Nr. 26
Die Gleichheit
Gewiß gehört der Beruf der Straßenbahnführerin zu denjenigen, die nach dem Kriege einer ernsten Prüfung unterzogen werden müssen, um festzustellen, ob sie nicht den Körper und die Nerven der Frau gesundheitlich viel zu sehr gefährden, als daß es nicht richtiger wäre, sie dem Manne zu überlassen. Welcher vernünftige Mensch aber möchte, wenn jetzt besonders viele Unglücksfälle geschehen, dafür der Fahrlässigkeit des oder der einzelnen die Schuld beimessen! Der Krieg, der die Menschen plötzlich vor die schwersten Aufgaben stellt, ohne ihnen Zeit zu lassen, sich erst so wie im Frieden in ihr Amt einzuarbeiten, bringt wie so viele übel auch dieses mit sich. Das gilt von der Arbeit des ungeschulten Mannes ebenso wie von der der schlecht ausgebildeten Frau. Wir Frauen aber, die wir wissen, wie schwere Kämpfe um unsere Rechte uns nach dem Kriege noch bevorstehen, können gar nicht genug hervorheben, was wir jetzt zur Aufrechterhaltung der Volkswirtschaft leisten, um zu begründen, daß wir alle Ursache haben, gleiche Rechte mit dem Manne zu verlangen! Hierfür aber ist auch das, was heute die weiblichen Straßenbahnangestellten in Wind und Wetter leisten, eine ernste Mahnung.
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auf allen Arbeitsgebieten, wo sie den Mann erseßen, aufstellen müssen. Sie müssen dies verlangen: 1. weil die elementare Gerech= tigkeit verlangt, daß die Arbeit nach ihrem Wert und nicht nach dem Geschlecht des Ausführenden bezahlt wird; 2. aus persönlichem Interesse; 3. aus Solidaritätsgefühl anderen Frauen gegenüber, da es sich erwiesen hat, daß niedrige Löhne immer eine Herabwertung des Berufes zur Folge haben; 4. aus Pflichtgefühl gegen den Mann, dessen Arbeitsverhältnisse durch die niedrigen Frauenlöhne geschädigt werden." Diese Forderungen stimmen mit den Forderungen der sozialistischen Frauen und der Gewerkschaften in Deutschland durchaus überein.
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Kleine Mitteilungen. Die Veröffentlichungen des Reichs- Statistischen Amtes über den weiblichen Arbeitsmarkt und die Berichte aller Arbeitsnachweise lassen den starken und unaufhaltsamen Rückgang in der Zahl der Dienstboten erkennen. Die neueren Ergebnisse der Prüfungskommission für die Lehrerinnenprüfung weisen einen anhaltend starken Andrang nach, besonders auch für die wissenschaftlichen Fächer. Dieser Zudrang vermehrt die an sich schon bezüglich der Verwendung weiblicher Lehrkräfte bestehenden Luise Schroeder( Ottensen ). Schwierigkeiten. Ein Bedarf an Lehramtskandidatinnen liegt nicht
Die Frau im Beruf
Die Gleichstellung der weiblichen Handwerker mit den männlichen forderte in einem Dringlichkeitsantrag auf dem in Leipzig abgehaltenen Allgemeinen Schneiderbundestag die Vertreterin der thüringischen Damenschneiderinnen. Vor allem wurde das Recht beansprucht, in den Innungen Vorstands- und Obermeisterämter bekleiden oder aber eigne Innungen errichten zu dürfen. Der Antrag wurde gegen neun Stimmen in folgender Fassung angenommen:„ Der Bundestag möge allen Obermeistern anheimgeben, sich mit den maßgebenden Schneiderinnen im Drte in Verbindung zu setzen und sie zur Gründung eigner Innungen zu bewegen, bei ungenügender Anzahl in Verbindung mit den Damenschneidern." Wir sind keine Freunde der Innungen. Aber wenn schon, denn schon!
Der schwedische sozialistische Frauenkongreß nahm nach einer Diskussion über die Frauenarbeit nach dem Kriege nachstehende Resolution an und sandte sie an die schwedische gewerbliche Landesorganisation, die beschloß, sie der Berner Konferenz im Herbst dieses Jahres zur Behandlung zu übergeben. Die Resolution lautet: „ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist die Forderung, die die Frauen
Durch das Aufblühen der Städte wurde die Stellung der minder bemittelten Frau nicht gebessert. Die Handwerker zogen ihre Frauen, Töchter und Mägde zur Hilfe heran. Die große überzahl der Frauen, eine Folge der vielen Kriege, brachte ein ungeheures Angebot weiblicher Arbeitskräfte mit sich. Auch hier blieb das Ideal der nicht auf den Erwerb angewiesenen Hausfrau und Mutter für die Minderbemittelten unerreicht. Der Kampf der Zünfte gegen die Frauenarbeit führte zur Hausarbeit, und diese wurde begünstigt durch die Erfindung der Spinn, Web- und Strickmaschinen. Dazu kam die Tatsache, daß der Frauenarbeit im Verlauf des Kampfes gegen sie immer mehr der Stempel des Unehrlichen, sittlich Verwerflichen aufgeprägt wurde. Dieses Vorurteil ist auch heute nicht überwunden. Im Zusammenhang damit steht die Rechtlosigkeit der Frau, die ihr den Kampf um Besserung ihrer Lage so sehr erschwert. Aufgenommen wurde dieser Kampf zuerst in der französischen Revolution mit dem Erfolg, daß die leidenschaftlichste Vorfämpferin, Olympe de Gouges , auf das Schafott gebracht wurde, und daß alle Frauenvereine aufgelöst und verboten wurden. Indes ließ sich der Stein, nachdem er ins Rollen gebracht war, nicht mehr aufhalten. Die Sturmglocken der Revolution hatten die Frauen aller Länder geweckt. Während die bürgerlichen Frauen um das Recht nach Bildung kämpften, forderten die proletarischen Frauen das Recht auf Arbeit, und gemeinschaftlich erhoben sie Anspruch auf Gleichheit vor dem Gesez. Mit diesen Kämpfen beschäftigt sich der für uns weitaus wertvollste Teil des Werkes. ( Schluß folgt.)
Bücherschau
Wer trägt die Schuld am Kriege? Von Dr. Ed. David, Mitglied des Reichstags. Berlin , Verlag Buchhandlung Vorwärts Paul Singer. 40 S. 1 Mt.
Genosse David, der von Anbeginn des Krieges an der beredtste Wortführer der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in ihren inneren Auseinandersetzungen wie gegen Angriffe von außen ge= wesen ist, bietet in dem Buche seine Rede, die er am 6. Juni 1917
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vor; die Zahl der bereits vorhandenen geprüften Lehrerinnen ist so bedeutend, daß auf ihre baldige Annahme oder Anstellung nicht ge= rechnet werden kann. In Godesberg besteht schon seit einiger Zeit eine„ Flickschusterei" für die weniger bemittelte Bevölkerung. Mit der Geschäftsführung sind drei sich abwechselnde, ehrenamtlich ar= beitende Damen betraut. Des großen Andrangs und der Lederknappheit halber ist man nun dazu übergegangen, Lehrgänge zu veranstalten, damit die Krieger- und Arbeiterfrauen, an die dabei in erster Linie gedacht ist, kleine Reparaturen selbst im eignen Hause machen können. Für diese sind die Lehrgänge unentgeltlich, besser gestellte Frauen haben eine Gebühr von 10 Mt. zu zahlen. Die Zulassung von Frauen zur Zentralschule für Ingenieure ist in Frank reich durch den Handelsminister beschlossen worden. Die Entscheidung des Handelsministeriums, dem die Schule unterſtellt ist, erfolgte auf Antrag des Vorstandes der Schule. Der Beschluß gibt den Frauen die gleichen Ausbildungsmöglichkeiten wie dem Mann für den Ingenieurberuf. Nach den Feststellungen des letzten Vierteljahrs 1916 wurden in England Frauen beschäftigt: in Munitionswerken 400000, in Marine- und Heeresverwaltung 200000, im Transportwesen 50000, in Schreibstuben 100000, in der Eisenindustrie 60000, im Gastwirtschaftsbetriebe 40000, in Nahrungsmittelgesellschaften 80000, in der Landwirtschaft 85 000, im graphischen Gewerbe 10000,
vor dem holländisch- skandinavischen Friedenskomitee in Stockholm gehalten hat. Unsere deutsche Delegation war nicht nach Stockholm gegangen, um sich dort vor irgendeinem internationalen sozialisti schen Gerichtshof zu verantworten, sie hielt dort eine allgemeine Untersuchung der Schuldfrage am Kriege nicht für notwendig und zeitgemäß, ihr war es viel mehr als um ein Herumstöbern in der düsteren Vergangenheit um die Schaffung einer helleren Zukunft, um praktische Arbeit für den Frieden zu tun. Als aber das holländisch- skandinavische Friedenskomitee großen Wert auf eine Darlegung der deutschen Genossen über ihre Ansichten über die Schuldfrage legte, sträubten sich unsere Genossen in dem ruhigen Bewußtsein, jederzeit ihre Schuldigkeit getan zu haben, nicht lange, sie beauftragten den Genossen David damit, die deutsche Antwort zu formulieren.
David hat das in einer geradezu glänzenden und anerkennenswerten Weise getan. Er hat das gesamte umfangreiche Material über die Schuldfrage, also die imperialistischen Grundursachen des Krieges, die diplomatische Vorgeschichte, die unmittelbaren Ursachen für den Ausbruch des Krieges, in einer ebenso knappen wie übersichtlichen und klar gegliederten Weise zusammengestellt und mit so unwiderleglicher Logit aneinander und ineinandergefügt, daß es jeden Ententesozialisten zur Besinnung bringen müßte, wenn er es vor die Augen bekäme. Aber daran gerade fehlt es ja leider! Es ist bedauerlich und unerhört zugleich, daß sich die Sozialisten im feindlichen Ausland selber die Augen verbinden oder sie sich doch von ihren Regierungen ohne viel Widerstand verbinden lassen, damit sie die Wahrheit nicht zu sehen brauchen. Das zeigt erst wieder ihr Verhalten in der Stockholmer Frage.
Jeder Genossin, die sich über die eigentlichen Ursachen und Urheber des Krieges noch nicht klar sein sollte, empfehlen wir dringend die Lektüre des Davidschen Buches. Sie wird daraus die erwünschte Aufklärung erfahren, und zugleich wird es in ihr die leider immer noch so bitter notwendige innere Widerstandskraft im Ertragen der schweren Nöte des Krieges stärken, wenn ihr unzweideutig bewiesen wird, daß Deutschland nicht die Schuld, ganz gewiß nicht die Hauptschuld am Kriege und noch weniger die Schuld an seiner entsetzlichen Verlängerung trägt.
hs.