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Die Gleichheit

beamtinnen. Der Wiener Gemeinderat hatte drei Vertreter entsandt, die sich alle rückhaltlos für das Frauenstimmrecht aussprachen.

Das ereignete sich zu ungefähr derselben Zeit, als man im Preußi­schen Landtag jede derartige Anregung wie eine ganz weithergeholte und widersinnige Zumutung abtun zu müssen glaubte.

Ein ukrainischer Frauenkongreß in Kiew . Auf dem ersten ukrainischen in Stiew foeben abgehaltenen Frauenkongreß wurden unter anderem die folgenden Beschlüsse gefaßt: 1. Die Versammlung der ukrainischen Frauenorganisationen verlangt eine demokratische Herrschaft über die ukrainische Republik. 2. Die Versammlung ist der Überzeugung, daß der Wille des Volkes nur durch die ukrainische Nationalversammlung zum Ausdruck gebracht werden kann. 3. Die Bersammlung fordert von der republikanischen Regierung die Durch­führung des Selbstbestimmungsrechts für die kleineren, die Ukraine bewohnenden Völker. Die Versammlung wünscht mit anderen Na­tionen im besten Einvernehmen zu leben, soweit sie den Interessen der Ukraine nicht schaden werden. 4. Die Versammlung fordert die Aufhebung der Vormundschaft über Witwen und Kinder, da diese die Würde der Frau in den Augen der Kinder erniedrigt. 5. Die Versammlung fordert die ganze Bevölkerung auf, sich der schwan­geren Frau anzunehmen, sie zu schüßen und vor anstrengender Ar­beit zu bewahren, da die Folgen sowohl für die Frau wie für die Nachkommenschaft nachteilig find. Zum Schluß hat die Versammlung verschiedene Beschlüsse über den Stampf gegen die Geschlechtstraut heiten angenommen.

Kleine Mitteilungen. In Sofia ist die erste Nummer eines von Fran Anna Karina herausgegebenen neuen Wochenblattes Bol­ garia "( Die Bulgarin) erschienen, das besonders für das Frauen­wahlrecht in Gemeinde und Staat eintritt. Dem Kabinett des Unterstaatssekretärs der Finanzen in Frankreich ist Fräulein Jeanne Tardy beigeordnet worden. Mit ihr tritt zum erstenmal eine Frau in ein französisches Ministerium. Wie bereits gemeldet, hat das englische Oberhaus grundsäglich der Frauenstimm rechtsvorlage mit 143 gegen 69 Stimmen zugestimmt. Die De­batte dauerte zwei Tage. Lord Landsdowne und Lord Loreburne

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Amt berufen wurde. Vor kurzem ist in Schweden ein konserva­tiver Frauenstimmrechtsverein gegründet worden, was inso­weit bemerkenswert ist, als in Schweden das Frauenstimmrecht vor­wiegend als Parteisache der Liberalen und Sozialisten betrachtet und behandelt und von den Konservativen geschlossen bekämpft wurde. In der in der vorigen Woche in Stockholm stattgehabten Jahresversammlung des Zentralvorstandes des Vereins für poli­tisches Wahlrecht der Frauen Schwedens " wurde berichtet, daß dem in diesem Monat zusammentretenden Reichstag eine Regierungs­vorlage über das Wahlrecht der Frauen zugehen wird. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat die Gesegesvorlage zur Einführung des Frauenstimmrechts mit 272 gegen 136 Stim­men, also genau mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, ange­nommen. Da im Senat die erforderliche Mehrheit schon vorher vor­handen war, so ist nunmehr außer den mit New York 20 Staaten, die es bereits besitzen, das Frauenstimmrecht mit einem Schlage auch in den noch rückständigen 27 Staaten ein­geführt, die politische Befreiung der Frauen also in der ganzen Union Tatsache geworden. In Südaustralien sind fürzlich weitere 14 Frauen zu den bisher schon vorhandenen weib­lichen Friedensrichtern ernannt worden, weist für die staatlichen Jugendgerichtshöfe. Doch wird auch ihre Tätigkeit in den besonderen Fällen, die Frauen betreffen, hervorgehoben.- Zu den Mitgliedern der zur Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Brest - Litowst versammelten Deputation gehörte auch eine Frau: A. A. Biacenko.- Die ersten weiblichen Stadträte im Ottupationsgebiet Polen wurden vor kurzem in Grodno auf Grund der den Polen verliehenen Selbstverwaltung gewählt. Nachdem die englische Wahlgesetreform minmehr auch den Frauen das Stimmrecht zugebilligt hat, sind die Engländerinnen dazu übergegangen, die Errichtung eines neuen Ministeriums zu fordern, das lediglich aus Frauen zusammen­gesetzt sein soll, und in dem alle die Angelegenheiten behandelt werden sollen, die Frauenarbeit und Frauen- sowie Kinderwohlfahrt betreffen.

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ſprachen sich gegen das Frauenftimmrecht aus. Andere Gegner der Kapitalabfindungsgesetz und Kriegerwitwen.

Vorlage gaben, wie sie erklärten, ihre ablehnende Haltung auf, weil fie ernste Konflikte mit dem Unterhaus befürchteten.- Frau Augusta Westerberg ist zum Rektor eines Lehrerinnenseminars in Kalmar in Schweden ernannt worden. Das Ereignis wird nicht mur als bedeutsam für die Erziehungssache, sondern auch für die Frauen bewegung angesehen, da es das erstemal ist, daß eine Frau zu diesem suchen in der kleinen Heimat die Schönheit. Und finden Sie. Schon mit vierzehn Jahren schreibt der Jüngling bunte Plaudereien für Provinzblätter, und allmählich, indem er alle Leiden und Freuden des freien Schriftstellertums kennenlernt, wird er fleißiger Mit­arbeiter der großen Tageszeitungen und Zeitschriften. Entzückende wunderliebe Märchenbücher rinnen aus seiner Feder. Lauter Seele, lauter Gold!

Und nun seine Bücher: Nichts Schöneres, wenn es draußen schneit und stürmt, gibt es, als so ein liebes kleines Buch von May Jung­nickel, wo alles so hübsch eingepackt ist in blühenden Sonnenschein. Von welchen Büchern läßt sich das noch sagen? Wie ein Freund möchte ich von diesen Büchern erzählen; denn sie sind mir so trant geworden, und ich könnte nicht vor ihnen bestehen, wenn ich als Stritifer zu ihnen käme. Nein, dazu sind diese Bücher zu schade. Einen Dichter wie Mag Jungnickel muß man erleben, denn er ist ein Eigener, ein Dichter, der das Kleine, Unbeachtete liebfost mit zarten weichen Händen wie ein liebedürftend Kind. Ach- und wie fein tut er das! Er hat eigene tiefe Worte, träumerisch- süß wie schmeichelnde Frauen. Etwas Neues ist in dieser heimlich neckischen Sprache von der zwingenden Kraft der Heineschen Prosa. Ja, ein Teil von Heine schlummiert überhaupt in diesem Märchendichter, wenigstens das Zarte hat er von ihm und die Neigung zur felig­vergessenden Träumerei nicht minder. Jungnickels Lieblingsdichter find Andersen und Jens Peter Jacobsen , und auch in dem Be­fenntnis hierzu kennzeichnet sich seine Art, die Welt dichterisch zu gestalten. Gar manches hat er von seinen Vorbildern gelernt, von Andersen die Kunst der Verlebendigung alles Leblosen und von Jacobsen die große Meisterschaft der Wortschöpfung; aber vieles ist auch ursprünglich und wurzelecht aus seinen eigenen Tiefen ge­wachsen, das sonst keinen anderen Vergleich zuläßt als den: es ist Mag Jungnidel.

Da ist Das lachende Soldatenbuch mit der Denkerstirne". Kleine prächtige Skizzen, im Felde geschrieben. Es sind Gedichte in Prosa, wie sie ähnlich, wenn auch aus anderem Stoff gewebt, nur noch einer geschaffen hat: Cäsar Flaischlen . Eine kleine Probe schon zeigt seine starte Begabung:

In weiten Kreisen des Volkes besteht die Auffassung, daß Kriegerwitwen bei ihrer Wiederverheiratung auf Grund des Na­pitalabfindungsgesetzes abgefunden werden können. Diese Mei­nung ist irrig. Das Gesetz wird mit den Bestimmungen der Un­fallversicherung verwechselt, nach denen die Witwe nach ihrer

,, Und wir singen, und wir fingen und singen.

An meinen Stiefeln tleben zertretene Blumentöpfchen. In meinem Tornister neben meiner Konservenbüchse und einer Schuhbürste liegt eine Puppe, eine blonde, zottelhaarige Puppe; die Kinderpuppe meiner Frau. Als ich auszog, hat sie mit Tränen und leisem Singen der Puppe ein neues Kleid genäht.

Und wir singen, und wir singen und singen. Und hinter mir, auf meinem Rücken, singt's ganz leise, ganz weh wie eine weinende Fabel.

Und wir ziehen hinaus, irgendwohin, irgendwohin.

Und die Kinderpuppe meiner Frau liegt in meinem Tornister." Was spricht aus diesen einfachen, schlichten und doch so tiefen Empfindungen für ein Mensch? Draußen tobt die Schlacht, ein Meer von Eisen und Feuer, und ein Dichter- denkt an die Kinder­puppe seiner Frau. Darin zeigt sich die menschliche und zugleich die dichterische Größe Mar Jungnickels, daß er nicht, wie viele andere, dem Taumel der Meinungen über die Zweckmäßigkeit des Krieges erlegen ist, sondern daß sich sein besseres Teil in ihm auflehnt gegen dessen Sinnlosigkeit. Nicht mit lauter philosophischer Kritik behan­delt er solche allgemein- menschlichen Fragen, nein, die Stritik ist bereits sein Erlebnis:

" Irgendwo steht ein Häuschen und ein Gartenzaun und Blumen, viele Blumen.

Eine Lerche trägt mit ihrem Lied das Häuschen und den Gartenzaun und die Blumen durch verzauberte Märchen. Ob es dieselbe Lerche ist, die überm Exerzierplay fliegt? Ob es dieselbe Lerche ist? Linksum! Ab- tei- lung marsch! Ob es dieselbe Lerche ist?"

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Und solche Stellen findet man im Lachenden Soldatenbuch gar viele. Da lachen ihn die Gänseblümchen aus, weil er wie ein Stock. im Grase liegt, den Helm in die Stirn gedrückt, das Gewehr im Anschlag, und fragen ihn: Warum wirfst du denn deinen Hut nicht