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Die Gleichheit
Nr. 15
Jm Arbeitskittel viele Tausend Sie sitzen, stehn zumal,
Und ihr Gemurmel füllet brausend Den Riesensaal.
In all den Sprachen, in den Zungen Der Weltnationen dort
Dem toten Kämpfer ist erklungen Ein Abschiedswort.
1883.
Sein Name, wo Maschinen schwirren Bei uns in Stadt und Land, Die Fenster der fabrik erklirren, Wird heut genannt!"
Der Russe:„ Wo Despoten thronen Bei uns durch Graus und Nacht, An ihrer Kette zerrn Millionen, Wird sein gedacht!"
Der Brite sprach:„ Geliebt in Hütten, Der Franke:„ Wie ein Weltbefreier Gefürchtet im Palast,
Hat er gelebt, gewirkt, gestritten Ohn' Haft und Rast.
Von Völkerhaß und Krieg
Focht er, und diese Totenfeier Bürgt uns den Sieg!"
Er hat für unsern Kampf auf Erden
Ein scharfes Schwert verliehn, Daß eine neue Welt soll werden; Drum ehret ihn!
Der Deutsche Sprach:„ Jn Liebe wollen Wir vor den andern heut
Dem Denker wie dem Kämpfer zollen Ein Grabgeläut.
Denn wie einst neu die Himmelskunde Kopernikus erschuf,
Dem Wissen scholl aus seinem Munde Ein Werderuf.
Dem Wissen von des Volkes Leiden Und von der Arbeit Qual.
Der Götze schon liegt im Verscheiden: Das Kapital!
Noch gab uns ein Geschenk kein Spender Dem Donnerrorte gleich: Jhr Proletarier aller Länder, Vereinigt euch!"
Leopold Jacobij.
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gegriffen und untergraben. In all den Jahrzehnten des Elends war seine Frau Jenny, eine geborene von Westphalen, seine stärkste und treueste Stüße. Sie war nicht nur eine feingebildete, sondern auch hochgemute, starke und freie Persönlich
feit, die die Kämpfe und die Arbeiten ihres Mannes mit vollem Verständnis verfolgte, mit glühender Seele an ihnen teilnahm und mit Standhaftigkeit das furchtbare Schicksal ertrug, daß drei ihrer Kinder dem endlosen Elend frühzeitig zum Opfer fielen.
Unter solchen fürchterlichen Verhältnissen hat Mary seine Leistung vollbracht und die unverlierbaren Grundlagen für den Aufstieg des Proletariats gelegt. Wenn wir aber das grauenhafte Elend unserer Tage überstehen in der festen Erkenntnis, daß es den Aufstieg der großen arbeitenden Masse nicht verhindern kann, wenn wir gewöhnt sind, in dem Elend von heute die Bedingungen für eine bessere Zukunft zu erblicken, so verdanken wir das an erster Stelle dem Wirken von Karl Mary. Dr. Paul Lensch .
Jenny Mary.
In diesen Tagen, wo weit über die Arbeiterkreise hinaus das Gedächtnis an Karl Marg gefeiert wird, des großen Gelehrten, des Verfaffers des Kommunistischen Manifests und des„ Kapitals", des Gründers der Internationalen Arbeiterassoziation , ist es wohl für die Frauen von besonderem Interesse, etwas über die Lebensgefährtin dieses genialen Mannes zu erfahren. Hohe Ansprüche hat Mary gewiß an die Frau seiner Wahl gestellt, er, der den Tiefstand der bürgerlichen Ehe im Kommunistischen Manifest so scharf gegeißelt hat:„ Der Bourgeois sieht in seiner Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört, daß die Produktionsinstrumente gemeinschaft lich ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich nichts anderes denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen wird. Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt, die Stellung der Weiber als bloßes Produktionsinstrument aufzuheben."
Die Ehe von Karl und Jenny Mary ist der schlagendste Beweis dafür, daß Menschen glüdlich miteinander sein können, sie mögen von noch so verschiedener Rasse, Herkunft, Familie sein, wenn nur das gleiche Streben nach Idealen, nach Freiheit sie erfüllt. Und glücklich waren sie trotz aller schweren Prüfungen, die ihnen das
Schicksal auferlegte.„ Das Flüchtlingselend in seiner schärfsten Form hat für Mary und seine Familie jahrelang gedauert. Es wird wenig Flüchtlinge gegeben haben, die mehr zu leiden hatten.... JahrePfund Sterling( 20 Mart), das Mary wöchentlich für seine Artikel und da war das Schlimmste schon vorüber
lang
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bildete das
an die, New York Tribune ' gezahlt wurde, die einzig sichere Einnahmequelle," schreibt W. Liebknecht in seinen Erinnerungen an Marr. An einer anderen Stelle teilt er mit, daß der schlechtestbezahlte Taglöhner in Deutschland in vierzig Jahren mehr an Lohn bezogen hat als Marg an Honorar für das Kapital", eine der größten wissenschaftlichen Schöpfungen seines Jahrhunderts, an der er vierzig Jahre lang gearbeitet hat und wie gearbeitet!"
Es war der Frau, die in so schwerer Zeit so tapfer durchgehalten hat, nicht an der Wiege gesungen, daß sie den Hunger in seiner furchtbarsten Bedeutung kennenlernen sollte. Jenny von Westphalen , „ das geliebte Weib von Karl Marg", wie es in der Grabschrift heißt, stammte aus einer vornehmen begüterten Familie. Ihr Groß bater war der geniale Generalstabschef des Prinzen Ferdinand von Braunschweig im Siebenjährigen Krieg. Ihre Großmutter entstammie einer berühmten schottischen Adelsfamilie. Jennys Vater, dem Mary als bem väterlichen Freund seiner Jugend und dem Vater seiner Braut seine Doktordissertation gewidmet hat, lebte als Regierungsrat in Trier , und Karl Mary tam schon als Kind zu seinen Söhnen und seiner Tochter. Während er bei seinem Vater, der als„ richtiger Franzose des achtzehnten Jahrhunderts" Voltaire und Racine aus wendig kannte, die Bekanntschaft der französischen Philosophen machte, lernte er bei seinem späteren Schwiegervater die Werke Homers und Shakespeares kennen, die der alte Baron von Westphalen zum großen Teil auswendig vortragen konnte.
Aus der Kinderfreundschaft wurde Liebe. Als achtzehnjähriger Student nach zwei lustigen Semestern verlobte sich Mary mit der reichbegabten um vier Jahre älteren Jenny, dem schönsten Mädchen von Trier ", der Tochter und Schwester hochgestellter Beamten.( Einer ihrer Brüder wurde später preußischer Minister.) Seine Eltern gaben die Einwilligung mit der„ Gutmütigkeit wahrer Romaneltern". Die Eltern der Braut erfuhren erst später von der Verlobung, aber im Gegensatz zu vielen spießbürgerlichen Eltern, die ihre Tochter wegen dieses Schrittes wohl getadelt, wenn nicht verstoßen hätten, billigten sie den Herzensbund mit Marx , dessen glänzende Entwicklung sie von frühester Jugend an verfolgt hatten.„ Die Braut bewährte von Anbeginn die seltenen Eigenschaften des Herzens und des Kopfes, die sie all ihr Lebtag auszeichnen sollten," schreibt Mehring. Er weist auf die Dornen hin, die das Verhältnis der Braut eines um