Nr. 23

Die Gleichheit

In überzeugender Weise vertraten die sozialdemokratischen Ab­geordneten Marum und Strobel und der Abgeordnete Muser von der Fortschrittlichen Volkspartei   die Notwendigkeit der Gewährung des Wahlrechts an die Frauen, wobei sie deren hervorragende Leistungen während des Krieges gebührend würdigten. Dagegen lehnten Zen­trum, Konservative und Nationalliberale es ab, den Frauen das Landtagswahlrecht zu geben.

Mehr Hoffnung bestand ursprünglich für die Frauen, das kom­munale Wahlrecht zu erreichen, da selbst die Nationalliberalen einen entsprechenden Antrag stellten. In der Kommission für Justiz und Verwaltung wurde mit Mehrheit beschlossen, daß den Frauen in den Städteordnungsstädten das kommunale Wahlrecht verliehen werden solle. Der Landtag lehnte diesen Antrag jedoch mit 25 gegen 21 Stimmen ab. Schuld daran sind lediglich die National­liberalen, da sich von diesen mehrere Herren vor der Abstimmung entfernten, um dadurch den Gegnern des Frauenwahlrechts, dem Zentrum und den Konservativen eine Mehrheit zu sichern. Somit brachten die Nationalliberalen einen Antrag, den sie selbst mitgestellt hatten, in schnöder Weise zu Fall.

Die Einwände, die die Gegner geltend machten, sind die alt= bekannten: die Frau gehöre ins Haus und habe Kinder zu gebären. Ein fonservativer Abgeordneter meinte, für die Frauen gelten die drei K: Kinder, Küche und Kirche. Leider schloß sich dieser Auf­fassung die Regierung an, obwohl sie wiederholt die besonderen Leistungen der Frauen öffentlich anerkannte. Außerdem wurde ein­gewandt, daß die Frauen selbst das Wahlrecht nicht wollten. Von den Befürwortern des Frauenwahlrechts wurde diese rückständige Auffassung in sehr scharfer Weise zurückgewiesen, leider ohne Erfolg. Daß es unwahr ist, als wollten die Frauen das Wahlrecht nicht, be­wies eine dem Landtag zugegangene Erklärung, unterzeichnet von den Frauen der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  , vom Deutschen  Verband für Frauenstimmrecht und vom Deutschen   Frauenstimm­rechtsbund, welche die Gewährung des politischen und kommunalen Frauenwahlrechts verlangt. Außerdem fordert der badische Verband für Frauenbestrebungen und der badische Landesverein für Frauen­stimmrecht in einer Petition für die Frauen das aktive und passive Tommunale Wahlrecht. Eine Versammlung nationalliberaler Frauen Heidelbergs   legie dem Landtag eine Entschließung mit der gleichen Forderung vor. Trotzdem stellten die Gegner obige Behauptung auf. Der nächste Landtag hat sich mit einer Reform der Gemeinde­und Städteordnung zu beschäftigen. Es wird dabei das jetzt noch

Klageode.

Der Sämann säet den Samen,

Die Erd' empfängt ihn, und über ein kleines Wächset die Blume herauf.

Du liebtest sie, was auch dies Leben Sonst mehr Gewinn hat, war klein dir geachtet; Und sie entschlummerte dir.

Was weinest du neben dem Grabe? Und hebst die Hände zur Wolke des Todes Und der Verwesung empor?

Wie Gras auf dem Felde find Menschen Dahin, wie Blätter; nur wenige Tage

Gehn wir verkleidet einher.

Der Adler besuchet die Erde,

Doch, säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub und Kehret zur Sonne zurück.

Bücherschau

Klopstock.

Die freie Burg. Eine Erzählung von Robert Grumbach  . Biele­felds Verlag, Freiburg   i. B. 1917.

Der Verfasser versucht sich an einem literarischen Abbild Ludwig Frants zum mindesten ein gewagtes Unterfangen. Mit etwas Steptizismus, der von einigen Stilschnigern genährt wird, beginnt man mit der Lektüre und gibt bald zu, daß die Darstellung ge­fällt. Ludwig Franks hohe Persönlichkeit, die in mehr als einer Hin­ficht und nicht nur äußerlich zu Vergleichen mit Ferdinand Lassalle  reizt, seine Geistigkeit, die zu den größten Hoffnungen für die Zu­funft berechtigte, sein tragisches Ende bieten dem Literaten eine lockende Aufgabe. Robert Grumbach   löst sie nicht, so nahe er ihr auch kommt, dafür ist sein Rahmen räumlich und intellektuell zu begrenzt. Seine Darstellung ist stizzenhaft, sicherlich nicht verzeichnet, aber die Größe und den Gehalt des jungen und reiferen Frank läßt sie nur ahnen, schöpft sie nicht aus. Frants Kampf in Politik, um

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bestehende Dreillassenwahlrecht beseitigt. Den Kreis der Wahlberech= tigten durch Verleihung des Wahlrechts an die Frauen zu erweitern, wird auch bei dieser Gelegenheit mit Energie von der sozialdemo= fratischen Fraktion verfochten werden. Den badischen Frauen stehen zwei Jahre zur Verfügung, um sich mit dieser Frage zu befassen. An ihnen wird es liegen, ihre Forderung nach Gewährung des Wahl­rechts nachdrücklichst zu erheben. Vor allem ist es Aufgabe der sozial­demokratischen Frauen Badens, Anhängerinnen für die Bartei zu gewinnen, um so dem Einwand, die Frauen wollten das Wahlrecht nicht, wirksam zu begegnen. Das Verhalten des Zentrums, der Kon­servativen und der Nationalliberalen beweist, daß diese von den Frauen wohl erhöhte Leistungen verlangen, ihnen aber keine Rechte geben wollen, damit sie an der Gestaltung des öffentlichen Lebens teilnehmen können.

Es ist damit aufs neue bewiesen, daß den Frauen ohne Kampf die volle Gleichberechtigung nicht zugestanden wird. Mögen die badischen Frauen demgemäß für ihre volle Gleichberechtigung fämpfen und nicht ruhen, bis man auch in Baden ihre Forderungen erfüllt.

Das Franenwahlrecht in Ungarn   abgelehnt. Unserem öfter­reichischen Schwefterorgan, der Wiener Arbeiterinnenzeitung" ent nehmen wir folgende Kennzeichnung der Lage des Frauenwahlrechts in Ungarn  :

Graf Tisza hat gesiegt. Das Frauenwahlrecht ist abgelehnt, ob­wohl der Ministerpräsident Wekerle und so einflußreiche Partei­führer wie die Grafen Andrassy und Karolyi dafür waren. Als im Wahlreformausschuß die Einführung des Frauenwahlrechts gefallen war, hatte der Ministerpräsident einen neuen Antrag eingebracht, der das Frauenivahlrecht ermöglichen sollte. Dieser Antrag ist im Parlament mit 96 gegen 161 Stimmen gefallen. Gegen das Frauen­wahlrecht war die Tiszasche Arbeitspartei und die kleinen Land­wirte, dafür die Regierungspartei, die Andrassy und die Karolyi­gruppe sowie einige Mitglieder der Arbeitspartei. Es fanten noch eine Reihe von Anträgen zur Abstimmung, die ein beschränfteres Frauenwahlrecht geben wollten als der Ministerpräsident. Alle wur­den mit der gleichen Stimmenzahl abgelehnt. Graf Andrassy   be­antragte dann, daß das Frauenwahlrecht in Form eines besonderen Gesezentwurfes noch heuer zur Verhandlung kommen solle. Über diesen Antrag wurde namentlich abgestimmt. Wieder wurden nur 96 Stimmen dafür, 156 dagegen abgegeben. Der Abgeordnete Vazsonyi hatte sich warm für das Frauenwahlrecht eingesetzt. Er verwies darauf, daß sich Frauen in allen Berufen, auch im Herrscher­beruf ausgezeichnet haben. Ministerpräsident Wekerle polemijierte Weltanschauung, seine Bildung werden kaum angedeutet so enden Idylle mit tragischem Schluß. Im ganzen: ein Buch, das man gern liest, weil es gut geschrieben ist, ohne daß man davon überwältigt wird. A. Z. Behrend, Elise, Säuglingspflege in Reim und Bild. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig. Preis 1 Mt.

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Mit diesem Büchlein gibt die Verfasserin den Müttern Ratschläge und Verhaltungsmaßregeln über die Pflege und Ernährung des Säuglings in zum Teil sehr treffenden kleinen Bildern und Versen. Der bekannte Kinderarzt Dr. Riehn in Hannover   läßt ihm ein empfehlendes Geleitwort vorangehen, und das ist wohlverdient. Auf dem Gebiet fann es gar nicht genug volkstümlich Geschriebenes und Gedrucktes geben, vorausgesetzt, daß der Preis ein für die Massen erschwinglicher ist. Das dürfte vorliegend der Fall sein, eine Mart hat auch die wenig bemittelte Mutter sicher übrig für das so wichtige Kapitel der Pflege und Ernährung ihres Kindes.* Besonders wenn man weiß, wieviel ummüges Geld für allerhand wertlose, aber mit tönender Reklame auf den Markt geworfene Präparate infolge Unwissenheit der Mütter in die Apotheken wan­dert. Ich erinnere an die törichten Zahnhalsbänder, die trotz heftiger Bekämpfung noch immer viel gekauft werden von unaufgeklärten Müttern, auch dort, wo eine organisierte Säuglingsfürsorge plan­mäßig arbeitet. Über das Zahnen sagt die Verfasserin leider nichts, obgleich darüber vieles zu raten wäre. Im großen und ganzen hat das Büchlein meines Wissens seit seinem Erscheinen eine durchweg sympathische Aufnahme gefunden. Gewiß kann man verschiedener Meinung darüber sein, ob es richtig ist, den Müttern die Begriffe der Säuglingspflege in Versen beizubringen, die Bilder aber find durchaus einwandfrei, ich wünschte mir für meine Mutterfurse recht gern dies und jenes der Bilder zur Unterstüßung des gesprochenen Wortes. Schwester Lydia Ruchland.

* Außerdem wird bei Massenbezug je nach der Zahl der bestellten Exemplare eine höhere oder geringere Preisermäßigung gewährt ( bis 50 Exemplare je 90 Pf, bis 100 je 80 Pf., bis 250 je 70 Pf., bis 500 je 60 Pf., über 500 je 50 Pf.). Redaktion der Gleichheit".