Nr. 13
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27. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft viertelfährlich obne Bestellgelb 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
Inhaltsverzeichnis.
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Das Recht der Frau zur Mitarbeit in der Kommunalverwaltung vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus . I.- Die Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie. - Aus der Bewegung: Gegen die Maß. regelung der Genossin Bieg. Für den internationalen Sozialis mus und die grundsägliche Haltung der„ Gleichheit".- Der Kampf um die Gleichheit" im Wahlkreis Bochum . Notizenteil: Für den Frieben.- Frauenstimmrecht. Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
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I.
Der Krieg hat eine so bedeutende Erweiterung des Tätigkeitsfeldes der Frauen im privaten und öffentlichen Leben erzwungen, daß die Frage einer Erweiterung der Frauenrechte immer dringlicher und unabweisbarer sich erhebt. Für eine Reform der öffentlich- rechtlichen Stellung der Frau beginnen heute Leute einzutreten, die sich bis vor kurzem mit Händen und Füßen gegen die entsprechenden Forderungen sträubten und sie als den Anfang vom Untergang aller möglichen Kulturerrungenschaften verfemten. Der umfassende Anschauungsunterricht der Tatsachen über weibliche Leistungen während des Krieges bleibt nicht ohne Früchte, wenngleich fie bei uns zurzeit noch so flein und sauer wie Holzäpfel zu reifen scheinen.
Am fühlbarsten macht sich die Notwendigkeit geltend, durch ein verändertes Recht eine umfangreiche Mitarbeit der Frau in der Gemeinde zu ermöglichen. Zwei Umstände sind von Einfluß darauf. Die vom Krieg gezeitigten Verhältnisse haben sowohl neue Aufgaben für die Gemeinden geschaffen wie die Anforderungen innerhalb des alten kommunalen Pflichtkreises gesteigert. Durch die Einberufungen zum Heeresdienst ist die Zahl der kommunaltätigen Männer beträchtlich zusammengeschrumpft. Beide Umstände werden auch nach dem Striege weiterwirken. Der Krieg wird Verhältnisse hinterlassen, die der Kommunal politik - allein oder in Verbindung mit anderen Mächten vermehrte und vertiefte Aufgaben auferlegen, ganz besonders auch auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge. Die gewaltige Menschenvernichtung durch den Krieg, der ungeheure Verlust wirkender Sträfte infolge von Tod und lebenslänglicher Jn validität muß sich auch in der Kommunalverwaltung geltend machen. Die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde kann nicht mehr entbehrt werden. Und was die Notwendigkeit erzwang und erzwingen wird, vollendet die Trefflichkeit weiblicher Leistungen. Die Frau hat ihren Befähigungsnachweis zur gleichberechtigten Mitarbeit in der Gemeinde erbracht und geradezu glänzend erbracht. Das wird heute kaum noch von jemand ernstlich bestritten.
Es bleibt bezeichnend dafür, wie langsam und mühselig die Gedanken, die Anschauungen hinter den Tatsachen herhumpeln, daß trotzdem die Forderung vollen, gleichen Frauenrechts in
Sufchriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
der Gemeinde von der Mehrzahl der Politiker nicht erhoben wird, von dem Begehren politischen Bürgerrechts ganz zu schweigen. Angesichts der Umwälzung in den Verhältnissen bleibt es eine recht zaghafte und schwächliche ,, Neuorientierung", wenn man sich darauf beschränkt, lediglich die Wahl von Frauen mit beratender und beschließender Stimme in die Verwaltungsdeputationen zu fordern, wenn man für das weibliche Geschlecht nicht auch das kommunale Wahlrecht, volle Rechtsgleichheit überhaupt heischt. Statt ganze Arbeit zu machen, will man sich mit Stück- und Flickwerk begnügen. Immerhin sind die Kleinen Zugeständnisse an volles Bürgerrecht für den Emanzipationskampf des weiblichen Geschlechts von Wert. Sie bedeuten einen Bruch mit dem Philisterdogma, daß das Haus des Weibes Welt sein müsse, daß der Frau kein Recht zur Betätigung im öffentlichen Leben zustehen dürfe.
Unter den vorstehenden Gesichtspunkten sind die Verhandlungen zu würdigen, die am 20. Januar im Preußischen Abgeordnetenhaus über die Mitarbeit der Frauen in der Kommunalverwaltung stattgefunden haben. Den Anstoß dazu hatte ein Antrag der Fortschrittlichen Volkspartei gegeben, die bis dato nicht eben mit vorurteilslosem Blick und blinkender Wehr für das Bürgerrecht der Frauen gekämpft hat und sich nun bedächtig auf den Weg nach Damaskus begibt. Der Antrag forderte die vollberechtigte Zulassung von Frauen zu städtischen Verwaltungsdeputationen und Stiftungsvorständen. Er wurde von dem fortschrittlichen Volksparteiler Cassel mit diesen Ausführungen begründet: " In der Berliner Gemeindeverwaltung sind bereits Frauen in verschiedenen Deputationen tätig, die über Magistratsvorlagen zu beraten und an die Stadtverordnetenversammlungen zu berichten haben. Der Eintritt von Frauen in die Deputatio. nen stößt aber auf gesehliche Hindernisse, weil in
den Deputationen im allgemeinen nur solche Personen mitwirken fönnen, die das Stimmrecht befizen. Eine Ausnahme besteht für einzelne 3weige der Kriegsfürsorge, die auf besonderen Gesetzen beruhen, für das Armenwesen, das auf einem Reichsgesetz beruht. Ebenso können auf Grund des Volksschulunterhal tungsgesetzes Lehrerinnen der Schuldeputation an gehören. Ein von uns seinerzeit gestellter Antrag, nicht bloß Lehrerinnen, sondern Frauen überhaupt zuzulassen, ist damals leider abgelehnt worden. Gerade die Erfahrung von Familienmüttern ist nun nicht einzusehen, warum nicht ebensogut wie in der würde aber durchaus den Schuldeputationen zugute kommen. Es Armen- und Schulpflege auch in der Waisenpflege, im Krantenwesen, in der Gesundheitspflege, im Wohnungswesen, im Marktwesen, bei den Fort. bildungsschulen und auf allen Gebieten, auf denen es sich um soziale Fürsorge handelt, die Erfahrung der Frauen ersprießliche Verwendung finden soll. Gerade die gegenwärtige Zeit dürfte außerordentlich geeignet sein, die Mitarbeit der Frauen zu erweitern. Nicht bloß in der Heilung und Pflege der verwundeten und kranken Krieger, nicht bloß in der Labung der Soldaten auf dem Transport haben die Frauen Mustergültiges geleistet, sondern auch in der Kriegsfürsorge für die Angehörigen der Kriegsteilnehmer und für alle diejenigen, die durch den Krieg in Not und Bedrängnis geraten sind, und sie haben dabei auch außerordentlich große organisatorische Talente