Nr. 20

Die Gleichheit

folgt. Die Frauen werden in der Eingabe als geistige und leibliche Mütter des Volkes bezeichnet, die in dieser Zeit ihre Zugehörigkeit zum Staate doppelt stark empfunden und bewiesen hätten. Die Frauen leisteten dem Staate Dienste, die überhaupt seine Existenz bedingen. Die Billigkeit fordere, daß der Staat den Frauen in ihrer Gesamtheit jene Rechte und Verantwortung verleihe, die er jedem Manne ohne Frage nach Verdienst und Leistung gewähre.

Der Korreferent der Betitionskommission führte an: Die Ein­gabe bringe beachtliche Gründe nicht, die Stellung der einzelnen politischen Gruppen zu dem Wahlrecht der Frauen sei bekannt, es empfehle sich übergang zur Tagesordnung. Der Berichterstatter da­gegen, unser Genosse Brey, hält die Eingabe für wichtig. Unsere ganze wirtschaftlich- soziale und wirtschaftliche Entwicklung erfasse die Frauen in einem weiten Maße. Sie seien erfaßt beim Ar­beiterschutz, der Arbeiterversicherung, bei der Ernährungspolitik und bei einer großen Reihe anderer öffentlich- rechtlicher Fragen. Aus diesen Gesichtspunkten verdiene die Eingabe eine günstige Behandlung. Dieser Anregung gemäß hat der Ausschuß beantragt, die Petition dem Reichskanzler zur Kenntnisnahme zu überweisen. Allerdings hat er ebenso beschlossen mit einer Petition des Deut­ schen Bundes   gegen die Frauenemanzipation", die unter Bekämp­fung der ersten Petition sich gegen das kommunale und parlamen­tarische Stimmrecht der Frauen ausspricht. Der Fortschritt der Zeit wird aber über solche rückständigen Bestrebungen zur Tages ordnung übergehen.

Selma Lagerlöf   über das Frauenwahlrecht. Die schwedischen Frauenvereine hatten kürzlich eine große Versammlung in Stock­ holm   anberaumt, die vorzugsweise der Erörterung der Frage des Frauenstimmrechts dienen sollte. Selma Lagerlöf  , die berühmte schwedische Dichterin, die am persönlichen Erscheinen verhindert war, hatte der Versammlung ein längeres Schreiben gesandt, in dem sie ausführt, warum die politische Mündigkeitserklärung der Frau unbedingt zu fordern sei. Der Brief schließt mit folgenden Worten: Möge man uns nicht länger mehr warten lassen! Wir sind Arbeiterinnen, die in jahrelanger Arbeit die Bausteine zu einem Bau zusammengetragen haben. Wir haben den Bauplatz, der dazu gehört, wir haben den Grundriß, wir haben Steine, aber man verweigert uns bisher die Erlaubnis, das Werk auszuführen. Möchte man sie bald geben! Möchte der Grundstein gelegt werden! Möchten die Mauern sich erheben! Warum soll so viel Kraft im Warten verpuffen? Warum so viel Eifer in Untätigkeit brach­liegen? Möchte man uns das Werk beginnen lassen! Wir sind die

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Ja, in Rosen steht die Welt,

Aber ahnungsbang

Rauschet durch das ährenfeld Schon ein fremder Klang:

Bald ertönt der Erntereigen,

Und die Rose wird sich neigen,

Und die Vögel werden schweigen.

Ach wie bald, dann liegst du weit-

O du schöne Rosenzeit!

Heinrich Seider.

Friedensvorkämpferinnen im Altertum.

Von Anna Blos  .

n den Erörterungen über den Geburtenrüdgang ist auch ge­teit, Verhältnisse zu erzwingen, in denen es für jede Mutter ein Glüd ist, Kinder zur Welt zu bringen, weil alle Kinder zu gesunden und frohen Menschen aufgezogen werden können. So modern aber der Gedanke des Gebärstreits auch anmutet, so ist er doch schon vor vielen Hunderten von Jahren erwogen worden, nur daß er damals nicht den Schutz von Mutter und Kind herbeiführen sollte. Durch den Gebärstreit, durch das Versagen der ehelichen Pflichten sollte einem furchtbaren Krieg ein Ende gemacht werden, die Frauen wollten auf diese Weise den Frieden erzwingen.

Der diesen Gedanken ausspann, war der griechische Lustspieldichter Aristophanes  , der um die Zeit von 450 bis 485 v. Chr. in Athen  lebte. Es war damals die Zeit der höchsten Blüte Athens  , aber Aristophanes   erkannte mit sicherem Blick, daß diese Blüte bereits den Keim des Verfalls in sich trug, wenn er auch den eigentlichen Grund dieses Verfalles nicht erkannte.

Wenn die Männer verweichlichen, zeigt sich sehr häufig die Er­scheinung, daß die Frauen aus der ihnen vorher auferlegten Zurüd gezogenheit heraustreten und ihren Einfluß geltend machen. So er­fahren wir durch Aristophanes  , daß unter den griechischen Frauen schon eine Art Emanzipation um sich gegriffen haben muß. Diese Emanzipation war natürlich anders geartet als die moderne Frauen­

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Sämänner, die am Ackerrain stehen mit gefüllten Beuteln und offenen Händen, um die Saat auszustreuen. Ein kalter, langer Winter hat geherrscht, harter Nordwind, Frost und verspäteter Lenz! Laßt uns auf den Acker, um zu graben und zu säen! Laßt nicht so viele Gedanken und Ideen vom Winde verwehen! Wir sind Bettlerinnen. Wir leiden unter der harten Zeit, Verzweiflung hat uns erfaßt, seit Jahren haben wir nur von Unglück über Un­glück gehört, wir sind nahe daran, vor Müdigkeit zusammenzu­brechen. Laßt uns ein wenig Freude zukommen! Laßt uns noch einmal Mitgefühl und Barmherzigkeit empfinden! Wie herrlich müßte es sein, in hoffnungslosen Zeiten der zu sein, welcher das Dunkel zerreißt und einen Strahl neuen, unerwarteten Glückes über den Menschen aufleuchten läßt!"

Kleine Mitteilungen. Der Deutsche Frauenstimmrechts­bund richtet an den Verfassungsausschuß des Reichstags das dringende Gesuch: allen verfassungsrechtlichen Reformarbeiten des Ausschusses die politische Gleichberechtigung der Frauen als un­umgängliche Bedingung zugrunde zu legen und nicht nur für die Männer, sondern auch für die Frauen zum Reichstag und zu den Landtagen der Bundesstaaten die Wählbarkeit und das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht zu fordern.

Ein Preußentag der Fortschrittlichen Volkspartei  hat die parlamentarische Vertretung der Partei ersucht, darauf hinzuwirken, daß im Wege der Gesetzgebung die volle Mitbestim­mung der Frauen in Reich, Staat und Gemeinde angebahnt wird". Visher hat es die fortschrittliche Reichstagsfraktion noch an einer entschiedenen Vertretung der Frauenforderungen fehlen lassen.

In Berlin   ist eine Abteilung für fommunale Arbeit der Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit gegründet worden. Das Arbeitsgebiet umschließt folgende Aufgaben: 1. Ge­winnung von Frauen für kommunale Ämter in Armenpflege, Waisenpflege usw.; 2. Vertretung der Frauenforderungen mit Bezug auf die Zuziehung von Frauen zu städtischen Kommissio­nen und Deputationen; 3. Anregung der Berliner   Frauenvereine zu gemeinsamen Kundgebungen bei gemeinsamen Interessen.

Der Verein für Frauenstimmrecht in Dresden   hat dem Säch­ sischen   Landtage in einer Eingabe die Forderung des aktiven und passiven Wahlrechts der Frauen unterbreitet. Die Eingabe ist an den Ausschuß für Neuordnung gegangen.

In München   hat das Gemeindekollegium mit allen gegen 7 Stimmen beschlossen, den Magistrat zu ersuchen, weibliche Per­senen in verschiedene Ausschüsse zu berufen.

bewegung, denn die Stellung der griechischen Frauen war völlig anders als die des Weibes von heute. Die Griechinnen des Klassischen Altertums waren auf das Haus angewiesen, und nur vereinzelte durch Geist und Schönheit hervorragende Frauen, wie Aspasia  , gewannen Einfluß auf die Angelegenheiten der Männer.

In drei Lustspielen beschäftigt sich Aristophanes   mit den Frauen. In allen gibt er dem Gedanken Ausdruck, daß das Weib, das dem Staat Söhne schenkt und opfert, eine Ehrenstelle einnehmen müßte. In der Weiberversammlung" werden sie zu Trägerinnen des Staats­gedankens. Sie fordern für sich das Wahlrecht und eine neue, an den Kommunismus streifende Verfassung. In dem Lustspiel Lysis. thrata" ist das Ziel, das die griechischen Frauen verfolgen, die Erreichung des Friedens. Der Weg, dieses Ziel zu erreichen, entspricht dem Ge­schmack der damaligen Zeit, die das Natürliche und Unmittelbare liebte. Dieser Weg ist: die Verweigerung der ehelichen Pflichten.

Das Stüd spielt zur Zeit des Peloponnesischen Strieges. Lysisthrata, die Vorkämpferin des Friedensgedankens, beruft alle Frauen von Hellas ein. Sie fümmert sich nicht um die Streitigkeiten der Männer, wohl aber sieht sie in allen Frauen ihre Schwestern. Zögernd und Langsam finden sich die Teilnehmerinnen ein, denn stets verknüpft mit Schwierigkeiten ist Frauenausgang. Die eine hat noch erst am Mann zuzusehen, jene da zuvor den Knecht zu wecken, die zu betten ihr Kleines noch, die noch es zu baden, die es zu füttern erst". Lysisthrata hat erkannt, daß das Wohl und Wehe des Vaterlandes in die Hände der Frauen gegeben ist und daß ihre Stärke in ihrer Vereinigung und in festem Zusammenhalten besteht. Die Frauen besezten die Burg von Athen  , die nur von alten Männern bewacht war, und es beginnt eine sehr amüsante Fehde zwischen diesen und den Amazonen.

Lysisthrata, auch hier die Führerin, erklärt den Männern die Ur­sache der Aufregung und Erbitterung der Frauen. Kamen die Männer aus der Ratsversammlung und wurden von ihren Weibern nach den so oft verkehrten Beschlüssen gefragt, so hieß es: Was ficht's dich an? Gleich schließe den Mund." Erlaubten die Frauen sich eine Kritit, so erhielten sie die liebenswürdige Antwort: Bleib ja bei dem friedlichen Rocken, sonst. set' ich im Nu dir die Haube zu­recht, denn den Serieg laß Männern zur Sorge." Lysisthrata ver­