Nr. 23

Die Gleichheit

es heute in England unzweifelhaft viele aufrichtige Bekenner der Völkerbundidee gibt. Zu diesen zählt unter anderen Grey, der ehe­malige Staatssekretär des Auswärtigen, und Henderson.

In Frankreich   gab der Kongreß der Confédération Générale du Travail   seinen entschiedenen Friedenswillen kund, und im englischen Oberhaus hielt Lord Wimborn eine Rede, welche die englische Kriegspolitik verurteilte. Dagegen ist in Italien   der Sozia­listenkongreß verboten worden, und aus dem Vatikan   kommt die Meldung, daß der Papst jetzt keine Friedensaktion zu unternehmen beabsichtige.

In Österreich   ist die Krise vorläufig erledigt, indem an Stelle des Ministerpräsidenten Dr. Seidler der Freiherr v. Hussarek getreten ist, dem die Mehrheit die Kredite und das Budget bewilligte, und der es allen recht zu machen versprach. Vorläufig ist das Abgeord­netenhaus nach kurzer Tagung, so wie andere Abgeordnetenhäuser auch, in die Sommerferien gegangen.

Aufsehen hat die Enthüllung des württembergischen Finanzministers Pistorius gemacht, wonach durch Steuerhinterziehung der Striegssteuer für 1916 dem Reiche 3 Milliarden entgangen sind. Die Kriegsgewinnler verstehen nicht nur Geld zu machen, sie ver­stehen auch es zu behalten.

Am 27. Juli brachte der Vorwärts" einen Aufruf des Reichs­verbandes zur Betämpfung der Sozialdemokratie an die Öffentlichkeit, aus dem zur Genüge klar wird, welchen Kampf die deutsche Arbeiterklasse jetzt schon und nach dem Kriege im Innern zu führen hat. Dieser Kampf, bei dem wir finanziell die weit Schwächeren sind, kann nur gewonnen werden durch Einigkeit der Arbeitermassen. Wird der Bruderkampf in der eigenen Partei fort­geführt, so haben die Gegner leichtes Spiel, und wir errichten dann auf den Trümmern der alten Welt keine neue.

Klara Bohm- Schuch.

Die Schwangerenfürsorgestelle.

In die bestehenden Fürsorgeeinrichtungen für Mutter und keind fügte man an vielen Orten eine Schivangerenfürsorge ein. Da ich selber in Berlin- Weißensee   mit der Einrichtung und Durchführung einer solchen Fürsorge betraut wurde, möchte ich etwas über diese Arbeit und wie ich sie mir denke berichten.

Unsere Frauen sind zurzeit zum größten Teil blutarm und ent= fräftet. Sie leiden, darum mehr unter der Zeit der Schwangerschaft als bisher, und es ist notwendig, ihnen ihre Lage nach Möglichkeit

Feuilleton

Der Erde Paradies und Hölle Liegt in dem Worte Weib.

*

Was hätt ein Weiberkopf erdacht, das er Nicht zu beschönen wüßte!

Die Erfüllung.

Von Edgar Hahnewald  .

Seume  .

Lessing  .

[ Nachdruck verboten.]

r pflückte einen der sperrigen Zweige von dem Strauche En  

betrachtete die zierlichen Zrüchte des Pfaffenhütcheng.

Die Form verglich er mit winzigen, runden, vierteiligen Brötchen. Bei manchen waren die weichfleischigen Schalen schon aufge­sprungen und ließen die glänzend feuchten Kerne sehen, deren fattes Drange fein zu dem stumpfen, seidig schimmernden Rosa der Schalen stimmte. Er hielt den Zweig auf das Feldgrau feines Waffenroces und betrachtete lächelnd das Farbenspiel.

Welkes Laub raschelte. Er wandte sich um und verhielt sich sofort ganz ftill, um die Amsel nicht zu verscheuchen. Der Vogel wühlte den mattbunten Teppich auf und kehrte die bedeckt ge­wefenen, feucht modernden Blätter nach oben. Das Rascheln des Laubes wisperte heimlich in die Stille.

Da sah der Vogel ihn, wendete das Köpfchen prüfend so und so und beäugte den Menschen mit großen, schwarzen Augen­perlen. Dann flog er auf und strich tief durchs Gesträuch. Das hell warnende Zütühzüküh!" berklang tief im Walde.

Der Soldat lächelte dem ängstlichen Vogel nach, ließ den Pfaffenhütchenzweig zwischen zwei Fingern hin und her schnellen und sah noch einmal mit einem schweifenden Blick in das präch­

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zu erleichtern, da man sie ihnen nicht wesentlich verbessern kanu. - Die Schwangerenfürsorge muß sich aus pflegerischer( wirtschaft­licher) Beratung und Hilfe, aus ärztlicher und aus rechtlicher Be­ratung zusammensetzen. Vielleicht wird die letztere zunächst am wenigsten in Betracht kommen. Auf keinen Fall aber kann die ärzt­liche Beratung entbehrt werden. Ebenso wichtig sind Hausbesuche, die, wenn sie von der Schwester, die dem Arzt in der Sprechstunde zur Seite steht, ausgeführt werden, ein Band zwischen den Sprech­stundenbesucherinnen und dem Arzt und der Schwester sein werden. Es ist wichtig, daß eine erfahrene Frau oder Schwester die Arbeit übernimmt, denn in ihrer Hand ruht zum großen Teil die Ent­wicklung der Fürsorgestelle. Gewinnt sie das Vertrauen der Frauen, so wird die Arbeit der Fürsorgestelle einen wichtigen Platz ein­nehmen, denn sie ist der Anfang einer geregelten Fürsorge.

Die Wichtigkeit dieser Fürsorge zeigt sich am besten in der Ar­beit. In unserem Vorort, der ungefähr 56000 Einwohner umfaßt, famen in den ersten 6 Monaten etwas über 100 Schwangere zu den Sprechstunden, für zwei Drittel der Frauen war ärztliche Be­ratung notwendig oder wurde von ihnen erbeten, 50 Prozent blieben in dauernder pflegerischer Aufsicht. Da der neueingerichteten Fürsorge­stelle der Gemeinde von nun an die Zuweisung der für Schwangere bewilligten Nährmitteln zusteht, wird sich der Besuch in den Sprech­stunden sehr steigern. Es darf nicht eine bloße Scheinausgabe wer­den, sondern muß ein Mittel werden, die Schwangeren zur Benußung der Einrichtung zu führen.

Es ist selbstverständlich, daß sich bei den Hausbesuchen vielfach Verhältnisse zeigen, die ganz dringend nach Abhilfe verlangen. Hat die Gemeinde oder Stadtverwaltung die Fürsorgestelle eingerichtet, so wird ein Weg der Hilfe für viele Notstände zu finden sein. Hierzu gehört vor allem die Beschaffung von Kinderwäsche, die Reglung von Wohnangelegenheiten, die Unterbringung der Kinder in der Zeit der Niederkunft, die Sorge für geeignete Pflege für die Mutter selber in der Zeit der Entbindung. Auch die Erledigung der Kranken­kassenfrage und der der Wochenhilfe wie des Stillgeldes kann mit zu den zugehörigen Aufgaben gerechnet werden.

Haben die schwangeren Frauen Vertrauen zu der Fürsorgestelle gewonnen, so wird deren Einfluß sich auch noch weiter ausdehnen. Die jungen Mütter, die in der Regel 4 bis 6 Wochen nach ihrer Niederkunft noch einmal zum Bericht und zur Schlußuntersuchung zum Arzt und zur Schwester kommen, können dann den weiteren Fürsorgestellen für Mutter und Kind überwiesen werden.

Schwester Lotte Möller, Berlin  - Weißensee.

tige Bild. Tief drunten, immer von neuem das Auge fesselnd und heimliche Sehnsucht weckend, zog der Strom in silber­gleißenden Windungen, in die nun schon die matten Dpalfarben des Abends hereinschimmerten. Die Ebene und drüben die ferneren Höhen lösten sich in leichten Duftgebilden auf. Und über der breit gelagerten Stadt schwebte ein gar nicht häß­licher Dunstschleier, über dem die vielen Türme so ohne alle Schwere blieben.

Auf der Höhe aber, um ihn, verklärte noch der zartrosige Schimmer des Abends die verhaltene Stille. Die herbstlich glühenden Bronzefäulen der Pappeln, das rieselnde Blattgold der Birken, das leuchtende Weinrot des Kirschenlaubes, das tief­gesättigte Grün der Stiefern, und alle diese Farben unterlegt vom Abendgrau des Himmels und dem matten Fahlgelb des Grases Grases das war ein fostbarer Rahmen, in dem das Bild des Tales mit Strom, Stadt und fliehender Ferne noch ein­mal so zart und duftig stand.

Der Soldat trank sich froh und satt daran.

Die melancholische, tausendmal getötete Sumpflandschaft irgendwo im tiefen Rußland   trat vor seine Erinnerung. Die letzten triefenden Regentage im Graben, an denen das alles um so viel trauriger war aber das dauerte noch lange, ehe er dorthin zurückmußte. Acht volle Tage noch!

-

Er drückte in überwallendem Glücksgefühl die Hände zu Fäusten, mochte aber die Stille um sich mit keinem Laut stören. Leichte Schritte knisterten hinter ihm. Da ging ein junges Mädchen, und während er ihm entgegensah, trafen sich ihre Blicke leicht, für eine Sekunde nur, aber mit jener hauchzarten Sympathie, die zwischen fremden Menschen beim ersten Be­gegnen zu sagen scheint: Du gefällst mir!"

Er sah dem Mädchen nach, bis das schwarze Kleid hinter dem filbergrauen Gerank der Zaunreben versant und nur noch