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Die Gleichheit

tigen. So führte der nationalliberale Abgeordnete v an Calker, ein bekannter Universitätsprofessor und Vorsitzen­der des Bevölkerungsausschusses des Reichstags, aus:

Meine Herren, die Frauenfrage ist vom Herrn Kollegen Schulz gleichfalls gestreift worden. Auch hier möchte ich selbstver­ständlich nicht mich mit dieser Frage des näheren und im einzelnen beschäftigen. Aber folgendes soll doch gesagt werden. Ich weiche hier in manchem, vielleicht in manchem Prinzipiellen von dem Kollegen Schulz ab. Auch ich bin der Meinung, daß die Frau in feiner Zeit so bewiesen hat, was sie leisten kann( Sehr richtig!), wie gerade in diesen Kriegsjahren, und dankbar wird jeder Deutsche  heute der deutschen   Frau gedenken, die uns geholfen hat, diesen Krieg zu gewinnen.( Bravo   und sehr richtig!) Deshalb ist es ganz zweifellos, daß wir die Frau in alle Organisationen hineinbringen müssen, wo sie in der Lage ist, ihre Er­fahrungen und auch ihre persönlichen Anschauungen zum Aus­druck zu bringen und ihnen in der Gesetzgebung Geltung zu ver­schaffen. Aber, meine Herren, vor allem eins hat doch diese Zeit gelehrt, etwas, was gelegentlich tatsächlich auch von den Frauen fast vergessen worden ist: die Wichtigkeit und die Bedeutung der Haushaltung.( Zustimmung.) Wäre die Frau heute nicht mit der ihr eigenen wundervollen Fähigkeit und Energie, für manche Fälle muß man sagen, dazu zurückgekehrt, im Hause tätig zu sein und ihren Haushalt und was damit zusammenhängt in allererster Linie zu betonen und zu betreiben, dann würden wir heute nicht in der Lage sein, das zu leisten, was Deutschland   leisten muß. Das wollen wir heute nicht vergessen!... In einem Punkte bin ich nicht ganz einverstanden mit dem Herrn Kollegen Schulz und auch nicht ganz mit manchen Bestrebungen, die heute in weiten Kreisen unseres Vaterlandes vorhanden sind. Ich glaube, daß die Beziehung der Frauen zu den politischen Kör perschaften im eigentlichen Sinne, also zu den Landtagen und zum Reichstag, von unserer heutigen Zeit nicht gefordert wird und daß die Aufgaben, die wir auf anderen Gebieten der Frauen­entwicklung zu lösen haben, so vordringliche sind, daß wir jene erstere Frage einstweilen mit Fug zurückstellen können.( Buruf des Abgeordneten Schulz: Dazu ist das Frauenwahlrecht die erste Vorbedingung! Red.) Siz und Stimme im Parlament sind nicht die notwendige Vorbedingung, lieber Herr Kollege, das ist meine Überzeugung; denn wir sehen ja heute, wie die Frau wirken fann. Daß wir ihr eine immer größere Wirkungsmöglichkeit geben, da­mit bin ich durchaus einverstanden, aber ich bin gegen eine Betei­ligung der Frau an den politischen Körperschaften für heute. Auch hier, glaube ich, wird einst die Zeit kommen, wo es eine politische Notwendigkeit sein wird, daß wir die Frau zuziehen. Aber ich bestreite, daß dieser Zeitpunkt heute für uns gegeben ist." Zu den Ausführungen des Genossen Schulz über den Ge­fezentivurf gegen die Verhinderung der Geburten bemerkte Herr van Calfer:

Herr Kollege Schulz hat den Entwurf abgelehnt, den wir mor­gen in erster Lesung zur Beratung beginnen, den Entwurf gegen die Verhinderung von Geburten. Ich bedaure das, und ich hoffe doch, daß es, trotz dieser zunächst ablehnenden Stellung der So­zialdemokratie, möglich sein wird, den Entwurf in der Kommission und hier zur Verabschiedung zu bringen. Ich würde Herrn Kol­legen Schulz beistimmen, wenn etwa der Entwurf wirklich den 8wed hätte, wie gelegentlich gesagt worden ist, einen Geburten­zwang herbeizuführen. Das ist ganz gewiß abzulehnen. Aber darum handelt es sich nicht; es handelt sich darum, den Anreiz, der zur Verhinderung von Geburten heute gegeben wird, zu ver­meiden, und ich meine, da kann auch Herr Kollege Schulz, der sonst ja durchaus auf diesem Wege mit uns geht, hier beistimmen. Ich bin überzeugt: wir müssen hier noch viel weiter gehen, müssen uns in viel stärkerer Weise bewußt werden, was wir hier gesez­geberisch tun können; aber der Grundgedanke des Entwurfs scheint mir außerordentlich berechtigt zu sein."

Der Staatssekretär des Innern Dr. Wallraf äußerte sich gleichfalls zur Frauenfrage:

" Die Frauenfrage bewegt einen großen Teil unserer Frauen welt, und auch zu ihr möchte ich zum Schluß einige Worte sagen. Was die deutschen Frauen im Kriege geleistet haben, ist höchst en Lobes und des wärmsten Dantes des Vaterlan­des wert. Sie haben und das lag ja im innersten eigenen Wesen der Frau unsere Verwundeten gepflegt, unsere Kranken mit zu heilen gesucht, sie haben daheim für Heer und Heimat vier Jahre hindurch unermüdlich gesorgt. Daneben haben sie und

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das war das Neue

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im öffentlichen, gewerblichen und landwirt­schaftlichen Leben die verwaisten Stellen der Männer mit Aus­dauer und einem solchen Erfolg ausgefüllt, daß sicherlich manches alte Vorurteil über die Grenzen der weiblichen Kraft geschwunden ist. Aber ich glaube, meine Herren, die meisten dieser Frauen wer­den den Tag segnen, der sie dem häuslichen Herde zurückgibt. ( Sehr richtig!) Auch am häuslichen Herde warten ihrer große Aufgaben; denn, meine Herren, nicht nur politisch und nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch steht uns eine schwere über­gangszeit bevor.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die lange Kriegszeit mit ihrer Härte kann nicht spurlos an der Män­nerwelt da draußen vorübergegangen sein.( Bustimmung.) Und unsere Heranwachsende Jugend wird mehr denn je zuvor der Sorge der Mutter bedürfen. Und nun, meine Herren, ist es sehr zweifelhaft, ob gerade diese Beit geeignet ist, die Bahn weit und frei zum Eingang in das öffentliche Leben für die Frauen zu öffnen. Die Meinungen darüber gehen ja in der Frauenwelt selbst sehr aus­einander. Fürst Bismard hat einmal gesagt: In der häuslichen Tradition der deutschen   Mutter, der deutschen   Frau erblicke ich eine festere Bürgschaft für die politische Zukunft unseres Volkes als in irgendeiner Bastion unserer Festungen. Meine Herren, ich verkenne nicht: die Frauen haben den Befähigungsnach= weis auf vielen Gebieten, die ihnen bisher fern= lagen, erbracht; aber sie jetzt in diesen Zeitläuften in die volle Arena des politischen Lebens hineinzuziehen, halte ich für verfehlt.( Sehr wahr! im Zentrum und rechts.) So sehr manche Teile der Frauenwelt sich nach neuer Betätigung sehnen: die Wurzeln der fraulichen Kraft liegen in der Familie und im Hause( Lebhafte Zustimmung im Zentrum und rechts), und ge­rade in dieser Zeit werden wir solche gesunde Wurzeln nicht ge= fährden und nicht lockern wollen."( Lebhaftes Bravo im Zentrum und rechts.)

Von den Unabhängigen Sozialdemokraten nahm Kunert durch folgende Ausführungen zur Frauenfrage Stellung:

Der Herr Staatssekretär Wallraf sprach sich auch heute vor ein paar Stunden über die deutsche Frau aus. Es waren schöne, sehr anerkennende Worte für die entbehrende, die opferbereite, helfende Frau, die die unerhörtesten wirtschaftlichen und beruf­lichen Leistungen während des Krieges aufzuweisen gehabt hätte. Allein der Herr Staatssekretär wandte sich in demselben Atemzug gegen die politisierende, gegen die politisierte, Rechte beanspruchende Frau. Sie gehört nach dem Herrn Staatssekretär- nach der alten Schablone eben in die Familie, nicht in den öffentlichen, poli­tischen Kampf. Die Frau ist also politisches Objekt, nicht Subjekt, dem das gleiche Recht wie zum Beispiel auch das Wahlrecht nicht wie dem Manne in Gemeinde, Staat und Reich zusteht. Darin äußerte sich eine riesige Rückständigkeit. Die Frau hat sich vor dem Kriege, in und während der Kriegszeit bewährt, und sie wird sich auch nach dem Kriege bewähren. Kein Mensch zweifelt daran. Alle Rechte des Mannes gebühren

ihr einmal als Weib, andererseits als Mutter und endlich als Arbeiterin."( Sehr wahr! bei den Un­abhängigen Sozialdemokraten.)

Die übrigen Redner schwiegen sich dieses Mal noch aus. Es ist aber zu erwarten, daß mindestens durch die Redner der Sozialdemokratie auch bei den zukünftigen Etatsberatungen die Frauenfrage in ihrer grundsäßlichen und praktischen Be­deutung wieder zur Sprache gebracht werden wird, und daß sich dann auch die übrigen Parteien dazu äußern. Es ist das eine dringende Notwendigkeit. Denn die diesmaligen kurzen Erörterungen im Reichstag haben wieder dasselbe Bild ge­zeigt, das man schon aus Erörterungen an anderen Stellen fennt: liebenswürdige Worte für die Frauen, günstigsten Falls auch Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Pflichterfüllung, aber zurückhaltung und Ablehnung, sobald die Forderung er­hoben wird, daß man den Pflichten nunmehr auch die dazu­gehörigen Rechte an die Seite stellen möge.

Die Frauen aber müssen aus solcher Verkennung ihrer ele­mentarsten Rechte stets erneut die Schlußfolgerung ziehen, daß sie selber sich noch viel energischer als bisher rühren müssen, wenn sie Erfolg haben wollen. Ohne Kampf werden keine Rechte erworben.