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mein herz schlägt laut...
Mein Herz schlägt laut, mein Gewissen schreit. Ein blutiger Frevel ist diese Zeit! Am hölzernen Kreuz verröchelt der Gott, Kindern und Toren ein seichter Spott; Verlöscht ist am Himmel das letzte Rot, Über die Welt hin schreitet der Tod,
Und trunken durch die Gewitternacht klingt Das sündige Lied, das die Nachtigall singt.
Die Menschheit meint um ihr Paradies, Draus sie ihr eigener Dämon verstieß, Und heimlich zischt ihr die rote Wut Jhre Parole zu: Gold und Blut! Gold und Blut, Blut und Gold!
Hei, wie das klappert, hei, wie das rollt! Und wüst dazwischen kräht der Hahn: Volksohnmacht und Cäsarenwahn!
Und immer dunkler wird die Nacht,
Die Liebe schläft ein und der Haß erwacht, Und immer üppiger dehnt sich die Luft, Und immer angstvoller schrillt die Brust; Kein Stern, der blau durch die Wolken bricht, Kein Lied, das füß von Erlösung spricht Mein Herz schlägt laut, mein Gewissen schreit: Ein blutiger Frevel ist diese Zeit.
Die Gleichheit
Frauen, flaumachende Personen festzustellen und namhaft zu machen“. Mit Recht erkannte man darin die Gefahr, daß bei uns ein Spitzel- und Denunziantentum großgezüchtet wird wie in den schlimmsten Zeiten der Reaktion.
Aber das ist nicht die einzige Gefahr der neuen Bewegung. Will sie doch durch die Unterdrückung jeder Mißstimmung, ja jeder unzufriedenen Äußerung alle Kritik unterbinden! Noch mehr: durch den Vergleich mit den Entbehrungen des Feldheeres soll der Heimat überhaupt jedes Recht auf Kritik abgesprochen werden!
F. A. Kaufmann fennt eben keinen Unterschied zwischen der Not, die durch den Krieg hervorgerufen wurde, die ertragen werden muß und ertragen wird, und der Not, die durch falsche oder schwächliche Maßnahmen der Regierung entstanden sind. Die beseitigt oder wenigstens gemildert werden könnte. Gegen die sich das Volfsempfinden mit berechtigtem Unwillen wendet. Gegen die sich die Vernunft des einzelnen empört, weil er nicht begreift, warum selbst in dieser schweren Zeit das Interesse der Gesamtheit dem Interesse einer kleinen Minderheit geopfert werden soll. Und hier ist Kritik nicht nur Recht, sondern Pflicht.
Kaufmann verlangt, jeder einzelne soll seine Unzufrieden heit über die kleinen(??) Mißhelligkeiten und Sorgen des Alltags unterdrücken. Ich aber frage: Was hat die Regierung getan, um die allgemeine Unzufriedenheit zu mindern oder auszugleichen? Hat sie den kämpfenden Männern draußen, den arbeitenden Frauen daheim das Wahlrecht und damit ihr Recht gegeben? Hat die Regierung etwa alles getan, um die Lebensmittel gerecht und gleichmäßig zu verteilen?
Und gegen noch eines müssen wir Stellung nehmen:„ Wir haben gesiegt!" schreibt Kaufmann in seiner Schrift.„ Was noch übrigbleibt, ist die volle Ausnutzung des Sieges!" Das ist die alte überhebung. Für diese„ volle Ausnutzung des Sieges" müßten wir noch jahrelang Strieg führen!
Aber wir hier draußen haben keineswegs das Gefühl, daß wir bereits gefiegt haben. Und wir haben auch nicht den Wunsch, um dieses ungewissen zukünftigen Sieges willen noch jahrelang zu friegen. Was wir wollen und wonach wir uns
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sehnen, das ist die Verständigung mit unseren Gegnern. Das ist ein für beide Teile ehrenvoller Friede. Und daß in unseren Frauen das gleiche Wollen und Sehnen ist des sind wir gewiß! Kurt Heilbut ( im Felde).
Politische Umschau
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Die Lage auf dem westlichen Kriegsschauplag ist im Anfang des fünften Kriegsjahres ernst. Der französischen Offensive vom 18. Juli, in Verfolg deren die deutschen Truppen zwischen Aisne und Marne zurückgenommen wurden, ist nun sehr schnell die englische Offensive nördlich und füdlich der Somme erfolgt. Am 8. August setzte, ge= deckt durch dichten Nebel, der Angriff überraschend ein, und bis zum 10. August hatten wir, nach dem englischen Heeresbericht, 24000 Gefangene verloren. Die deutschen Truppen sind auch hier zurückgenommen worden, um in ungünstigem Gelände unnüße Opfer zu vermeiden. Noch hat die deutsche Führung die Initiative in Händen und nimmt keine Schlacht nach dem Diktat des Gegners an, sondern erst da, wo sie es für zweckmäßig hält.
Für den Eroberermut unserer Alldeutschen, die zu Hause siten, ist dieser letzte Gang der Dinge aber vielleicht müßlich; sie sehen, daß Deutschland doch noch etwas weit von dem Ziele entfernt ist, den Frieden„ diftieren" zu können. Dasselbe gilt natürlich für die Eroberer in Frankreich und England; genau soweit wie unsere Alldeutschen sind sie von ihrem Ziele entfernt, Deutschland zerschmettern" zu können. Auch das Wechselglück des Schlachtfeldes wird nicht die Entscheidung bringen.
Nicht minder ernst als im Westen liegen die Dinge im Osten. Dem Attentat auf den deutschen Gesandten von Mirbach ist das auf den General von Eichhorn gefolgt, dem sowohl der General wie sein Adjutant zum Opfer fielen. Die Sozialrevolutionäre arbeiten mit dem Attentat, um den Frieden von Brest - Litowst rückgängig zu machen, und sie wollen, nach eigener Erklärung, daran weiterarbeiten und wenn sie bis hinter den Ural zurück müßten. Wahnfinnig und verhängnisvoll ist dieses Beginnen, aber es zeigt, bis zu welchem Grade dieser Friede der Gewalt Haß gesät hat. Die Sozialrevolutionäre haben seinerzeit gemeinsam mit den Bolschewifi die Revolution geführt und sich mit ihnen in der Regierung geteilt. Erst der Friede von Brest- Litowsk brachte die Gegensätze. Jezt machen die Sozialrevolutionäre die Gegenrevolution und sehen in ihrem blinden Haß gegen ihre einstigen Freunde und gegen Deutschland
nicht, wie sie letzten Endes nur die Geschäfte der Entente- Imperia
listen und des russischen Kapitalismus besorgen.
Sowohl Japan wie England sezen die Intervention in Rußland fort, und soweit sich die Dinge von hier beobachten lassen, erscheint es fast unmöglich, daß die Regierung der Bolschewifi dem Ansturm wird standhalten können. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß. wie aus Wiener Zeitungsmeldungen hervorgeht, sich die Bolschewiki an die Mittelmächte um Hilfe wenden werden. Am 8. Auguſt kam der deutsche Gesandte in Moskau , Dr. Helfferich, nach Berlin zur mündlichen Berichterstattung, und zwei Mitglieder der russischen Kommission sind von Berlin nach Moskau gereist. Wie werden die Mittelmächte fich verhalten? Durch den unglückseligen Frieden von Brest - Litowst und noch mehr durch die Ausführung desselben haben sie sich in eine schwierige Lage gebracht.
Der Entente wäre mit einer Intervention Deutschlands gedient. Deutschland müßte dann wieder große Truppenmassen an die Ostfront senden, und damit wäre für die Entente die Westfront entlastet. Die Stimmung im deutschen Volke, welches keinen neuen Krieg mit Rußland will, würde ungünstig beeinflußt.
Die Friedensbewegung ist durch einen offenen Brief des Lord haft diskutiert wird, einen guten Schritt weiter gekommen. Der Lansdowne vom 31. Juli, der in der gesamten englischen Presse lebBrief nimmt Bezug auf die Reden des Generals Smuts in Glas gow vom 17. Mai d. J. und auf die Rede des Herrn v. Kühlmann im Deutschen Reichstag vom 24. Juni d. J. und stellt die übereinstimmende Meinung beider Männer fest, daß das Ende nicht durch militärische Entscheidung, sondern nur durch Verständigung herbeigeführt werden könne. Er behandelt dann weiter die Rede Wilsons vom 4. Juli am Grabe Washingtons und die Bemerkung Lloyd Georges dazu, daß die Mittelmächte unter den von Wilson genannten Bedingungen jeden Tag Frieden haben könnten. Lord Lans downe meint nun, daß nicht die Bekanntgabe der moralischen Bedingungen genüge, sondern daß unbedingt daneben die territorialen Forderungen genannt werden müßten, um zu wissen, ob die Mittelmächte den Frieden wollen oder nicht. Er fordert eine Besprechung der Kriegführenden über die gegenseitigen Ziele und sagt, daß es Zeit dazu sei, denn der Krieg habe schon zu lange gedauert.