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Die Gleichheit
ganze Volk zur Mitwirkung bei der Erledigung der Reichsgeschäfte heranziehen, die in vollster Offentlichkeit, nicht in geheimen Konventikeln geführt werden müssen. Die Neuorientierung dürfen Sie nicht als Geschenk von der Regierung erwarten, sondern sie kann nur erkämpft werden mit allen Mitteln, die dem Parlament, dem Volke zur Verfügung stehen." Vielsagend genug fand die Forderung des Frauenwahlrechts nur den Beifall der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft. Aber wen darf das wundern angesichts der Tatsache, daß die Mehrheit der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen darauf verzichtet hat, gegenwärtig volles Bürgerrecht für das weibliche Geschlecht mit allem Nachbrud zu begehren.
Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen.
Die Arbeitslosigkeit der weiblichen Erwerbstätigen im britten Quartal 1916. Das Überangebot weiblicher Arbeitskräfte, gemessen an der Zahl der offenen Stellen, hat im dritten Quartal andauernd nachgelassen. Die Zahl von 158 Arbeitsgesuchen weiblicher Personen, die nach den Berichten der deutschen Ar= beitsnachweise noch im Juni auf 100 offene Stellen tamen, sant im Juli auf 154, im August auf 142 und im September auf 134. Das bedeutet einen Rückgang um 15,2 Prozent, der fast genau der Abnahme männlicher Arbeitsuchender um 15 Prozent entspricht, deren Zahl von 80 bis 60 auf 100 offene Stellen ge= sunken ist. In den gleichen Monaten des Vorjahres war dagegen eine Steigerung der Angebote weiblicher Arbeitskräfte um 8,3 Prozent zu verzeichnen gewesen, ihre Zahl hatte sich von 157 auf 170 erhöht. Der Rückgang der Andrangziffer weiblicher Beschäftigungsloser betrug im zweiten Quartal zwar nur 2,5 Prozent, doch hat er seit April ununterbrochen angehalten. Dies läßt hoffen, daß der Rückgang nicht nur ein vorübergehender sein wird, und daß auch weiterhin mit einer Besserung des Arbeitsmarktes für die Frauen gerechnet werden kann. In allen drei Monaten des Quartals wurde der Gesamtdurchschnitt weiblicher Arbeitsuchender von 134 in folgenden Berufsgruppen überschritten, die im Juni und September diese Ziffern aufwiesen:
Webstoffgewerbe
•
Handelsgewerbe
Junt
September
628
621
340
343
•
.
217
140
236 162 135
Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe 218 Fabrikarbeit ohne Bezeichnung. Papierindustrie.
Den günstigsten Stand zeigen am Ende des Quartals die Landwirtschaft mit 64 und der häusliche Dienst mit 87 Arbeitsgesuchen auf 100 offene Stellen. Im Webstoffgewerbe wird seit Beginn des Quartals erstmalig, aber andauernd die Zahl der weiblichen Arbeitsuchenden von der der männlichen übertroffen. Von der Landwirtschaft abgesehen, ist das in keinem Beruf der Fall. Im September stehen in der Textilindustrie 781 männlichen 621 weibliche Arbeitsuchende auf je 100 offene Stellen gegenüber.
Von den einzelnen Landesteilen weisen immer noch Elsaß = Lothringen mit 495 und das Königreich Sachsen mit 258 die höchsten Andrangziffern weiblicher Erwerbsloser auf, während Posen mit 90 und Hessen mit 94 den niedrigsten Stand haben. An dem Rückgang gegen den Schluß des zweiten Quartals find alle Landesteile mit Ausnahme von Elsaß- Lothringen be= teiligt. Jn 13 Landesteilen( von 24) ist die Abnahme der Andrangziffer seit Juni eine ununterbrochene. über dem Durchschnitt von 134 stehen 10, unter ihm 14 Landesteile.
Eine ähnliche Besserung des Arbeitsmarktes für die Arbeiterinnen zeigen, wenigstens gegen den Schluß des Quartals, auch die Mitteilungen der Fachorganisationen über die Arbeitslosigkeit weiblicher Erwerbstätiger. Auf je 100 weibliche Mitglieder der berichtenden 37 Verbände kamen Arbeitslose am Stichtag der Monate: Juni 9,5, Juli 9,5, August 9,5, September 8,1.
Diese Ziffern besagen aber noch etwas anderes als die hervor gehobene Tatsache. Nämlich daß die Arbeitslosigkeit der weiblichen Organisierten im September 12mal, im August zirka 14mal, im Juli 10% mal größer war als die Erwerbslosigkeit der männlichen Mitglieder. Diese betrug nur bei 3 Verbänden im September mehr als 2 Prozent und blieb bei zwei Dritteln aller Verbände unter 1 Prozent. Bei 2 Verbänden, denen der Brauereiund Filzwarenarbeiter, ist die Arbeitslosigkeit der weiblichen Mitglieder mehr als zwanzigmal größer als die der Männer. über dem Durchschnitt von 8,1 Prozent weiblicher Arbeitsloser hatten am Ende des Quartals 4 Verbände, die folgende Zahlen aufweisen:
Hut und Filzwarenarbeiter. Lederarbeiter
Tertilarbeiter
.
Porzellanarbeiter.
•
•
•
Juni
Nr. 4
September
59,8 Proz. 45,5 Proz.
.
71,8= 21,0
=
19
=
.
20 18,2= 15,2:
"
Alle übrigen Verbände bleiben bei weitem unter dem Durch schnitt. Von allen Organisationen mit mehr als 500 weiblichen Mitgliedern hatten die wenigsten weiblichen Beschäftigungslosen die Transportarbeiter mit 0,4 und die Tabakarbeiter mit 0,5 Prozent. Sämtliche Verbände berichteten insgesamt über 23 767 Fälle von Arbeitslosigkeit weiblicher Mitglieder gegen 23 718 im zweiten Quartal. Da aber im dritten Quartal über 156 671 weibliche Mitglieder berichtet wurde, im zweiten Quartal jedoch nur über 149 970, kann von einem kleinen Rückgang ge= sprochen werden, der auch in der Dauer der Arbeitslosig keit zum Ausdruck kommt. Sie stellte sich im einzelnen Falle auf 22 Tage gegen 23 im zweiten Quartal.
Den wirklichen Umfang der Arbeitslosigkeit erkennt man am besten in einer Gegenüberstellung von Mitglieds- und Arbeitslofentagen. Leider ist dabei eine Trennung nach den Geschlechtern nicht durchgeführt. Im dritten Quartal entfielen auf je 100 Mitgliedertage 1,9 Arbeitslosentage gegen 2,1 im zweiten Quartal. Den Durchschnitt überschritten folgende 7 Organisationen:
Verband der Hut- und Filzwarenarbeiter mit = Textilarbeiter mit.
0
=
=
Porzellanarbeiter mit
Buchbinder mit.
Lederarbeiter mit Friseurgehilfen mit Glaser mit
•
•
39,5
11,7
7,0
4,3
3,4
2,5
2,4
Da sich hierunter auch die 4 Verbände befinden, die die meisten weiblichen Arbeitslosen haben, so läßt sich ungefähr auf den wirklichen Umfang der Erwerbslosigkeit der Arbeiterinnen in diesen Verbänden schließen. Aus den Berichten läßt sich nicht erkennen, ob bei den arbeitslosen Tagen auch die herabgeminderte Arbeitsdauer beziehungsweise Erwerbsgelegenheit derer mitgerechnet worden ist, die nicht völlig arbeitslos sind, sondern beschränkte Arbeitszeit haben, wie zum Beispiel Textil-, Konfektions- und Schuharbeiter. Bei den letzteren ist dies sicher nicht der Fall. Es ist wirklich nicht denkbar, daß bei allgemeiner Beschränkung der Arbeitszeit in der Schuhindustrie nur rund 13 000 Arbeitslosentage auf 17 700 Mitglieder im Quartal kommen. Zieht man die beschränkt Arbeitenden zur Berechnung heran, so wäre in Wirtlichkeit die Zahl der arbeitslosen Tage eine beträchtlich höhere als die angegebene. R.
Frauenbewegung.
Arbeiterinnenfürsorge der organisierten christlichen Frauen in England. Kantinen, Erholungs- und Wohnräume für Fabrit arbeiterinnen will die Gesellschaft Junger Christlicher Frauen" in England schaffen und sucht durch eine kräftige Propaganda die Mittel dazu zusammenzubringen. In allen größeren Zeitungen fordert sie auf, sie zu diesem Zweck mit Geld zu unterstüßen. Die Gesellschaft begründet ihre Bitte damit, daß in den meist Hals über Kopf erbauten Munitionsfabriken alle Einrichtungen der genannten Art fehlen. Den Arbeiterinnen, die schwer arbeiten müßten, sei es nicht möglich, für wenig Geld ein ordentlich zubereitetes Mittagsmahl zu erhalten, und es fehle vor allem auch an geeigneten Aufenthaltsräumen, wo sie die Mittagsmahlzeit einnehmen könnten. Die Schlafstellen ließen alles zu wünschen übrig. Die Christlichen Frauen wollen dafür Sorge tragen, daß nicht zu weit von den Arbeitsstätten in Gasthäusern billige Zimmer für die Arbeiterinnen zur Verfügung gestellt werden. Die Organisation rechnet aus, daß sie für 1 Pfund Sterling( 20 Mt.) ein Bett, für 5 Pfund eine Schlafstelle ausstatten, für 20 Pfund eine Schlafstelle bauen und ausstatten könne, für 500 Pfund einen Ruhe und Erholungsraum. Die Bestrebungen der Christ lichen Frauen sind gewiß lobenswert, legen aber eine Frage nahe. Wäre es nicht richtiger, die Unternehmer von Staats wegen durch Gesetz zu zwingen, daß sie für geeignete Unterkunft und durch gute Löhne für ordentliche Ernährung ihrer Arbeiterinnen sorgen? Die Unternehmer ziehen ja nachweislich aus der Arbeitskraft der Frauen Riesengewinne. Natürlich nur in England. Wer anders denkt, sündigt wider den Burgfrieden. t. b.
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