Nr. 13

-

-

Die Gleichheit

Aus der Bewegung.

87

Gegen die Maßregelung der Genoffin Ziek sprach sich nach­drücklich eine gutbesuchte Versammlung der weiblichen Mitglieder in Braunschweig aus. Sie nahm einstimmig fol. gende Entschließung an:" Die in Braunschweig versammelten Ge­nofsinnen verurteilen auf das schärfste den neuen Gewaltakt des

Kleinliche Nadelstichbekämpfung. Gleichzeitig hat man die Genoffin Baader, die von 1898 bis 1908- in einer Zeit, in der die Frauen­bewegung dank der rückständigen Vereinsgesetze noch nicht organi­satorisch mit der Gesamtpartei verbunden war die Leitung der Frauenbewegung als Vertrauensperson der Genossinnen Deutsch lands in Händen hatte, und die seit 1908 gemeinsam mit der Ge­noffin Zieß diese Arbeit leistet, aus dem Bureau entfernt und hat fie als Hilfsarbeiterin in die Parteiforrespondenz gesteckt. Was be- Parteivorstandes, den dieser durch den Hinauswurf der Genofsin darf es auch der Förderung der Frauenbewegung durch die sozial­demokratische Partei, in einer Zeit, in der die Frauenerwerbsarbeit rapide wächst? Mögen die Frauen Granaten drehen, am Wege- und Eisenbahnbau, im Bergwert, an der Straßenbahn, in der Heim­arbeit und bei tausenderlei sonstiger Arbeit schanzen und daneben die Pflichten der Hausfrau und Mutter erfüllen: von der Politik verstehen sie ja doch nichts, auch nichts von der Haltung der Scheide­mann und Ebert, von der Zustimmung zu den Krediten, zum Hilfs dienstgesetz usw., Borniert, wie sie nun einmal sind, stehen die Frauen in ihrer übergroßen Mehrheit in scharfer Opposition au dieser Politik und machen den großen Führern' das Leben sauer. Soll man sich mit der Förderung der Frauenbewegung etwa noch mehr Gegner der offiziellen Fraktionspolitik schaffen? Daß man ein solcher Tor wäre! Nein, die Gelegenheit galt es zu nügen, die schon längst unbequemen Mahner und die Förderer der Frauenbewegung faltzustellen. Das gehört zur Neuorientierung in der Partei, deren Vorstand hartnäckig den Genossinnen eine Reichskonferenz verweigerte und es ablehnte, einen Frauentag zu veranstalten."

Wir sprechen es offen aus, daß wir den dekretierten Wandel in Genossin Baaders Stellung als brutale Grausamkeit empfinden. Genossin Baader ist fast siebzigjährig und hat lange unter den schwierigsten Umständen in selbstloser, treuester Weise der sozia listischen Frauenbewegung, der Sozialdemokratie gedient. Aber von der abstoßenden persönlichen Seite abgesehen, hat die verfügte Neu­ordnung der Dinge thre große sachliche Wichtigkeit. Tatsächlich be= deuten die betreffenden Verfügungen einen abermaligen Schlag gegen die sozialistische Frauenbewegung. Indem der Parteivorstand Genossin Bieg die Bureauräume versagte und Genoffin Baader als Hilfsarbeiterin der Parteikorrespondenz zuwies, hat er die zentrale Stelle aufgehoben und zerstört, der die Aufgabe oblag, im Auftrag der Partei die sozialistische Frauenbewegung anzuregen, zu leiten, vorwärts zu treiben, sie in Auffassung und Praxis fest und ge­schlossen der Sozialdemokratie einzugliedern; die zentrale Stelle, wo die Genoffinnen sich Auskunft und Rat holten. Das Vorgehen des Parteivorstandes läuft hinaus auf eine weitere Mißhandlung des Rechts der Genossinnen, gleichzeitig aber auch auf eine Ver legung der Parteipflicht, im Interesse des proletarischen Befreiungs. ringens die sozialistische Frauenbewegung zu fördern.

Für die Genossinnen kann es angesichts dieser Situation tein Langen und Bangen, kein Baudern und Bagen geben. Sie müssen mit unbeugsamer Entschiedenheit für ihr Recht eintreten. Ihr Pro­test muß zur Tat werden. Es gilt für sie mutig und opferbereit zu handeln. Genoffin Bieg hat sich in einem beredten Aufruf an die Parteigenossinnen gewandt und sie an ihre Pflicht gemahnt, ihr Bekenntnis zum Sozialismus durch den Anschluß an die Oppo. sition und kraftvolles Wirken zu bestätigen. Wie unangenehm dieser Aufruf von den Mehrheitsanhängern empfunden wird, dafür ein Bei spiel : Die Breslauer Boltswacht" unterschlägt zwar ihren Lesern und Leserinnen den Aufruf, geht aber mit aufgefrempelten Hemd­ärmeln daran, ihn totzuschlagen. Sie schreibt: Genossin Bieg läßt in der, Leipziger Volkszeitung eine reichlich geschwollene Philip pita los, in der sie der merkwürdigen Ansicht Ausdruck gibt, die Genossinnen Deutschlands müßten sich auf ihren Ruf wie die Furien gegen die Parteimehrheit erheben und ihren alleinseligmachenden Parteiglauben annehmen. Wie wir die Genossinnen tennen, find ihnen jett Brot und Kohlen, also praktische Arbeit, viel wichtiger als die törichten revolutionären Tiraden, in denen tiefster Schmerz und steigende Verbitterung, Sorge und Mut, Born und Trauer, Liebe und Aufopferung, Hingabe und Entrüstung gleich schön zum Ausdruck kommen. In einem irrt sich die Genossin Zieß gründlich: wenn sich irgendwo Mitglieder zurückziehen, dann nicht wegen Ver drossenheit über die Mehrheitspolitik, sondern wegen Verdrossenheit über gewisse große und kleine Stänker, die ihnen die Lust am Blei­ben verderben."

Dieser Borneserguß einer schönen Seele erhält seinen besonderen Reiz durch den Umstand, daß gerade die Breslauer Volkswacht" die allermildesten Töne gegen bürgerliche Gegner des Sozialismus, der proletarischen Klasseninteressen anzuschlagen liebt. Hoffen wir, daß es in Breslau , in Schlesien Genoffinnen gibt, die die Furien, Tiraden und Stänter" nicht unwidersprochen lassen.

"

Biek, der Vertreterin der Frauen im Vorstand, sich hat zuschulden kommen lassen. Sie sprechen der Genoffin 8ieß ihre Sympathie aus für das kraftvolle Eintreten für die sozialistischen Grundsäke und geloben, mit aller Kraft in ihrem Sinne vor wie nach für die Ver­wirklichung der sozialistischen Menschheitsideale kämpfen zu wollen." Für den internationalen Sozialismus und die grundsätz­liche Haltung der Gleichheit" erklärte sich eine gutbesuchte Mitgliederversammlung des sozialdemokratischen Vereins Hanau . Einstimmig gelangte die folgende Resolution zur Annahme: Der Ortsverein Hanau steht in entschiedenster Opposition gegen die Politik der Mehrheit der Fraktion, des Parteivorstandes und des Parteiausschusses. Er hält diese Politik für unvereinbar mit den Grundsäßen und dem Geiste des Sozialismus und der Demo­kratie. Sie widerspricht den Beschlüssen der Parteitage, der inter­nationalen Sozialistenkongresse, der ganzen geschichtlichen Ver­gangenheit und der Überlieferung der Sozialdemokratie sowie der Haltung der Partei bis zum 4. August 1914 gegen den Staat, die Regierung, die bürgerliche Gesellschaft und den Kapitalismus . Sie liefert in ihren Folgen die sozialdemokratische Partei und die Arbeiterbewegung den Todfeinden der Arbeiterklasse, dem Kapita­ lismus und Imperialismus aus. Der Parteivorstand, in überein­stimmung mit der Fraktionsmehrheit, ist es, der die Partei spal­ten will, um in dem ihm anhängenden Teil der Partei, den er durch Zuzug aus bürgerlichen Kreisen zu verstärken gedenkt, die Politik des 4. August zur herrschenden zu machen. Zu diesem Zweck bedient er sich des Parteiausschusses, um die Opposition, entgegen den flaren Bestimmungen des Organisationsstatuts, als außerhalb der Partei stehend zu erklären. Parteivorstand und Parteiausschuß brechen somit bewußt die klaren Bestimmungen des Statuts der Partei. Ebenso bekunden die Hanauer Genossen und Genofsinnen, entgegen der gegen die, Gleichheit und Genoffin Betfin eingelei. teten Heze, ihr volles Einverständnis mit der politischen Haltung der, Gleichheit und ersuchen unsere wadere Vorkämpferin der Frauen, Genossin Betkin, getreu dem internationalen Sozialismus die, Gleichheit au redigieren. Die Hanauer Delegierten werden beauftragt, dahin zu wirken, die Kreisgeneralversammlung möge sich einmütig mit den außerhalb der Partei gestellten Anhängern der Opposition solidarisch erklären."

Der Kampf um die ,, Gleichheit" im Wahlkreis Bochum zeitigt widersprechende Beschlüsse. Eine außerordentliche Gene. ralversammlung des sozialdemokratischen Wahlvereins hatte sich entschieden zur Oppofition bekannt. Eine Kreisversamm. lung der Funktionäre sollte diese Stellungnahme korrigieren. Sie erklärte sich mit 30 gegen 24 Stimmen für die nationalistische Mehrheitspolitik und das Vorgehen des Parteivorstandes und Par­teiausschusses. Sie beschloß weiter, die obligatorische Lieferung der Gleichheit" für die Genossinnen einzustellen. Damit verstieß zwar die Konferenz gegen den Beschluß einer Generalversammlung, doch was verschlägt das? Die Genossinnen sollen nicht, oppositionell ver seucht werden". Vorausgesetzt, daß diese sich die Bevormundung ge­fallen lassen.

Notizenteil.

Für den Frieden.

Der Friedensautrag der italienischen Sozialdemokratie. Die mannhafte Betätigung der Grundsäße des internationalen Sozia­lismus durch die sozialistische Partei Italiens steht im schärfsten ehrenvollen Gegensatz zu dem Weben und Wirken der sozialisti­ schen Durchhaltepolitiker in anderen Ländern. Die italienische So­aialdemokratie läuft in der Kriegspolitik nicht am Gängelband der Landesregierung und begnügt sich nicht mit der Friedensgeste, die Sozialisten, die Proletarier des Auslands zu beschwören, im Gegensatz zu ihren Regierungen in eine kraftvolle Aktion gegen das Völkerringen einzutreten. Sie treibt im schweren, opferreichen Kampfe gegen die Regierung Italiens eine eigene, selbständige Friedenspolitik, für die fie die werktätigen Massen des Landes weckt und sammelt. Ihren früheren Friedensantrag hat sie in einer Resolution an die italienische Kammer erneuert, faum daß Wilsons Friedensbotschaft bekannt geworden war. Diese Ne