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Die Gleichheit

ringens auf das Fühlen und Denken der werktätigen Massen. Die proletarische Solidarität muß vernichtet werden, wenn Proletarier gegen Proletarier, wenn Genossen gegen Genossen die Waffe richten.

Was tun unter diesen furchtbaren Umständen die Frauen in der Schweiz  ? Sie waren bis jetzt still und unterwürfig, nun aber sollten sie sich rühren. Es genügt nicht, daß sie Vor­träge über Krieg und Frieden hören, es genügt nicht, daß sie für die Neutralität ihres Landes eintreten. Millionen Frauen in der Welt warten darauf, daß die Schweizerinnen mit Wucht und Leidenschaft die Beendigung des Krieges, die Wiederherstellung des Friedens fordern. Von dem Schweizer­lande muß ein Ruf ausgehen aus Frauenmund, so gewaltig, so unwiderstehlich, daß er die Schwestern aller Länder fort­reißt, tatkräftig ihren Friedenswillen zu bekunden. Stark durch den Sozialismus und für den Sozialismus müssen sie Millionen Menschenleben retten und den Frieden bringen.

Der bevorstehende sozialdemokratische Frauentag in der Schweiz   bietet Gelegenheit, den Gedanken unserer Genossin Balabanoff zur Tat werden zu lassen. An ihm muß der Auf­schrei zahlloser gequälter Frauen- und Mutterherzen er­schallen. Frauenunterschriften könnten in Massen für eine Eingabe gesammelt werden, die den schweizerischen Bundes­rat auffordert, die Initiative zu einer energischen Friedens­aktion aller neutralen Staaten zu ergreifen. Der schweizerische Bundesrat sollte diese Frauenmassenkundgebung für den Völkerfrieden allen Regierungen übermitteln, und die Masse müßte ihr ein weittragendes Echo geben. Vor allem aber müßte die Friedenskundgebung die Frauen der kriegführen­den Länder aufrütteln, ihrerseits mutvoll und opferbereit in breitester Öffentlichkeit die Beendigung des Krieges zu for­dern.

Die Schweiz   ist ein internationaler Staat auch im Kriege. Das Band der Republik   umschlingt einigend vier einheimische Nationen Deutsche, Franzosen, Italiener   und Romanen­dazu kommt noch eine halbe Million Ausländer aller Natio­nalitäten, die auf Schweizerboden wohnen. Kein kriegführen­des und kein neutrales Land, das nicht in der Schweiz   An­gehörige hätte, die gewiß überwiegend die schweizerischen Friedensbestrebungen tatkräftig unterstüßen würden. Un­sere Frauenversammlungen und unsere sozialdemokratische Frauenbewegung in der Schweiz   müssen das Ihrige bei­tragen zum baldigen Völkerfrieden in der Gegenwart und zu seiner dauernden Sicherung für die Zukunft durch den Sozialismus.

Aus der Partei.

Ant Zweiten, Dritten und Vierten dieses Monats hat die sozialdemokratische Reichstagsfraktion Sigungen abgehalten. Die Früchte ihrer Beratungen bestehen in mehreren Resolutionen. Am ersten Tage wurde beschlossen:

" Die Fraktion schließt sich der über die Abstimmung Lieb­fnechts abgegebenen Erklärung des Fraktionsvorstandes vom 2. Dezember 1914 an. Sie verurteilt den von Liebknecht   begangenen Disziplinbruch aufs schärfste.

Sie weist die von ihm verbreitete Begründung seiner Abstim= mung als unvereinbar mit den Interessen der deutschen Sozial­demokratie entschieden zurück.

Ebenso verurteilt sie die von Liebknecht im Ausland verbreiteten irreführenden Mitteilungen über Vorgänge innerhalb der Partei. Da der Fraktion nach dem Organisationsstatut nicht die Hand­habe zu weitergehenden Maßnahmen zusteht, so muß sie die end­gültige Entscheidung dem nächsten Parteitag anheimſtellen."

Die Fraktion hat weiter entschieden:

" Die Abstimmung der Fraktion im Plenum des Reichs­tags hat geschlossen zu erfolgen, soweit nicht für den einzelnen Fall die Abstimmung ausdrücklich freigegeben ist.

Glaubt ein Fraktionsmitglied nach seiner überzeugung an der geschlossenen Abstimmung der Fraktion nicht teilnehmen zu können, so steht ihm das Recht zu, der Abstimmung fernzubleiben, ohne daß dies einen demonstrativen Charakter tragen darf."

Nr. 11

Nach dieser schmetternden Fanfare gegen Liebknecht wurde am zweiten Tage eine bescheidene und sanfte Friedensschalmei geblasen:

" Die Fraktion hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich ihre Mitglieder gegenüber Ersuchen der Regierung zur Mitwirkung bei politischen oder wirtschaftlichen Aufgaben verhalten sollen.

Die Fraktion wiederholt ihren früheren Beschluß, daß kein Mit­glied der Fraktion ohne ihre Zustimmung oder, falls sie nicht ver= sammelt ist, ohne Zustimmung ihres Vorstandes oder des Partei­vorstandes die Ausführung von Ersuchen der Regierung über­nehmen darf. Sie beauftragt den Vorstand, bei der Genehmigung zurückhaltend zu sein."

Wie in der Leipziger Volkszeitung" und in anderen Partei­blättern festgestellt ist, bezieht sich diese verschämte, ohne Namens­nennung abgefaßte Resolution auf den Abgeordneten Genossen Dr. Südekum. Unser Leipziger   Blatt erläutert den Fall fol­gendermaßen:

" In Nr. 12 vom 16. Januar brachten wir einen Artikel des ru­mänischen Sozialdemokraten Ch. Rakowski aus dem Pariser Golos, worin folgende Stelle vorkommt: Gegen uns treten zum Beispiel deutsche sozialdemokratische Abgeordnete auf.... Ihr könnt euch vorstellen, in welch schwierige Lage die sozialistischen   Parteien der neutralen Länder geraten, wenn sich unsere Genossen in den friegführenden Staaten über unsere Köpfe hinweg an unsere herr­schenden Klassen wenden, unser Proletariat zum Kriege aufstacheln, unseren Chauvinisten und Reaktionären die Hand entgegenstrecken und alle Arten von Renegatentum und überläufern offen fördern. Diese Säße beziehen sich außer auf französische   Genossen, die in der sozialistischen   Presse Frankreichs   Rumänien   zur Teilnahme am Kriege gegen die Zentralmächte aufforderten, auch auf den Ge­nossen Südek um, wie durch die Beschwerde eines nach Deutsch­ land   gekommenen rumänischen Genossen bekannt geworden ist. Südekum ward darauf vom Parteivorstand zur Rechenschaft gezogen und hatte zugegeben, daß er im Auftrag der Regierung nach Rumänien   ge= reist war, im Anschluß an eine Reise nach Ungarn  , die er für das Rote Kreuz unternommen hatte. Er hatte von diesem Auftrag und dieser Reise weder vorher noch nach­her aus freien Stücken den Parteiinstanzen Mit­teilung gemacht."

Zu dem einen Fall Südekum" kam aber jüngst noch ein zweiter Fall". Die Kölnische Zeitung  " brachte eine höchst sensationelle Meldung, gegen die sich Genosse Südefum in einer vom sozialdemokratischen Pressebureau verbreiteten Erklärung wie folgt gewendet hatte:

Die Kölnische Zeitung   machte in ihrer Nr. 84 Mitteilung von phantasievollen Erzählungen eines angeblich in Pontarlier   ange­fommenen französischen   Unteroffiziers, in denen auch ich eine Rolle spiele. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, alle Redereien über mich unbeachtet zu lassen, möchte ich dieser Ente doch alsbald den Hals umdrehen, denn soweit von mir in jener Erzählung die Rede ist, ist sozusagen jedes Wort falsch. Der einfache Sachverhalt ist dieser: in einige der Lager, in denen Franzosen  verwahrt werden, sind Gerüchte über das Ver= halten Liebknechts und über seine in allen feind­lichen Länderneifrigundzielbewußtverbreitete , Erklärung gedrungen, haben dort Gegenstand von Er­örterungen unter den Leuten abgegeben und die Befürchtung wach= gerufen, daß bei einzelnen lebhaft veranlagten Franzosen irrige und für sie selbst unter Umständen sehr gefährliche Ansichten( man denke an den traurigen Fall Londsdale!) über Zustände und Volks­stimmung in Deutschland   entstünden. Einem Ersuchen, mit einigen Franzosen in ihrer Muttersprache zu reden und ihnen den Sachverhalt tlarzumachen, habe ich gerne und mit der gebotenen zurückhal­tung entsprochen. Ob sich unter ihnen der phantasievolle Herr aus Pontarlier   befunden hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Wohl aber weiß ich, daß alles, was er mir über seine angebliche Mission nach Frankreich   in den Mund legt, freie Erfindung ist,"

Genosse Südekum gab hier selbst zu, auf Ersuchen der deutschen  Behörden vor den gefangenen Franzosen Darlegungen über die Ansichten und Stimmungen der deutschen Sozialdemokratie gemacht zu haben. Der Sachverhalt in beiden Fällen zeigt also seine Rolle sonnenklar. Man werte danach den prächtig­ruhigen zweiten Beschluß der Fraktion, der ganz zartfühlende Diskretion atmet.