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Die Gleichheit

teilnehmen am volkswirtschaftlichen Leben durch die Erwerbsarbeit und wie sie auch gleichzeitig unmittelbar mitwirken an der Erhal tung und Verteidigung des Landes. Millionen Frauen arbeiten in der Rüstungsindustrie, schmieden Waffen zur Fortführung des Kriegs, trotz schwerer seelischer Konflikte, in die sie durch ihre Tätigkeit ommen. Sie betätigen sich unter einem allgemeinen wirtschaftlichen Zwang. Tausende sind direkt im Dienst der Heeresverwaltung tätig bis in die Etappen. Ebenso arbeiten viele Frauen in der Kranken­pflege und im sozialen Dienst. Mit ihrer Hilfe werden die Kriegs­wunden geheilt, soweit dies irgend möglich ist. Die Frauen erfüllen die wichtigsten Staatsbürgerpflichten, man gebe ihnen daher auch Staatsbürgerrechte.

Rednerin erörterte ferner die Aufgaben der Sozialgesetzgebung zugunsten der arbeitenden Frauen. Auf diesem Gebiet lassen sich die großen sozialpolitischen Aufgaben ohne Mithilfe der Frauen nicht erfüllen. Eine straffe Organisation und ein zielbewußter Kampf find unerläßlich. Die Schlußfolgerung ist: die Frauen müssen hinein in die sozialdemokratische Partei, sie müssen die sozialdemokratische Tagespresse und die Gleichheit" lesen und sich dadurch schulen für den politischen Kampf.

Die Frau im Beruf

Weibliche Tischlerlehrlinge. Die Breslauer Tischlerzwangs innung hat sich mit der Frage beschäftigt, ob weibliche Personen als Lehrlinge ausgebildet werden sollen. Die Frau als Arbeiterin ist in den Breslauer Tischlereien keine seltene Erscheinung mehr, sie wird aber, wie das auch anderwärts üblich ist, nur als Teilarbei­terin beschäftigt. Nun will man weitergehen und weibliche Lehrlinge ausbilden. In der Innungsversammlung waren die Meinungen ge­teilt. Es traten eifrige Befürworter des Planes auf, während von anderer Seite Bedenken geäußert wurden unter Hervorhebung der physischen und sittlichen Seite der Frage. Schließlich wurde mit allen gegen eine Stimme beschlossen, dem Tischlerhandwerk auch weib­liche Lehrlinge zuzuführen.

Hierzu schreibt die Holzarbeiter- Zeitung": Unseres Wissens ist die Breslauer Tischlerinnung die erste, die sich für die Einstellung weiblicher Lehrlinge ausgesprochen hat. Vereinzelt mag es wohl da und dort weibliche Tischlergesellen geben, die eine regelrechte Lehr­zeit absolviert haben. Vermutlich wird das Breslauer Beispiel bald Nachahmung finden. Über die Gründe, die der Vorstand der Tischler­innung für seinen Vorschlag ins Feld geführt hat, ist uns nichts bekannt geworden, aber sie sind naheliegend. Man rechnet damit, daß es nach dem Striege und nach überwindung der ersten Schwierig­feiten der Übergangswirtschaft an Arbeitskräften fehlen wird, und möchte Vorsorge treffen. Der Großbetrieb befindet sich in dieser Hinsicht in einer besseren Lage. Bei der Arbeitsteilung, die voraus sichtlich künftig in noch stärkerem Maße eingeführt werden wird als seither, lassen sich auch ungelernte weibliche Arbeitskräfte verwenden. Wenn auch der Kleinbetrieb aus der weiblichen Arbeitskraft Nugen ziehen will, dann muß er den Mädchen eine handwerksmäßige Aus­bildung geben.

Grundsätzliche Bedenken braucht man dagegen vom Arbeiterstand­punkt aus nicht geltend zu machen. Selbstverständlich werden wir, wenn der weibliche Tischlergeselle einige Bedeutung erlangen sollte, noch mehr als seither darauf achten müssen, daß für die gleiche Leistung auch der gleiche Lohn gezahlt wird. Wenn etwa die Ab­sicht bestehen sollte, weibliche Tischlerlehrlinge auszubilden, um sie später als Lohndrücker verwenden zu können, dann würden wir da gegen mit aller Entschiedenheit auftreten. Aber vorläufig find wir noch nicht so weit. Immerhin mag man aus dem Plan erkennen, wie wichtig es ist, daß auch die Arbeiterinnen der Holzindustrie, gleichviel, ob es sich um gelernte oder ungelernte handelt, dem Deutschen Holzarbeiter- Verband zugeführt werden.

I. K. Die Fabrikpflegerin i Österreich . Die erste Sigung des neugeschaffenen Frauenbeirats im österreichischen Ministerium für soziale Fürsorge, dem auch die Genossinnen Boschet, Kaff und Popp angehören, hat fürzlich stattgefunden. Die erste Frage, der man näher trat, war die Einführung von Fabrikpflegerinnen im Sinne der deutschen Einrichtung. Die vom Ministerium angestellte Non­sulentin für Frauenschutz, Fräulein Lemberger, erstattete das Re­ferat. Vom Arbeiterinnenstandpunkt wird in der Wiener Arbeite rinnenzeitung" die gleiche Kritik geübt, der die an sich begrüßens­werte, aber mit schweren Mängeln behaftete Einrichtung auch hier bei uns zulande begegnet. Auch die österreichischen Arbeiterinnen finden es bedenklich, daß die Fabrikpflegerinnen Angestellte der Unternehmer sind, was sie in der unbefangenen Vertretung der Ar­beiterinneninteressen notwendig hemmen muß. Und auch die Oster­reicherinnen sind der Ansicht, daß auch aus dem Arbeiterinnenstande

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die geeigneten Persönlichkeiten herangezogen und für den Posten als Fabrikpflegerin ausgebildet werden sollten.

Kleine Mitteilungen. Die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau- Frankfurt a. M. ist seit Herbst 1916 mit der Sammlung und Sichtung von Material über die Anstellungs- und Besoldungsver­hältnisse der deutschen Kommunalbeamtinnen beschäftigt. Die Leitung der Arbeit, die demnächst im Druck erscheinen soll, ist Fräulein Recha Rothschild übertragen worden. Für Zusendung von einschlägigem Material amtlichen oder persönlichen Charakters ist die Zentralstelle für Gemeindeämter der Frau zu Dank verpflichtet. - Die Handelskammer in Köln hat fürzlich eine Frau für das Amt einer Bücherrevisorin vereidigt. Es ist die erste Frau in Rheinland und Westfalen , die dritte in Deutschland , die für ein derartiges Amt zugelassen wurde. Frau Wittkamp hat die notwen­digen Vorbedingungen, die in umfangreichen Studien mit einem Schlußeramen bestanden, glänzend erfüllt. Der Minister des Innern hat dem Preußischen Abgeordnetenhaus den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Hebammenwesen zugehen lassen. Die Frauen werden sich aus den verschiedensten Gründen eingehend mit dieser Vorlage befassen müssen. Unter dem 14. März und 33. März 1918 hat der Minister des Innern in Preußen neue Ergänzungsbestimmungen betreffend die Zulassung zur Prüfung von Säuglingspflegerinnen herausgegeben ( bergl. Ministerialblatt für Medizinalangelegenheiten 18/18 bont 27. März und 18/15 vom 10. April 1918, Berlin W 35, Verlag J. G. Cotta).

Volkserziehung

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Eine Kinderschuhtagung des Deutschen Kinderschutzverbandes hat am 21, und 22. Juni 1918 im Börsensaal zu Magdeburg statt­gefunden. Die Vorträge behandelten den vorbeugenden Kinderschutz in Stadt und Land, und zwar sprachen über Die Stellung des Kinderschußes innerhalb der Jugendfürsorge" Direktor Dr. Bollig­feit( Frankfurt a. M.), Kinderschutz in städtischen Bezirken" Pastor Bahnsohn( Hamburg ), Kinderschutz in ländlichen Bezirken" Frau Johanna Kißling( Schloß Heinzendorf)," Zusammenhang des Kinder­schutzes mit der Junghelferbewegung" Fräulein Jda Klokow( Char­ lottenburg ), Lyzealdirektorin, Die Kreisfürsorgerin im Dienste bes Kinderschutzes" Regierungsrat Dr. Nollau( Köslin ), Kinderschutz und Schulpflegschaft" Schriftsteller W. Achilles( Leipzig ).

Möbel für Kindergärten. Die dem Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht angeschlossene Auskunftsstelle für Kleinkinderfürsorge versendet auf Wunsch Zeichnungen einfacher Möbel für Kindergärten und verwandte Anstalten, nach denen jeder Tischler Stühle, Bänke, Tische und Schränke zweckmäßig und haltbar herstellen kann. Die vier Blätter sind einzeln leihweise gegen eine Gebühr von 50 F. nebst Porto , käuflich zum Preis von 2 Mt. zu erwerben durch das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, Berlin W 35, Bots­damer Straße 120.

Freie Aussprache

Unter diefer Rubrit veröffentlichen wir Ginfendungen, für die die Sedaktion ber " Gleichheit" den Einsenderinnen bie fachliche Verantwortung überläßt, die fie aber als Anregungen zur öffentlichen Grörterung in der Gleichheit" oder in den Busammenkünften der Frauen geeignet hält. Wir fordern unsere Leserinnen zur regen Mitarbeit auf, wobei wir den Gegenstand der Einsendung völlig der freten Wahl der Frauen überlaffen.

Die Parteibeiträge der Frauen!

In einer der legten Sigungen des Parteiausschusses wurde ein Beschluß gefaßt, der den Organisationen empfiehlt, in Anbetracht der schwierigen Geldverhältnisse der Partei überall die Beiträge zu erhöhen, und zwar nach Möglichkeit auf 60 Pf. monatlich( oder 15 Pf. wöchentlich) für die Männer und auf 40 Bf. monatlich( 10 f. wöchentlich) für die Frauen. Aus ben Meldungen der Parteipresse fann man schließen, daß die Drganisationen zum großen Teil die Beiträge wohl erhöhen, daß die Frauenbeiträge aber überall hinter dem gewünschten Saz zurückbleiben. Wie kommt das? Liegt das am Widerstand der Genossinnen, oder entspringt es zarter Rücksicht nahme der Männer? Wir zahlen hier in Köln Wochenbeiträge von 15 Bf. gleichmäßig, dafür erhalten wir Frauen die Gleichheit" ge liefert. Ich bin dafür, daß wir Frauen die gleichen Beiträge zahlen, daß wir aber auch die Gleichberechtigung, die uns innerhalb der Partei zugesichert ist, voll ausnügen. Auch unausgesprochen wirkt es hemmend auf die Entfaltung der Frauenbewegung, wenn wir selbst uns zu sehr als die wirtschaftlich Schwächeren fühlen. Es wäre zu wünschen, wenn aus dem Kreis der Leserinnen Meinungsäuße E. N., Köln . rungen über diese Frage tämen.

Berantwortlich für die Redaktion: Frau Marte Juchacz, Berlin SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Die Nachf. G.m.6.g. in Stuttgart .