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Die Gleichheit

Demokraten , in zahlreichen und zumal großen Orten ihre ganze bedeutende politische Maschinerie" gegen das Frauenwahlrecht spielen ließen. Was das bedeutet, kann nur ganz gewürdigt wer­den, wenn man bedenkt, daß diese Maschinerie" ohne Strupel auch mit den verwerflichsten Mitteln arbeitet. In Philadelphia zum Beispiel trieben einige Hundert organisierte Republikaner frauenrechtlerische Straßenversammlungen auseinander. Nicht ge­nug, daß Berittene unter die Versammelten sprengten, wurden diese mit Raketen, Schwärmern usw. beworfen, so daß die Frauen­fleider Feuer fingen; an anderen Stellen wieder wurden die Freunde des Frauenwahlrechts durch Spritzen usw. buchstäblich unter Wasser gesezt. In der Stadt New York hat die berüch­tigte Organisation der Tammany Hall " gegen das Frauenwahl­recht gearbeitet. Wie von frauenrechtlerischer Seite versichert wird, soll die Gegnerschaft der bürgerlichen Parteien einen besonderen Grund haben: Die Furcht, die politisch gleichberechtigten Frauen würden der Korruption des politischen Lebens entgegenwirken und ihren Einfluß für ernste Reformen geltend machen.

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Von den politischen Parteien ist einzig und allein die soziali stische Parte i fonfequent, treu und eifrig für das volle Bürger­recht des weiblichen Geschlechts eingetreten. Schon monatelang vor der Abstimmung durch eine planmäßige Agitation, dann an der Urne selbst. Die bekanntesten Führer und Führerinnen der sozia­ listischen Partei sind im Vordertreffen des Kampfes für das Frauenwahlrecht gestanden. Deshalb sind für dieses dort viele Stim­men abgegeben worden, wo die Sozialisten einen starken Einfluß auf die Wähler haben. So zum Beispiel in Schenectady , eine der sozialistischen Hochburgen. Bei der Bewertung des Ausfalls der Volksabstimmung über das Frauenwahlrecht muß ein Umstand in Betracht gezogen werden. Der Krieg hat auch in den Vereinigten Staaten eine politische Atmosphäre der Reaktion geschaffen, die Ne­formen nicht günstig ist. Im Staate New Jersey wurde zum Beispiel nicht bloß das Amendement über das Frauenwahlrecht ver­worfen, sondern es fielen auch die beiden anderen parlamentari­schen Beschlüsse zur Verfassungsreform. In Pennsylvanien wurden vier Amendements zur Verfassung abgelehnt. Auch in den anderen Staaten trug die Abstimmung im allgemeinen einen real­tionären Charakter. So wäre es irrig, mit dem entzückten Spießẞ­bürger von einer großen Niederlage" des Frauenwahlrechts zu reden. Das Abstimmungsergebnis über diese Forderung bleibt ein starter Fortschritt, der fünftigen, baldigen Sieg verbürgt. Das ist nicht etwa Selbsttrost" der Frauenrechtlerinnen in den Vereinigten Staaten , sondern die Auffassung, der die angesehensten Blätter des Landes ohne Unterschied der Partei und der Stellung zum Frauen­wahlrecht selbst Ausdruck verleihen. Die Kämpferinnen für das Bürgerrecht der Frau sind unentmutigt sofort an die weitere Ar­beit gegangen.

Fürsorge für Kriegerfamilien.

Die Hinterbliebenenrenten für die Angehörigen der Ver­mißten und Verschollenen. In sehr vielen Fällen kommt es vor, daß über den Verbleib von Kriegsteilnehmern nichts bestimmtes festzustellen ist. Das liegt in der Natur" des Krieges. Man führt zunächst diese Personen als Vermißte". Ihre Angehörigen er­halten inzwischen die übliche Familienunterstützung und auf An­trag die Vermißtenlöhnung" vom zuständigen Truppenteil. Aber das währt nur eine beschränkte Zeit. Nach§ 4 Biffer 7 der Anlage 9 der Heerordnung hat die Streichung der Vermißten in den Kriegs­ranglisten und Kriegsstammrollen zu geschehen, wenn das Ableben mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen" ist. Diese Wahrschein­lichkeit liegt dann vor, wenn während eines Jahres feine Nachricht von dem Leben des Vermißten eingegangen ist. Die Löh= nung des Vermißten wird deshalb an seine Angehörigen auch nur ein Jahr lang gewährt und dann eingestellt. Die Angehörigen können nun die Gewährung der Hinterbliebenenrente beantragen, die ja auch, namentlich auf dem Lande, in der Regel höher ist als die Familienunterstüßung. Um die Rente zu erlangen, müssen die Angehörigen des Vermißten eine schriftliche Erklärung unterschrei­ben, daß sie seit dem Vermißtwerden keine Nachricht erhalten haben, daß der Vermißte noch am Leben sei.

Auch die Leistungen der der Invalidenversicherung angeglieder­ten Hinterbliebenenversicherung werden unter ähn­lichen Voraussetzungen gewährt. Nach§ 1265 der Reichsversiche­rungsordnung wird die Witwen- und Waisenrente und das Witwen­geld gewährt, wenn der Versicherte verschollen" ist. Er gilt als verschollen, wenn während eines Jahres keine glaubhaften Nachrichten von ihm eingegangen sind und die Umstände seinen Tod wahrscheinlich machen. Das Versicherungsamt kann von den Hinter­

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bliebenen die eidesstattliche Erklärung verlangen, daß sie von dem Leben des Vermißten keine anderen als die angezeigten Nachrichten erhalten haben. Den Todestag Verschollener, das heißt den Tag, von dem an die Rente zu zahlen ist, setzt die Versicherungsanstalt nach billigem Ermessen fest. Er kann bei einem Kriegsteilnehmer nur der Tag sein, an dem er zu seinem Truppenteil nicht wieder zurückkehrte. Es ist somit die Rente auf die ganze Zeit des Ver­mißtseins nachzuzahlen. Ein gewisser Widerspruch besteht hier mit § 1253 der Reichsversicherungsordnung, nach dem die Witwen- und Waisenrenten nur ein Jahr rückwärts, vom Eingang des Antrags gerechnet, gezahlt werden. Ebenso besteht ein Wiederspruch mit § 1300 der Reichsversicherungsordnung, nach dem der Anspruch auf das Witwengeld verfällt, wenn er nicht innerhalb eines Jahres nach dem Tode des Ehemannes geltend gemacht wird. Entschei­dungen über die Auslegung dieser Vorschriften liegen noch nicht vor. Jedenfalls empfiehlt es sich aber, die Anträge auf die Hinterbliebenenbezüge so bald wie möglich nach Ablauf des Jahres zu stellen. Darin kann auch keine Pietätlosigkeit gegenüber dem Vermißten gefunden werden, sondern nur eine verständliche Wah­rung der wirtschaftlichen Interessen der Hinterbliebenen.

Die sowohl auf Grund des Militärhinterbliebenengesetzes als auch gemäß der Reichsversicherungsordnung gewährten Hinter­bliebenenbezüge sind nicht wieder zurückzuzahlen, falls der Ver­mißte oder Verschollene später doch wieder zurückfehren sollte. Die gezahlten Beträge verbleiben in den Händen der Familienange­hörigen, da diese inzwischen einen gesetzlichen Anspruch darauf hatten.

Frauenarbeit.

F. Kl.

Die Ausdehnung der Franenarbeit in der Berliner Metall­dreherei wurde kürzlich in einer Versammlung der organisierten Eisen-, Metall- und Revolverdreher durch interessante Angaben beleuchtet. Arbeiterinnen werden heute nicht nur an den Revolver- und Automatenbänken beschäftigt, sondern auch an den Spitzenbänken. Sie leisten also qualifizierte Dreharbeit, und so ist die Meinung widerlegt, als ob solche ausschließlich von Männern verrichtet werden könnte. In einem Großbetrieb sind die weitaus meisten Dreharbeiten an die Frauen übergegangen. Dort werden nur ganz wenige Männer mit dem Anlernen der Arbeiterinnen und einigen bestimmten Arbeiten beschäftigt, die besondere Schu­lung verlangen. Wie zu den qualifizierten so werden auch zu för­perlich sehr anstrengenden Verrichtungen Frauen in steigender Bahi herangezogen. Die Arbeiterin hat 80 Pfund schwere Granaten auf die Drehbank zu heben und zu schruppen, sie kann täglich 36 dieser schweren Arbeitsstücke bewältigen. Eine Leistung das, die sicher die wenigsten Frauen auf die Dauer zu verrichten imstande sind, ohne Schaden an ihrer Gesundheit zu leiden. Die Rücksicht auf die Ge­sundheit der Frauen, die Mutterschaft und Mutterpflicht, steht überhaupt nicht im Programm der Unternehmer und Direktoren, die immer mehr weibliche Arbeitskräfte in die Metallindustrie ein­führen. Diese Rücksicht würde sich ja schlecht mit dem Haupt­glaubenssatz der Herren vertragen, daß möglichst fetter Profit das Ziel der Industrie sei. So müssen wohl die meisten Metalldrehe­rinnen in Berlin 11 und 12 Stunden täglich schaffen, obgleich die Verrichtungen Muskeln und Nerven überanstrengen, zu chroni­scher übermüdung und damit zu ernsten Gesundheitsschädigungen führen. Die lange Tagesarbeit läßt sich nicht einmal mit dem Hin­weis auf die Bedürfnisse des Heeres rechtfertigen. Sie könnte sehr leicht durch Mehreinstellung von Arbeiterinnen vermieden werden, denn es fehlt in Berlin wahrhaftig nicht an Frauen, die Arbeit und Brot suchen müssen. Aber freilich: vermehrte Nachfrage nach Ar­beiterinnen könnte höhere Entlohnung nach sich ziehen, während die Frauen gerade als billige Arbeitskräfte begehrt sind. Im allge­meinen erhalten die Arbeiterinnen in der Berliner Dreherei nur die Hälfte der Akkordsätze, die früher für genau die gleichen Ar­beiten den Männern bezahlt wurden. Da ist es denn kein Wunder, daß die Frauenarbeit noch ständig wächst, wenn auch die Beschäf­tigung in der Dreherei in letzter Zeit erheblich nachgelassen hat. Die festgestellten Tatsachen weisen darauf hin, daß auch in der Metalldreherei die zunehmende Frauenarbeit keine vorübergehende Erscheinung sein wird. Sie mahnen an die Notwendigkeit, auch hier die Arbeiterinnen aufzuwecken, zu organisieren und diese Ver­besserungen zu erkämpfen: wirksamen gesetzlichen Schutz der Frauenarbeit; gleichen Lohn für gleiche Leistung und volles poli­tisches Recht für das weibliche Geschlecht.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart .

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