352

Die Gleichheit

Sie sind nicht vergeblich geblieben. Die internationale Sekretärin erhielt aus Madrid   den nachstehenden Brief:

Berte Genofsin! Obgleich die Organisation der spanischen sozia­ listischen   Frauen noch bescheiden ist, wünschen diese doch, daß auch thre Stimme von den Proletarierinnen in den anderen Ländern ge hört werde. Gewiß, Schwestern, auch ihr werdet vom Kapitalismus  ausgebeutet, wie wir es sind, trotzdem seid ihr aber viel glücklicher als wir. Zwar mag die Ausbeutung, unter der ihr leidet, viel raffi­nierter sein als jene, die wir erfahren; ihr seid uns aber an vor­züglicher Schulung zum Klassenbewußtsein voraus. Wir armen Frauen des arbeitenden Volkes in Spanien   sind zu den schwersten moralischen Leiden verurteilt, da uns unsere Rechte weder in der Werkstatt noch in dem Heim, weder durch das Gesetz noch durch die Sitten der gegenwärtigen Gesellschaft zuteil werden können, dieser Gesellschaft, die entartet und von fanatischem Haß gegen alle erfüllt ist, die edlen Herzens Hohes erstreben.

Trotz aller Schwierigkeiten ist es uns gelungen, proletarische Frauen organisationen in Madrid  , Barcelona  , Bilbao  , Valencia  , Sevilla  , Valladolid, Eibar, San Sebastian   und anderwärts zu gründen. In einigen größeren Orten eristieren unabhängig da­von noch andere Frauenorganisationen, die einen sozialistischen Ein­schlag haben. Diese Bewegung der arbeitenden Frauen trägt heute einen vorwiegend wirtschaftlichen Charakter. Wir glauben jedoch, daß sie in nächster Zukunft sich auch politische Ziele stecken wird. Spanien   ist im Begriff, sehr wichtige wirtschaftliche und politische Umwälzungen durchzumachen. Wir möchten die proletarische Frauen­bewegung unseres Vaterlandes national zusammenfassen, weil da­durch unsere Agitation erleichtert und erfolgreicher werden würde. Wir glauben, daß das am besten mit Hilfe der sozialistischen   Jugend­bewegung in Spanien   geschehen wird. Diese hat beachtenswerte Fort­schritte gemacht, sie vor allem ist von Interesse für die sozialistische Frauenbewegung erfüllt und hat uns in den sozialen und politischen Stämpfen zu schulen versucht, in denen wir die ersten tastenden Schritte getan haben.

Im Auftrag der Frauenorganisation Madrids   danken wir für den Artikel zum 1. Mai in dem Wochenblatt der sozialistischen   Partei zu Reus: La Justicia Social". Er hat gesagt, was für das Leben der spanischen   Frauen zutreffend ist, und im Namen aller Sozialistinnen unserer Heimat senden wir den sozialistischen   Frauen aller Länder unsere herzlichen Grüße.

Wir wissen noch nicht, ob wir zu der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz zu Wien   jemand delegieren können, der eine genaue Kenntnis der Verhältnisse unseres Vaterlandes besitzt. Wenn das nicht der Fall sein sollte, so bitten wir Sie, der Konferenz zu sagen, daß die sozialistischen   Frauen Spaniens   sich mit großer Begeisterung bemühen werden, alle Beschlüsse der Tagung als Richtlinien zu be­trachten. Und wir versprechen, mit solchem Eifer zu arbeiten, daß es die letzte internationale Konferenz der sozialistischen   Frauen sein wird, zu der wir feine eigene Vertretung entsenden.

Sozialistische Mütter der Welt: Tod dem Kriege! Es lebe der internationale Sozialismus!

Für das Komitee:

Maria Armersto, Vorsitzende. Maria Rojo, Sekretärin." Eine organisierte sozialistische Frauenbewegung in Bul­ garien   kommt in Fluß. Die Ansäge dazu waren schon seit einiger Beit vorhanden, doch fehlte es noch an einer planmäßigen Zu­sammenfassung der Kräfte zu dem Zwecke einheitlicher Arbeit, ein­heitlichen Kampfes. Um eine solche Zusammenfassung zu beschleus nigen und zu fördern, richteten die bulgarischen Genossinnen auch ihre Blicke auf das Ausland. Von dem Beispiel ihrer Schwestern bort wollten sie lernen, wollten sie beraten sein. Die Genossinnen in Sofia   traten in Verbindung mit der internationalen Sekretärin ber sozialistischen Frauen. Nun haben sie einen großen Schritt vor wärts auf dem Wege zur strafferen Organisierung und zum erfolg= reicheren Stampfe getan. Die erste sozialdemokratische Frauenkonferenz bat in Sofia   stattgefunden und sich grundsätzlich auf den gleichen Boden des revolutionären Klassenkampfes gestellt, auf dem die So­sialistinnen aller Länder stehen. Uns ging aus Sofia   folgendes Telegramm zu: Die erste tonstituierende Konferenz sozialdemo tratischer Frauen in Bulgarien   entbietet dem internationalen sozia Astischen Frauenproletariat ihre wärmsten Schwesterngrüße und er­lärt, daß sie Hand in Hand mit ihm bis zum vollen Siege des Sozialismus tämpfen wird. Es lebe die sozialistische Fraueninter­nationale! Es lebe der Klassenkampf! Es lebe die internationale Sozialdemokratie! Für die Konferenz: Liuba Dimitrova."

Frauenstimmrecht.

Um ein recht beschränktes Damenwahlrecht für das englische Südafrika   ist im April im Parlament dieses großbritanischen

Nr. 22

Kolonialbesizes debattiert worden. Der umstrittene Gesezentwurf verlangte das Wahlrecht für die Frauen unter den gleichen Be­dingungen, unter denen es den Männern zusteht, also ein Wahl­recht, das nichts weniger als allgemein sein sollte. Außerdem ent­hielt es noch eine besondere Beschränkung für die verheirateten Frauen. In den Provinzen, wo das Wahlrecht sich auf den Besitz gründet, sollten verheiratete Frauen von seinem Genuß ausge­schlossen bleiben, wenn der Besiz nicht groß genug sei, beiden Ehe­gatten politisches Bürgerrecht zu sichern. In der Debatte sprachen fich 8 Abgeordnete für und 6 gegen die zweite Lesung des Entwurfs aus. Die Verhandlungen sind vertagt worden. Kein demokratisch Empfindender wird eine Träne weinen, wenn die vorgeschlagene Karikatur des Frauenwahlrechts keine Mehrheit findet, so nützlich es ist, daß auch in Südafrika   um den Grundsatz der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter diskutiert werden muß.

-

-

Die Frauenwahlrechtsfrage vor der Generalversammlung des Internationalen Frauenbundes zu Rom  . In letzter Zeit haben in Rom   zwei internationale Tagungen der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen stattgefunden: ein allgemeiner internationaler Frauenfongreß und die Generalversammlung des Internationalen Frauenbundes, der 1888 von Amerikanerinnen gegründet worden ist. Der Internationale Frauenfongreß hat sich mit der wichtigsten Forderung der Frauenbewegung dem Wahlrecht- gar nicht be­schäftigt. Es ist das auffällig, aber erklärlich, wenn man die Zu sammensetzung, den Charakter des Kongresses tennt. Hier traten die " Damen der großen Welt" und glänzende gesellschaftliche Veranstal tungen in den Vordergrund. Die Generalversammlung des Inter­nationalen Frauenbundes kam an einer Stellungnahme zum Wahl­recht nicht vorüber, so unbequem das mancher seiner Führerinnen sein mochte. Diese Damen sind wohl im Herzen für das Frauen­wahlrecht", schielen aber zu sehr nach der Gefolgschaft der reaktio= närsten Frauen, als daß sie die Organisation für die Forderung festlegen möchten. Die Amerikanerin Shaw brachte eine Frauen­stimmrechtsresolution ein, die einstimmige Annahme fand. Sie ers flärt: Der Internationale Frauenbund spricht seine feste Überzeugung aus, daß das Stimmrecht den Frauen in allen Ländern zuteil wer­den muß." Die Forderung wird in der Resolution begründet mit den sich vollziehenden Veränderungen der Aufgaben, die in der Gegenwart den Regierungen gestellt werden, Aufgaben, die die Moral, das Bildungs- und Wirtschaftsleben des Volkes beeinflussen", ferner mit dem wachsenden Bewußtsein der Frau von der Größe ihrer Verantwortung dem öffentlichen Leben gegenüber". Das ist reichlich gehaltlose Rhetorit, und die Forderung selbst ist nichtssagend genug. Sie schweigt sich darüber aus, welche Art des Frauenivahlrechts e- tämpft werden muß. Indessen für die tagenden Damen bedeutet die Stellungnahme immerhin einen kleinen Fortschritt.

Die Erringung des kommunalen Frauenwahlrechts in  Frankreich steht augenblicklich im Vordergrund der frauenrecht­lerischen Bestrebungen. Den Anlaß dazu gibt ein entsprechender Antrag des Bürgerlich- Radikalen Buisson, der schon seit einiger Zeit dem Parlament zur Verhandlung vorliegt. Langsam, aber entschieden macht der Gedanke des Frauenwahlrechts unter den Französinnen Fortschritte. Das bewies der Verlauf eines Frauen­wahlrechtskongresses, der neulich in   Lyon getagt hat und vom Frauenstimmrechtsverband einberufen worden war.

Die Zuerkennung des politischen Wahlrechts an die Frauen in   Schottland sieht die Homerulebill für dieses Land vor, die dem Unterhaus zugegangen ist. Unter welchen Bedingungen, das ist in den uns vorliegenden Nachrichten nicht angegeben.

Die Frau in öffentlichen Aemtern. Staatsingenieurinnen in   Rußland. Nach einem Erlaß des Ministeriums für Wege und Verkehrswesen in   Rußland wird den Verwaltungen des Moskauer Eisenbahnbezirks erlaubt, fünftig für leichtere Posten Frauen anzustellen. Die Zahl der Staatsingenieu­rinnen darf jedoch den Prozentsaz weiblicher Angestellter nicht über schreiten, der für die Verwendung von Frauen im staatlichen Ver tehrsdienst vorgeschrieben ist. Der Mangel an Ingenieuren scheint die Neuerung veranlaßt zu haben.

Gleiche Anstellungsbedingungen für männliche und weib. liche Staatsbeamte in   Dänemark. Die dänische Regierung hat allen leitenden Stellen im Staatsdienst mitgeteilt, daß es künftig keine verschiedenen Anstellungsbedingungen für Männer und Frauen in Staatsämtern geben solle. Namentlich sei die Verhei­ratung einer Frau nicht als Anlaß zu nehmen, sie aus ihrem Amt zu entlaffen.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Boft Degerloch bet   Stuttgart.

Druck und Berlag von J. H. W. Dtes Nachf. G.m.b.8. in   Stuttgart.