N0 Die Gleichheit Nr. l5 «Daß die Opposition den Etat ablehnte, bewies, daß sie gewillt ist, die Politik vom 21. Dezember fortzusetzen. Und wie dort der Genosse Geyer in seiner Erklärung der Zwanzig, so vertrat diesmal Genosse Haase den typischen Zentrumsstandpunkt. Immer noch drängte sich die Berufung auf die günstige militärische Situation hervor. Und es entspricht gewiß nicht der Auffassung des Links­radikalismus, wenn das Streben nach Weltherrschaft als die Aus­geburt.kompletter Narren und gewissenloser Menschen' dargestellt wird. So bleibt auch diesmal bestehen, was die Bremer Resolution des Linksradikalismus über die Aktion der Zwanzig vom 21. De­zember sagt: Als Tat zu begrüßen; in der Begrün­dung kein grundsätzlicher Standpunkt. Liebknecht und Rühle gaben die bündige Erklärung ab: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen. Auch das Etatnotgcsetz ist als Mittel zur Weiterführung des Krieges anzusehen... Auch nach demBraunschweiger Volksfreund" ist die Tat an sich begrüßenswert, die Art ihrer Ausführung läßt noch manches zu wünschen übrig. Das Blatt schreibt: «Hätten die IL mit der nötigen Unzweideutigkeit und Entschlos­senheit operiert, so stünden sie formell und persönlich besser da. Indessen liegt es an ihnen, die Lehren zu ziehen. Sie mögen statt mit dem einen Auge nach vorwärts auf die Massen zu blicken und mit dem andern über die Achsel nach den Instanzen rückwärts zu schielen, beide Augen nach vorwärts richten, und sie werden ent­schieden besser fahren. Wir werden sie danach beurteilen, welche praktischen Konse­quenzen sie aus ihrer selbständigen Konstituierung innerhalb und außerhalb des Parlaments ziehen. Jeder Schritt, der sich auf prin­zipieller Höhe bewegt, wird von uns unterstützt werden, jede Unzu­länglichkeit wird kritisiert werden; denn wir empfinden so wenig Respekt vor der selbständig konstituierten wie vor der unselbständi­gen Unzulänglichkeit.... Wie wird die Rückwirkung dieser zweiten Fraktionsspaltung auf den Parteikörper, auf die Parteimitgliedschaft sein? Die Mitglieder werden sich allenthalben entscheiden müssen, wohin sie gehören. Die Klärung der Partei wird mächtig fortschrei­ten, und sie ist die Vorbedingung ihrer Neukon­stituierung. Die jetzige Fraktionsmehrheit wird ihren sozial- imperialistischen Charakter immer schärfer hervorkehren müssen. Sie muß zusehen, was sie an Anhang in den Massen hinter sich be­hält. Schnelligkeit und Tiefe der Scheidung der Geister werden ab­hängen von der Aktivität und Entschiedenheit der Opposition einer­seits, dem Gang der KriegSercignisse, der inneren Politik, den Ak­tionen der Fraktionsmehrheit andererseits. Unsere Sache ist eS nicht, zu prophezeien, sondern zu wirken." Mit diesen Pressestimmen lassen wir es genug sein. Noch ein« Reihe Parteiblätter, so die nordbayerischen und die Norddeutsche Volksstimme" in Bremerhaven   nehmen niehr oder minder vorsichtig für die Minderheit Stellung. Dieselben Strömungen, die wir innerhalb der Reichstagsfraktion beob­achten, von der äußersten Rechten, die gar mit den Bürger­lichen für die Wortentziehung stimmte, über die Unentschie- denen, die unter Protest sich der Mehrheit fügen, bis zu den Linksradikalen, die sich schon friiher von der Fraktion schie­den dieselben Strömungen und Nuancen spiegeln sich auch in der Parteipresse. Beides, die Zustände in der Reichstags­fraktion und in der Parteipresse sind nur der Ausdruck eines großen Gärungs- und Klärungsprozesses in den proletari­schen Massen selbst. Diesen Prozeß nicht hintanzuhalten, son­dern durch klare wissenschaftliche Erkenntnis und entschiedenes Auftreten zu fördern, ist im Augenblick die Aufgabe jedes So­zialisten, dem die Ziele der Partei, der Zweck und das Wesen des internationalen Sozialismus noch lebendig glühende Her­zenssache sind. Zehn Jahre freie Dienstbotenbewegung. Vor zehn Jahren, am 18. März 1906, konnte in Nürnberg  ein Dienstbotenverein auf freigewerkschastlicher Grundlage errichtet werden. Die Anregung zur Gründung kam von den Dienstmädchen selbst. Sie befürchteten damals, daß den Herr­schasten zu anderen Vorrechten noch die Befugnis eingeräumt werden könnte, die Dienstbotenbücher als Lohnbücher zu be­nützen. Derartige Vorschläge waren in den bürgerlichen Zei­tungen veröffentlicht worden und hatten die sonst so geduldi­gen Mädchen erregt. Die erste Dienstbotenversammlung sollte in einem kleinen Lokal stattfinden, da aber mehr als 600 Mädchen erschienen waren, so mußte der größere Saal ge­öffnet werden. Starker Andrang war auch bei der Grün­dung des Dienstbotenvereins am 18. März zu verzeichnen, und 200 Dienstmädchen traten sofort dem gegründeten Verein bei, dem sich auch die Wasch- und Putzfrauen anschlössen. Die Gründung des Nürnberger   Dienstbotenvereins wirkte als Beispiel nicht allein in Deutschland  , sondern auch in den Nachbarländern, in der Schweiz   und in Osterreich  . Von allen Seiten kamen Nachrichten, daß man beabsichtige, ebenfalls Dienstbotenvereine ins Leben zu rufen. Die General­ kommission der Gewerkschaften Deutsch­ lands   wendete der Dienstbotenorganisation ihre Aufmerk­samkeit zu, sie forderte die Kartelle auf, sich auch dieser er­werbstätigen Proletarierinnen anzunehmen und Dienstboten­vereine zu gründen. Noch das Jahr 1906 brachte als Ergeb­nis, daß in München  , Köln  , Hamburg   und Frank- f u r t a. M. freie Dienstbotenvereine auf der gleichen Grund­lage wie in Nürnberg   errichtet wurden und in weiteren 30 Orten die Vorarbeiten zu solchen Organisationen im Gange waren. Die sozialistische Frauenbewegung trat mit Eifer für die Erweckung und Organisierung der Dienstmäd­chen ein, und auf der Vierten Soziali st ischenFrauen- k o n f e r e nz 1906 zu Mannheim   begründete die Unter­zeichnete die Forderung, daß die Dienstmädchen durch die Ge­setzgebung den Arbeiterinnen gleichgestellt werden sollten. Die diesbezügliche Resolution fand einstimmige Annahme. Die Forderung begriff in sich: Abschaffung der Gesindeord­nung und Gesindcdienstbücher, Unterstellung der Dienenden unter die Gewerbeordnung, Gewährung und Sicherung vollen Koalitionsrechts, Ausdehnung aller Versicherungsgesetze auf die Hausangestellten, gesetzliche Festlegung und Regelung der Arbeitszeit, der Sonntags- und Nachtarbeit, hygienische Vor­schriften über Schlafräume usw., die allen gesundheitlichen Anforderungen genügen sollten. Die Konferenz forderte fer­ner die Aufhebung der unzeitgemäßen Bestimmung, wonach Dienstmädchen verpflichtet sind, Hausangehörige mit an­steckenden Krankheiten zu Pflegen. Den Bildungsbestrebungen der Dienstmädchen sollte ein obligatorischer Fortbildungs­schulunterricht bis zum 18. Lebensjahr dienen. Schließlich verlangte die Mannheimer   Tagung: Abschaffung aller pri­vaten Stellenvermittlungsbureaus und dafür Einführung von paritätischen Stellennachweisen. Der Nürnberger   Dienstbotenverein reichte die vorstehen­den Forderungen beim Deutschen Reichstag zur Berücksich­tigung ein, aber schon im Dezember 1906 erfolgte die Ant­wort, daß die Petition infolge der eingetretenen Reichstags­auflösung nicht mehr zur Beratung gelangen konnte. Die Re­solution wurde dem neugewählten Reichstag zugesandt und ebenso dem Bayerischen Landtag  . Da dieser beschloß, das; unter den städtischen Dienstboten Erhebungen stattfinden soll­ten über Arbeitszeit, Sonntagsausgang, Lohnverhältnisse und Schlafräume, so konnte immerhin von einem Erfolg unserer Bestrebungen die Rede sein. Zur Zentralisationsfrage der Dienstbotenver­eine, deren Zahl gewachsen war, nahm der Sechste Ge­werkschaftskongreß 1908 in Hamburg   Stellung. Nach einem Vortrag der Unterzeichneten erhielt die General­kommission den Auftrag, eine Dienstbotenkonferenz einzuberufen, die über eine einheitliche Agitation zur Hebung der sozialen Lage der Hausangestellten beraten sollte. Diese Dienstbotenkonferenz tagte dann am 17. Januar 1909 in Berlin  , sie faßte den Beschluß, daß ein Zentralver­band der Hausangestellten Deutschlands zu gründen sei. Die Zentrale, die ihren Sitz in Berlin   hatte, begann ihre Tätigkeit im April. Die Mitgliederzahl betrug 5711. Da auch die Zeitungsfrage geregelt wurde, erhielten die Verbandsmitglieder ab I.April 1909 das Zentral­organ der Hausangestellten Deutschlands