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Die Gleichheit

wirtschaftlichen Unfallversicherung ist die Zahl der weiblichen Verlegten viel größer. In dieser verminderte sich die Zahl der er­wachsenen weiblichen Verletzten in der angegebenen Zeit von 30 286 auf 25857, dagegen vermehrte sich die der weiblichen von 11220 auf 12725. Bei den Jugendlichen trat eine Vermehrung von 1067 auf 1492 beziehungsweise 367 auf 517 ein. Dabei ist nicht aus dent Auge zu lassen, daß die kleineren" Unfälle, von denen vorzugsweise die Arbeiterinnen betroffen werden, im Laufe der Zeit mehr und mehr von der Entschädigung ausgeschlossen worden sind.

Bei einigen Berufsgenossenschaften, in deren Betrieben viel Frauen beschäftigt werden, ist die Zahl der verletzten Arbeiterinnen beson­ders groß. So betrug zum Beispiel im Jahre 1915 bei der Nahrungs­ mittelindustrie Berufsgenossenschaft   die Zahl der männlichen Ver­legten 644, die der weiblichen 241, bei der Norddeutschen Metall­Berufsgenossenschaft 868( die der weiblichen 835), Norddeutschen Textil- Berufsgenossenschaft 237( 114), Papierverarbeitungs- Berufs­genossenschaft 248( 140), Bekleidungsindustrie- Berufsgenossenschaft 330( 152), Buchdrucker- Berufsgenossenschaft 250( 103).

Der Krieg hat die Unfallhäufigkeit der Arbeiterinnen stark ver­mehrt. Vom Reichsversicherungsamt und anderen Stellen sind Maß­nahmen getroffen worden, sie einzuschränken. Das hat bisher nur mangelhaften Erfolg gehabt, da es an der nötigen Aufsicht der Be­triebe fehlt. Es sollte zum Schutze der Arbeiterinnen mehr geschehen!

Die Notwendigkeit der gewerkschaftlichen Organisation legte Genossin Gertrud Hanna  , die Redakteurin der Gewerk­schaftlichen Frauenzeitung", in einer Versammlung der Transport­arbeiterinnen in Danzig   dar. Vor dem Kriege waren von 9 Mil­lionen erwerbstätiger Frauen nur 200 000 gewerkschaftlich orga= nisiert. Der Einwand, den viele unverheiratete Arbeiterinnen früher gegen die Organisation hatten, daß sie sich bald verheiraten mürden, ist durch den Krieg zum größten Teil in Fortfall gekom­men, die Heiratsmöglichkeit ist bedeutend eingeschränkt worden. Die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse und die Lebensmittel­teuerung werden noch lange nach dem Kriege anhalten, so daß auch eine große Zahl der verheirateten Frauen zur Mitarbeit gezwun­gen ist. Sollen aber die vielfach schlechten Arbeitsverhältnisse und die geringe Entlohnung mit Erfolg bekämpft werden, dann muß auch jede arbeitende Frau erkennen, daß sie der gewerkschaftlichen Organisation angehören muß.

Fabrikpflegerinnen. Auf Veranlassung des Kriegsamts in Berlin  sollen überall, wo Fabritarbeiterinnen in größerer Zahl beschäftigt sind, sogenannte Fabritpflegerinnen angestellt werden. Es erheben sich aber in den gewerkschaftlichen Organisationen erhebliche Be­denken, ob die Einrichtung der Fabrikpflegerinnen, so wie sie vor­genommen werden soll, eine fruchtbare, im Interesse der Arbeite­rinnen liegende Tätigkeit wird entfalten können. Soll diese Voraus­setzung gegeben sein, so ist vor allem nötig, daß die Fabrikpflegerin unabhängig ist vom Fabrikanten und daß sie das volle Vertrauen der Arbeiterinnen besitzt. Denn diesen soll sie in den mannigfachen sozialen Angelegenheiten der Kinderpflege und der Kindererziehung, der Wohnungsfürsorge helfen. Am besten werden sich solche Frauen dazu eignen, die aus den Arbeiterinnenschichten stammen. Will man dagegen mit einer vorgefaßten Absicht das Arbeiterinnenelement ausschalten, so begeht man den größten Fehler. Denn nur dann, wenn die Fabrifpflegerinnen sich das Vertrauen aller Arbeiterinnen erringen, können sie fruchtbar wirken; fehlt dies, so ist die ganze Einrichtung von Anfang an ein totgeborenes Kind.

Genossenschaftliche Rundschau

Der Konsumverein Sendling München hat in den Arbeiter­häusern der Königlichen Artilleriewerkstätten eine Verkaufsstelle er richtet, die zur Versorgung der dort beschäftigten Arbeiter dient. Das brachte die Handwerkskammer und andere Mittelstandsorgani­sationen in Harnisch. In einer Eingabe an das bayerische Striegs­ministerium wurde die Aufhebung des Lagers und ein Verbot des Verkaufs an die übrigen Mitglieder beantragt. Die Artilleriewerk­stätte und die Feldzeugmeisterei haben diesem Antrage aber nicht entsprochen. Auch das Kriegsministerium hat den Antrag der Mittel­ständler abgelehnt.

Eine Schweinemast- Genossenschaft des staatlichen Verkehrs­personals der Pfalz   wurde unter Beteiligung der Staatseisenbahn­verwaltung gegründet. Der Zweck der Gründung ist, die Teilhaber als Selbstversorger( also zu höherem Verbrauchssay als gewöhnlich) mit Schweinefleisch aus der Genossenschaft zum Selbstkostenpreis zu versorgen. Dieser Preis wird voraussichtlich höher sein als der ge­setzliche Höchstpreis. Es handelt sich jedoch darum, überhaupt Schweinefleisch zu erzeugen, das sonst monatelang nicht in die Hände der Verbraucher gelangt.

Nr. 23

Als zweiter deutscher Konsumverein hat nun auch der Allgemeine Konsumverein für Düsseldorf   und Umgegend ländlichen Groß­grundbesitz erworben. Der Verein betreibt neben seiner Groß­bäckerei eine Limonadenerzeugung, Bierabfüllerei und Staffeerösterei. Der Plan der Errichtung einer Schlächterei und einer Molkerei be­stand schon vor dem Kriege. Zur leichteren Durchführung der Er­richtung einer Molkerei liegt der Gedanke des Erwerbs von Land­gütern nahe. Die Verwaltung entschied sich unter den vorliegenden Angeboten für das Gut Söbberingshoff bei Erwitte   in Westfalen  . Das 1271 Morgen große Gut wurde mit dem Herrenhause, allem lebenden und toten Inventar, der auf den Feldern stehenden Ernte und zuzüglich von 32000 Mt. Attien einer benachbarten Zuckerfabrik für den Preis von 800 000 Mt. erworben. Der Boden ist zumeist schwerer Weizenboden, das Gut ist in der Hauptsache auf Körner­bau eingerichtet, doch sind immerhin 17 Pferde, 66 Rinder, 450 Schafe und Lämmer und 17 Schweine als Viehbestand festgestellt. Stal­lungen für größere Viehbestände sind reichlich vorhanden. Auch sind 100 Morgen Schafweide und 75 Morgen Wald vorhanden. Zunächst soll die Bewirtschaftung in gewohnter Weise von dem langjährigen Verwalter weitergeführt werden. Inwieweit allmählich die Erzeu gung sich dem Bedürfnis nach Milch- und Fleischprodukten anpassen läßt, hängt von der Jnangriffnahme der Molkerei und Schlächterei ab. Daß bei dem Erwerb des Gutes mit aller Vorsicht vorgegangen wurde, versteht sich angesichts der verantwortungsvollen Stellung einer Konsumvereinsverwaltung von selbst. Unter anderem wurde als Sachverständiger auch der Leiter des dem Hamburger Konsum­verein Produktion" gehörenden Gutes Schwanheide   zugezogen. Es ist für die Verbraucher, vor allem auch für die Frauen, von großem Interesse, daß auch deutsche Konsumvereine die Bewirtschaf= tung großer Landgüter in die Hand nehmen. Bekanntlich haben die britischen Konsumvereine bereits seit Jahren große Werte in land­wirtschaftlichen Betrieben festgelegt. Nachdem die Kriegswirtschaft die Wichtigkeit der Versorgung der Bevölkerung aus den Erzeug nissen der heimischen Landwirtschaft in überzeugender Weise dar­getan hat, dürfte sich das Interesse der genossenschaftlichen Ver­braucherorganisationen mehr als bisher der landwirtschaftlichen Er­zeugung zuwenden. Die Erfolge der ersten Versuche auf diesem Ge­biete werden von den großen kapitalfräftigen Stonsumvereinen mit allem Ernste zu verfolgen sein. Es eröffnet sich hier ein weites und überaus wichtiges Gebiet für die Betätigung der deutschen Konsum­vereine. Die Verbraucher find den Konsumbereinen, welche als erste auf noch unübersichtlichem Boden bahnbrechend vorgehen, Dant schuldig. Was es bedeuten würde, wenn landwirtschaftliche Produkte in nennenswertem Umfang von den Konsumvereinen erzeugt wer­den könnten und unter Ausschaltung des Erzeuger- und Händler­profits in die Hände der Verbraucher gelangen würden, das braucht hier nicht des näheren erörtert zu werden. Die Aufgabe ist des Schweißes der Edlen wert.

Über das Wachstum der Konsumvereine und seine Ursachen sagt ein bürgerliches Blatt, die Amberger Volkszeitung" folgendes: Gar manche wirtschaftlich erfahrene Männer hatten einen Rückgang der Konsumvereinsbewegung während des Krieges prophezeit. Die lange Dauer, die teure Lebenshaltung treiben aber manche, die dem Konsumverein bisher nicht freundlich gegenüberstanden, in die Reihe seiner Mitglieder. Auch die herablassende, gnädige, wenig liebens­würdige Art der Behandlung der Kundschaft, die da und dort zu beobachten ist, schafft unserem faufmännischen Mittelstand manchen dauernden Gegner seiner Interessen und fördert die Konsumvereins­bewegung." Ein anderes Blatt aus bürgerlichen Kreisen, der Brot fabritant", sagt bei einer Besprechung der schwierigen Lage des Bäckergetverbes nach dem Kriege: Es ist die Tatsache nicht aus der Welt zu schaffen, daß während des Krieges vielfach zugeständ= nisse an den Sozialismus gemacht sind, die noch lange nach­wirken werden und zu einem verstärkten Zugang zu den Kon­sumvereinen führen werden." Hoffentlich behält der Brot­fabrikant" mit dieser Prophezeiung recht!

Der größte Konsumverein der Schweiz  , der Allgemeine Konsumberein in Basel   hat trotz der schwierigen Striegsverhältnisse, die auch in der Schweiz   recht große sind, im Jahre 1916 einen Um­sag von 27,8 Millionen gegen 26 Millionen im Jahre vorher er­reicht. Während die Abteilungen für Bier und Brennmaterialien einen Minderumsatz aufweisen, sind alle übrigen Abteilungen im Umsatz gestiegen. In Obst und Gemüse wurden 1,9 Millionen und in Milch 6,8 Millionen Frank umgesetzt. Der Verein, dem mehr als 90 Prozent aller Basler   Einwohner angehören, hat auch im dritten Kriegsjahr seine hervorragende Stellung im Wirtschaftsleben der Stadt Basel   behauptet.

cht.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Marie Juchacz  , Berlin   SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Diet Nachf. G.mt.b.s. in Stuttgart  .