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Die Gleichheit
solution sollte nach der Leipziger Boltszeitung", Nr. 58 vom 10. März, nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten in einer der ersten Kammerſibungen zur Verhandlung kommen. Sie erklärt unter anderem:„ Die Botschaft des Präsidenten Wilson an den Senat der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist eine weitere Ausführung und Ergänzung seiner ersten Note, durch die die Kriegführenden aufgefordert werden, ihre Kriegsziele und die ihnen entsprechenden Friedensbedingungen bekanntzugeben oder die Diskussion der Friedensbedingungen einzuleiten. Diese Botschaft stellt die Präliminarien zu einem vernünftigen und für alle Nationen gleichermaßen vorteilhaften Frieden auf und formuliert die grundlegenden Prinzipien, auf deren Boden die Verhandlungen geführt werden müßten, indem sie mit aller Klarheit und Bestimmtheit die Forderung erhebt, daß ihnen folgende Punkte als gesichert und außer aller Diskussion stehend zugrunde gelegt werden: Das gleiche Recht aller großen und kleinen Völker, frei über fich selbst zu verfügen. Die Unabhängigkeit aller Nationen im selb ständigen und weitestgehenden Zusammenwirken an den Aufgaben der Kultur. Die allen gleicherweise zugute kommende Freiheit der Meere. Die Neutralisierung der Meerengen und der Punkte, wo verschiedene Volksstämme aneinandergrenzen. Als Bürgschaft gegen fünftige Kriege eine Herabminderung der Rüstungen bis auf das Maß, das einzig und allein der inneren und internationalen Ordnung entspricht. Ferner die Errichtung eines übergeordneten Organs, das internationale Streitfälle nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit schlichtet, sowie die Gründung eines Bun des der Völker vorschlägt, die gewillt sind, sich den Beschlüssen dieses übergeordneten Organs zu fügen. Kein Staat, der auf dem Boden einer gesunden und modernen Demokratie steht, fann solchen Brinzipien seine Zustimmung versagen."
Die Resolution führt ferner aus, daß Wilsons Botschaft die Interessen und Dentart einer Bourgeoisie widerspiegele, die den Gipfel ihrer Klassenentwicklung erklommen hat und im Gegensah steht zu den überlebfeln des Feudalismus und Militarismus der alten Staaten und den Raubgelüften, die sich hinter dem Imperialis mus der einzelnen konkurrierenden Mächte verbergen. Sie stelle eine Antwort dar auf die Forderungen der Zeit und die gebiete rische Mahnung, die in der mit jedem Tage immer deutlicher offenbarten Ohnmacht liegt, mittels der Waffengewalt die Konflikte zu schlichten, die zum Kriege geführt haben. Sie wolle die proklamierten Grundsäße aus der Sphäre des philosophischen und humanitären Jdealismus auf den gesicherten Boden der geschicht. lichen Wirklichkeit verpflanzen, deren unausbleiblichen Triumph auf die Dauer zu bekämpfen vergeblich und töricht wäre. In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte fordert die Resolution von der Kammer, sie solle das Vertrauen aussprechen, daß keiner der verbündeten Staaten der Entente die furchtbare Verantwortung auf sich nehmen wird, den Erfolg des amerikanischen Vorschlags zu vereiteln, den die Völker einmütig voller Hoffnungen und mit heißen Wünschen begrüßen, da eine Verlängerung des Krieges zur Vernichtung und Zerstörung der eigenen Kultur und des nationalen Wohlstandes führen müßte". Des weiteren,„ daß sie in Wilfons Initiative... einen Aft erkennt, der auf nichts Geringeres hinzielt als auf die notwendigen Bedingungen einer vernünftigen Ausgestaltung des sozialen Zusammenlebens in dem gegenwärtigen Abschnitt der wirtschaftlichen und geschichtlichen Entwicklung der Welt". Endlich, daß die Kammer die Regierung Italiens auffordert, sich ihrerseits den Vorschlag zu eigen zu machen und energisch in dem Sinne auf die verbündeten Regierungen einzu wirken, daß dieser Vorschlag in soweit von ihnen abhängt türzester Zeit und in unwiderruflicher Weise seiner Verwirklichung entgegengeführt werde".
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Wir stimmen nicht jeder Einzelheit des gedankenreichen Dokuments zu. Was aber sein Kern und Stern ist, wird jeder internationale Sosialist freudig begrüßen, nämlich den entschieden vorwärtsdrängenden Friedenswillen, der auch im Barlament einen starken Druck auf die Negierung auszuüben sich bemüht. Die Ereignisse sind schneller gewesen als der geplante Vorstoß in der italienischen Kammer. Auf Wilsons Friedensbotschaft folgte die törichte Antwort der Ententemächte, die ausgedehnte Blockade durch England, der verschärfte, ungehemmte Unterseebootkrieg des Deutschen Reiches, der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland . Bis jetzt liegt jedoch keine Meldung vor, daß die Kammerfraktion der sozialisti schen Partei Italiens ihren Antrag zurüdgezogen oder abgeändert habe. Darüber wird jedenfalls der Parteitag zu Rom entschieden haben, der am 25. Februar stattgefunden hat, und über dessen Verlauf zur Stunde noch keine ausführlichen und zuverlässigen Nachrichten vorliegen. Unseres Dafürhaltens find die Ereignisse der
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letzten Zeit für die Sozialisten in allen Ländern keine Gründe, um vor ihrer Pflicht zur Friedensaktion mit den Worten abzudanken: ..nicht mehr!" Umgekehrt: diese Ereignisse predigen die Losung: „ erst recht!"
Frauenstimmrecht.
Die Einführung des kommunalen Franenwahlrechts in Frankreich wurde von der Wahlrechtskommission der fran zösischen Kammer Mitte Februar gegen nur 2 Stimmen beschlossen. Einige Mitglieder der Kommission waren entschieden dafür eingetreten, den Frauen volles politisches Recht zuzuerkennen, also auch das aktive und passive Wahlrecht zum Parlament. Zu den Befürwortern voller politischer Rechtsgleichheit der Geschlechter gehört Genosse Longuet. Der Vorstoß blieb jedoch in der Minder heit. Der Berichterstatter des sozialistischen " Journal du Peuple" ( Voltsblatt) betonte, daß der Beschluß der Wahlrechtskommission namentlich im Hinblick auf die Erringung und Bewahrung des Friedens zu begrüßen sei. Gleichzeitig erhob er jedoch diese bängliche Frage:„ Aber die Kehrseite der Medaille: heißt nicht die Bewilligung des Frauenwahlrechts zehn Millionen Wahlzettel einem Herrn geben, der sich Benedikt XV. nennt?"
Diese Bemerkung forderte mit Recht den scharfen Widerspruch der Genofsinnen Severine und Capy heraus, zwei ange sehene Führerinnen der sozialistischen Frauenbewegung Frant reichs. Ihre Ausführungen wurden zur wirksamen Propaganda für das Frauenwahlrecht. In der Tat: die Befürchtung, durch das Frauenwahlrecht die Macht der Kirche, der Geistlichkeit au stärken, spricht nicht stärker gegen die politische Gleichberechtigung als die bekannten Philisterängste vor der mangelnden politischen Reife", dem„ konservativen Sinn" usw. der Frauen. Sie ist Bein vom Bein und Fleisch vom Fleisch der männlichen Redens arten, die noch stets gegen die politische Gleichberechtigung jeder Gesellschaftsschicht aufgefahren worden sind, die ihr volles Bürgerrecht verlangte. Ein Land mit starker katholischer Bevölkerung hat unvermeidlich mit der Möglichkeit zu rechnen, durch die politische Emanzipation der Frauen oder anderer Nichtvollbürger im Staate vorübergehend den Klerikalen Einfluß zu vergrößern. Aber auch nur vorübergehend, wenn die nichtklerikalen Parteien, wenn allen voran die Sozialisten mit der nötigen Einsicht, Energie und Hin. gabe an der politischen Aufklärung der Frauen arbeiten. Das Mittel zur Minderung und überwindung der klerikalen Macht ist nicht die Rechtsverweigerung, sondern die Erziehung zum guten Rechtsgebrauch.
Die Einführung eines beschränkten politischen Frauenwahl. rechts in England ist vom Wahlrechtsausschuß des Unter hauses empfohlen worden. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich nach dem Bericht grundsätzlich für das politische Frauenwahlrecht ausgesprochen. Sie schlägt vor, das Parlamentswahlrecht den Frauen zu verleihen, die jetzt schon das Wahlrecht zu den Gemeinderäten besigen, ebenso den Frauen, deren Männer im Besitz des Gemeindewahlrechts sind. Die Frauen, die bereits das Gemeindewahlrecht befißen, sollen vom 30. Jahre an wahlberechtigt sein, die zweite Kategorie von Frauen, deren Männer Gemeinderats. wähler sind, sollen erst vom 35. Jahre an das Wahlrecht erhalten.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
Der sozialistische Frauentag in Holland ist am 25. März ab. gehalten worden. Er sollte allen Frauenforderungen gelten, die in den Problemen begründet sind, die vom Krieg verschärft werden und nach Lösung drängen. Dem treuen, tatkräftigen Festhalten der holländischen Genossinnen an den Grundsägen des internationalen Sozialismus entsprechend sollte der Frauentag dazu benutzt werden, die Frauen des arbeitenden Voltes zum Bewußtsein der internatio nalen Solidarität zu erwecken, die sie mit den Arbeitenden und Ausgebeuteten aller Länder verbindet. In den Frauentagsveranstal tungen der einzelnen Orte wollten die Genossinnen zeigen, daß die nämlichen gesellschaftlichen Verhältnisse in den verschiedenen Staaten die Frauen für die gleichen Forderungen international vorwärts. treiben, daß sie darum auch international zusammenstehen und tämpfen müssen. Und zwar nicht bloß für Reformen in der bürgerlichen Gesellschaft, vielmehr für deren überwindung und die Auf richtung der sozialistischen Ordnung.
Der Frauentag der österreichischen Genossinnen wird aus den bereits mitgeteilten Gründen wahrscheinlich am 15. April stattfinden. Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart .
Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.. in Stuttgart .