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Die Gleichheit
Anweisungen an die überwachenden Polizeibeamten noch darüber hinaus, so daß es fast überall vorkam, daß die Redner in den Versammlungen wiederholt in ihren Ausführungen unterbrochen und mit Auflösung der Versammlung bedroht wurden, wenn nicht jede politische Erörterung streng vermieden würde. Fast überall wurden anwesende Militärpersonen, trotzdem die Versammlungen selbst nur zu wirtschaftlichen Zweden genehmigt waren, ausgewiesen oder aufgeschrieben. In mehreren Versammlungen, ganz besonders in dem Streisstädtchen Guhrau , wurden sogar alle anwesenden Männer ausgewiesen. Jugendliche Personen wurden in allen Versammlungen nicht geduldet. Der Besuch der Versammlungen war trotz dieser Hindernisse( oder gerade deshalb?) mit geringen Ausnahmen ein äußerst starker. Die Begründung liegt größtenteils daran, daß die meisten der schlesischen Landräte mit ihren Kreisausschüssen statt der vom Bundesrat in Aussicht gestellten 5 Mf. Erhöhung zur Wehrunterstüßung meistens nur 1 Mf. pro Stopf bewilligten. Eine förmliche Sintflut von Beschwerden der Frauen und Angehörigen der im Felde stehenden Krieger ging in den Bersammlungen nieder. Der Genosse Scholich nahm Veranlassung, an 25 schlesische Landräte eine eingehende wohlbegründete Mahnung zu richten. Bei dem größten Teile blieb die Wirkung dieses und noch weiter folgenden Schreiben nicht aus. In vielen Fällen wurde die Wehrunterstüßung daraufhin auf 3, 5 und in einem Kreise( Liegnit) sogar bis auf 7 Mt. erhöht. In vielen anderen Streisen war aber alles vergeblich, ja, die Schreiben blieben teilweise völlig unbeantwortet. Der Erfolg der VersammJungen war unter diesen Umständen auch ein ganz überraschender. Die anwesenden Frauen und Mädchen drängten sich, um in die Bartei aufgenommen zu werden. In zwanzig Frauenversammlungen, die bis Anfang Januar stattgefunden haben, und in denen die Genossin Berta Lawatsch und die Genossen Neukirch und Scholich redeten, wurden 1015 nene Mitglieder, meistens weibliche, aufgenommen.
* Danzig . Am Dienstag, den 22. Januar, fand hier eine von Männern und Frauen gleich start besuchte Versammlung statt. Genoffin Juchacz behandelte das Thema:„ Friedenshoffnungen und Friedenswünsche der deutschen Frauen". Da die Behörden leider die freie Aussprache verboten hatten, nahm die Versammlung folgende kurze Entschließung an:„ Die Versammlung stimmt den Ausführungen der Referentin zu. Sie lehnt die Politik der Vaterlandspartei ab und verlangt erneut einen baldigen Frieden der Verständigung." Ungefähr 50 neue Mitglieder meldeten sich zum Eintritt in die Partei.
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Stiefel so hoch, als zu der Zeit, wo die Stoffnot und der LederDie Berliner B. Z. mangel aufs empfindlichste eingesetzt hatten. am Mittag" berichtet über eine Ausstellung von Frühjahrsmoden im Hotel Bristol. Die hübschen, eigenartigen Stostüme und Kleider" feien zum größten Teil noch aus Wollstoff". Wohlgemerkt für das Frühjahr, wogegen das schaffende Volt im Winter Papiergewebe tragen durfte. Es kündige sich deutlich eine neue, höchst reizvolle Modelinie"( also doch eine Errungenschaft!) an, die schon mehr den Störperformen nachgibt, ohne das Bequeme und Zwanglose ganz vermissen zu lassen. Das sei bei dem Kleide„ Leidenschaft" besonders tünstlerisch durchgeführt. Ein anderes Kleid trägt den Namen„ Flitterwochen", ein drittes den Namen„ Garten der Jugend"( womit nicht etwa ein Heldenfriedhof gemeint ist), ein viertes führt den für die ganze Veranstaltung durchaus bezeichnenden Namen„ Zufrieden heit".
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Die ,, Austern" der Proletarier. Wer kennt nicht die kleinen Schaltiere, die man jetzt leider so selten in den Schaufenstern der Fischgeschäfte zu sehen bekommt? Die Hausfrauen, die nicht die nähere Vekanntschaft mit diesen äußerlich so schmutzigen, unansehnlichen Tierchen gemacht haben, wenden sich gewöhnlich mit Schaudern ab. Ich will nicht verhehlen, daß ich anfänglich auch zu diesen gehörte. Nachdem ich aber den Muscheln erst den richtigen Geschmack abgewonnen hatte, spähe ich sehnsüchtig nach ihnen aus. Für diejenigen Hausfrauen, die sich noch nicht mit den„ Prole= tarieraustern" befreunden konnten, diene nachfolgendes zur Erklärung. Man lasse sich nicht durch das rauhe, schmußige Außere abschrecken. Wie bei manchem Menschen hinter der rauhen Schale ein guter Kern verborgen ist, so trifft es auch bei der Muschel zu.
Es soll nicht verschwiegen werden, daß man die Schalen erst tüchtig bürsten und frazzen muß. Das ist keine kleine Arbeit. Aber sie lohnt sich beim Essen. Hat man die Schalen gründlich gesäubert, am besten mit der Bürste und mit einem Messer nachpuzen, dann spült man die Muscheln tüchtig auf einem Durchschlag, mit faltem Wasser natürlich, ab. Die so tüchtig abgewaschenen Muscheln werden in ein wenig kochendes Wasser getan. Der Boden darf höchstens einen Zentimeter hoch mit Wasser bedeckt sein. Hat man ein Stückchen
Nr. 10
Elsterberg i. V. Jn einer am 4. Dezember v. J. stattgefundenen überaus zahlreich besuchten Frauenversammlung, in der Genosse Meier( Zwickau ) über„ Kriegsunterstügung und Hinterbliebenenrenten" sprach, wurden in der dem Vortrag folgenden Aussprache ganz krasse Übelstände vorgetragen. Besonders befremdete die Mitteilung, daß die Kriegsunterstützung geteilt zur Auszahlung komme. So werde am 1. und 15. des Monats die Reichsunterstüßung und am 8. und 24. jedes Monats die Kriegshilfe( lies: Bezirksunterstüßung, städtischer Zuschuß und Arbeitslosenunterstügung) ausgezahlt. Die Ursache sei darin zu suchen, daß die Stadtbehörde der Auffassung sei, man dürfe den Kriegerfrauen soviel Geld auf einmal nicht in die Hände geben(!), weil sie sonst nicht auskomment würden. Mit Recht wurde diese ganz unverständliche Maßnahme kritisiert, die eine Beleidigung der Kriegerfrauen bedeute. Desgleichen wurde verlangt, daß die Ungleichheiten bei der Bemessung der Kriegshilfe und der Arbeitslosenunterstügung beseitigt würden. Ferner wurde lebhaft Stlage geführt, daß in ganz eigenartiger Weise den Frauen, die notgedrungen auf Arbeit gehen müssen, die Unterstützungen ganz erheblich gekürzt, zum Teil ganz entzogen werden. Der Referent bemerkte, daß wohl in den meisten Lieferungsverbänden Abzüge erfolgten, sobald die Frauen ein bestimmtes Arbeitseinfom men haben, aber derartige von kleinlichsten Gesichtspunkten ausgehende Behandlung der Unterstügungsabzüge sei ihm bisher nicht bekannt geworden und verdiene die schärfste Verurteilung. Die Bersammlung nahm einstimmig eine Resolution an, in der der Lieferungsverband der Amtshauptmannschaft Plauen und der Stadtrat zu Elsterberg ersucht werden, die unhaltbaren Zustände zu ändern. Als eine weitere öffentliche Frauenversammlung für Mittwoch, den 16. Januar, einberufen war, ließ der Stadtrat zu Elsterberg unserem Bezirkssekretär, Genossen Meier( 3wvidau), mitteilen, er möchte sich zweds einer Aussprache einige Zeit vor der Frauenversammlung bei ihm einfinden. Genosse Meier fam dem Verlangen nach. In der nachmittags mit dem Bürgermeister stattgefundenen Verhandlung, an der später noch drei Elsterberger Genoffinnen teilnahmen, wurde Einverständnis dahin erzielt, daß die Ungleichheiten bei Bemessung der Zuschüsse zur Reichsunterstügung beseitigt werden; die Zuschüsse werden nur noch aus der Kriegshilfe gewährt. Die Arbeitslosenunterstüßung fällt weg. Bei der Festsetzung der Unterstützung wird der wöchentliche Arbeitsverdienst bis zu 10 Mt. nicht, vom Arbeitsverdienst über 10 Mt. pro Woche nur die Hälfte in Anrechnung gebracht. Da den zahlreich auf Arbeit gehenden Kriegerfrauen bisher 50 Prozent angerechnet wurden, bedeutet die NeuregeButter oder ein wenig Milch zum Zutun, so wird die Suppe dadurch natürlich noch schmackhafter. Salz, Pfeffer und Zwiebeln dürfen nicht fehlen. Es ist nur so wenig Wasser nötig, weil die Muschelit beim Kochen sich öffnen und sehr viel Saft ausströmen.
Im allgemeinen werden die Muscheln mit den Schalen auf den Tisch gebracht. Es ist aber empfehlenswert, die Schalen in der Küche schon zu entfernen und die Muscheln in einer Tunke zu servieren. Dazu nimmt man von der Muschelbrühe, bräunt ein wenig Mehl, gibt etwas Essig, Kapern, Senf oder Mostrich dazu, alles nach Geschmack. Die Hausfrau hat durch das Entschalen allerdings noch etwas mehr Arbeit. Das Essen ist aber auf diese Art noch bequemer. Berta Marckwald.
Gedankensplitter.
Der Mann geht dahin mit klirrenden Sporen. Er preist das Selbentum des blutigen Schlachtfeldes und baut ihm Denkmäler von Stein und Eisen. Wo aber ist, so frage ich, der Marmorstein, aufgerichtet den Millionen und aber Millionen Märtyrerinnen des Wochenbettes? Ich sah ihn nie und nirgends.
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Die Krone der Männerherrschaft ist der§ 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuches:„ Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als verwandt." Es gehört der ganze Mut höchster moralischer Berkommenheit dazu, bei solcher Gesetzgeberei nicht vor sich selber zu erröten.
O Weib, du legtest dein Schicksal in die Band des Mannes, die hart ist und mit Blut befleckt. Darum wurde dein Weg ein Dornenpfad. Ich aber fage dir: Lege dein Schicksal in deine eigene Hand, die weich und milde und menschlich ist, und eine neue Sonne wird über deinem Dasein strahlen.
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Der Mann gebärt Gedanken das Weib gebärt eine MenschAlfred Möglich. heit.