein, Gewerkschaft und Partei, die völlige Einigkeit ist die Grundlage, heiliges Besitztum". Mit diesen Worten und ähnlich noch von mehreren Rednern wurde aus­gesprochen, was ist und was sein muß! Dieses Genossenschaftsparla­ment glich überhaupt in der ganzen Stimmung durchaus den ge­werkschaftlichen und politischen Kongressen der Arbeiterklasse. Und auch die Leitung des Zentralverbandes scheint nach und nach ein­zusehen, daß mit dem ängstlichen Fernhalten solcher Feststellungen der Genossenschaftssache nicht gedient, daß eine fünftliche Unter­drückung dieser Feststellungen auch nicht mehr möglich ist. Was der Vertreter des Bremer   Konsumvereins von den dortigen Verhältnissen,

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besonders von dem Berhalten der liberalen" Staatsmänner der freien Republit" gegenüber der Arbeitergenossenschaft zu sagen hatte, war ebenso interessant wie bezeichnend dafür, daß es Zeit ist, mit allen ideologischen Illusionen aufzuräumen. Wir konstatieren jeden­falls mit Genugtuung, daß die überneutralen Auffassungen, die in der Phrase von der großen Genossenschaftsfamilie aller Klassen gipfeln, ganz merklich in den Hintergrund getreten find. Schon mehr äußerliche Umstände halfen sie zuschanden machen. Wenn zum Beispiel der Reichstanzler auf eine Einladung zum Genossenschafts­tag erklären läßt, die Geschäfte gestatteten es nicht, einen Beamten zu schicken, und wenn der Bremer Senat   eine ähnliche Ausrede ge­braucht, obwohl er zu gleicher Zeit einen Schornsteinfegertag mit seiner Anwesenheit beehrt, so löst das heute auf dem Genossen­schaftstag nur noch lebhafte Heiterkeit und ironische Bemerkungen aus. Früher hat man sich wohl über solche Ablehnungen geärgert. Die mehr geschäftlichen und orientierenden Punkte der Tages­ordnung brachten entsprechende Referate, die ohne Debatte zur Kennt­nis genommen wurden, da ein besonderer Anlaß zu weiteren Er­örterungen nicht vorlag. Aus dem Bericht des Sekretärs der Fort­bildungskommission sei nur erwähnt, daß deren Tätigkeitsfeld erweitert werden soll. Vom nächsten Herbst ab sollen auch Spezialfurse für die Funktionäre größerer Konsumbereine abgehalten werden. Bisher waren daran in der Hauptsache nur Vorstandsmitglieder beteiligt. Nunmehr werden auch Aufsichtsräte und Lagerhalter daran teil­nehmen können. Wenn die Sache richtig angefaßt und besonders Unterrichtsstoff für die geschäftliche Praris geboten wird, dann tönnen solche Surse sehr gute Wirkungen haben. Zur Regelung des Finanzwesens wurden instruktive und eindringliche Hinweise in dent mündlichen Bericht des Vorstandes gegeben. Das war auch nötig; in den einzelnen Verbänden und Revisionsberichten spielt diese Frage in neuerer Zeit eine besondere Rolle. Es hat sich herausgestellt, daß manche Geschäftsleitungen mit der raschen Entwicklung der Vereine das rechte Augenmaß für das verloren, was unbedingt nötig ist, um den Anforderungen einer soliden und gesunden Finanzgebarung in jeder Hinsicht zu genügen.

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Wohl der wichtigste Punkt des Genossenschaftstags war die Zu­stimmung zum Abschluß neuer gewerkschaftlicher Tarif­verträge mit den Bäckern und Transportarbeitern. Die Vertragss entwürfe lagen vor, das Ergebnis einer langen, mühevollen Arbeit von beiderseitigen Kommissionen. Die Regelung des genossenschaft­lichen Arbeitsverhältnisses ist wohl eines der schwierigsten gewerk­schaftlich- genossenschaftlichen Probleme, das die Wirkung der kapita­ listischen   Wirtschaftsordnung mit ihren schlimmen Gegensätzen auch im Genossenschaftsbetrieb in die Erscheinung treten läßt. Der Gegen­stand führte denn auch zu einer lebhaften Debatte, die freilich zum Teil aus dem eigentlichen Rahmen herausfiel. Professor Staudinger benutzte diese unpassende Gelegenheit, gegen die Genossenschafts­theorie Vanderveldes beziehungsweise dessen Buch zu polemisieren, und er versuchte es sogar, Karl Marg vor den Wagen utopistischer Genossenschaftsanschauungen zu spannen. Dagegen wandte fich Fleißner unter lebhaftem Beifall der Delegierten sachlich, aber scharf. Der fleine Zwischenfall war von größerer Bedeutung, als es nach außen hin scheint. Staudinger stellte eine weitere seiner bekannten Artikelferien in Aussicht, die in der Regel ebenso umfangreich wie schwer verdaulich find. Die Tarifverträge wurden schließlich an­genommen, immerhin fand sich eine starke Minderheit von 56 Ver­einen dagegen. Das überraschte einigermaßen. Wie der Referent ſeſt­stellte, bringt der neue Tarif den Arbeitern direkte oder indirekte Lohnerhöhungen von 11 bis 18 Prozent, außerdem Verbesserungen sozialer Art wie bei den Ferien usw. Mit Recht wurde betont, daß in Rücksicht auf die kapitalistische Konkurrenz in der Besserstellung des Personals gegenüber den Privatbetrieben über eine gewisse Grenze nicht hinausgegangen werden kann. Die Gewerkschaften haben allerdings die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Abstand zwischen privaten und Genossenschaftsbetrieben nicht allzu groß wird. Auch zur Anderung des Genossenschaftsgesetzes wurde Stellung genommen. Anlaß dazu bot ein vorläufig gegenstandslos gewordener Antrag des Zentrumsabgeordneten Faßbender im letzten Reichstag. Das Gesetz ist gewiß änderungs- und verbesserungs­bedürftig. Dieser Antrag bot jedoch dazu keine Grundlage. In einer Resolution, die der Genossenschaftstag einstimmig annahm, wird unter anderem gesagt: Die vorgeschlagenen Anderungen des Ge­setzes über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sollen dem Swede dienen, eine bessere Ausgestaltung des Revisionswesens, eine geeignetere Regelung der Haftpflicht und flarere Grundsäße der Bilanzierung der Genossenschaften herbeizuführen. Gegen diese Ab­sicht ist nichts einzuwenden. Der Genossenschaftstag des Zentral­verbandes deutscher Konsumvereine hält es jedoch für ausgeschlossen, daß durch die vorgeschlagenen Abänderungen diese Absicht ver­