4

Die Gleichheit

durch, daß den alldeutschen Annegionspolitikern feine flare Absage würde. Der Reichskanzler erwiderte, daß Heeresleitung und Reichs­regierung einmütig gegen jede Eroberung seien. Mit dem allgemeinen Wahlrecht stehe und falle er. Staatssekretär v. Waldow bedauerte, daß weitere Mittel zur Erfassung der Lebensmittel nicht vorhanden seien; im übrigen käme der Schleichhandel in kleinen Mengen auch den Arbeitern zugute. Die Brotration werde ab 1. Oktober wieder voll hergestellt, jedoch sei an eine Erhöhung der Kartoffelration über 7 Pfund nicht zu denken. Legien von der Generalfommission der Gewerkschaften erklärte darauf, daß bei den hoffnungslosen Auskünften über die Ernährungsverhältnisse die bisherige Arbeits­zeit nicht durchzuführen sei.

Am 11. September hielt Kaiser Wilhelm II.   in Essen   eine Rede an die Kruppschen Arbeiter, in welcher er besonders zur Einigkeit mahnte und nochmals an sein Wort vom August 1914 erinnerte, daß er keine Parteien, sondern nur noch Deutsche   kenne. Von der Wahlrechtsvorlage sprach er auch, aber diesen Teil der Rede ließ- die Zensur nicht veröffentlichen!

An dem gleichen Tage erließen der Parteivorstand und die Partei­leitung Preußens einen Protest gegen die Art, wie die preußische Wahlrechtsvorlage im Herrenhaus behandelt und verschandelt wurde, und forderte die Regierung auf, das Abgeordnetenhaus so= fort aufzulösen. Die Herrenhauskommission beschloß jedoch an dem felben Tage ein Sechsgruppenwahlrecht für Preußen. Danach hat jeder Wähler eine Stimme in einer Berufsgruppe", und die Gruppen find so eingeteilt, daß der Grundbesitzer zum Beispiel ein zehnmal stärkeres Wahlrecht als der Landarbeiter und der Industrielle ein sechsmal stärkeres als der von ihm Beschäftigte Hat.

Ob der Kaiser in Essen   keine Ahnung von diesen Vorgängen hatte, die die Einigkeit des deutschen Voltes schwer gefährden müssen? Aber die Herrenhäusler" würden ja solchem Appell gegenüber sehr fühl bleiben; fie fügen fich nur der Gewalt, und die Regierung zeigt ein rührendes Verständnis für die Psyche dieser Gewaltmenschen.

Zu den Verstimmungen, welche die innere Politik wachrufen muß, kommt der Unwille des Volkes gegen die Art, wie Deutschland   die Dinge im Osten gestalten hilft. Der Schwager des Kaisers Prinz Friedrich Karl von Hessen soll zum König von Finnland   gewählt" werden. Mit 58 gegen 44 Stimmen ist am 9. August im Finnischen  Landtag ein entsprechender Antrag angenommen worden, und auf solch schwankenden Boden will der neue König seinen Thron setzen. Die deutsche   Arbeiterschaft will aber den Frieden von Brest- Litowsk  und sämtliche neuen Throne im Osten kein Hindernis für allgemeine

einen so komischen Anblick, daß man fast glauben könnte, einen hüpfenden Raben vor sich zu sehen. Also nahm man allgemein an, daß diefe Kinder ihren Namen nicht zu Unrecht erhalten hatten, und sprach nur von den vier Raben". Den drei Jüngsten macht der Spott zwar wenig aus. Glücklich sind sie in ihrer Beschränktheit. Dem dreizehnjährigen Heini aber, dem Knaben mit dem feinen Gesicht und der empfindsamen Seele, bereitet es tiefen Schmerz. Nicht selten belagerten Gassenbuben das kleine Gärtchen und schrien ihm ihr häßliches Rab  ! Rab!" zu. Sehr wehe tat das!

Doch was ist es gegen den großen Schmerz, der sich wie ein Reif auf des Kindes Gemüt legt und fein frohes Kinder­jauchzen aufkommen läßt? Würde man den Heini fragen nach feinem Kummer, so legte er die große Qual, die ihn peinigt, wohl in die drei Worte: Mein Vater trinkt!"

So ist es.

Heinrich Rabe, der Flurschüße des Örtchens, ist ein for scher, strammer Kerl", wie er sich selbst nennt. Das Karten­spiel und der Alkohol sind sein Lebenselement. Selten ist er nüchtern; immer im Rausch oder verkatert. Im Rausch ist er Bater der vier Raben geworden. Und als einmal im Wirts­haus jemand zu ihm sagte: Du, wenn ich deine Frau wäre, und du zeugtest mir solche Kinder, dann verklagte ich dich wegen Körperverlegung," da hatte er gelacht über den Wig", daß ihm die Tränen über die Backen liefen, und als er ein­mal ein wenig bei klarem Verstande war, da versuchte er nach zudenken über die Worte- und da trank er wieder, um sie zu vergessen.

Ja, die Raben!

Da gab's kein Leugnen. Ich Rausche hatte er sie gezeugt. Nur den ältesten nicht den Heini. Nein, damals hatte ihn der Schnapsteufel noch nicht in seinen Klauen.

-

Nr. 1

Friedensverhandlungen mit den Ententemächten werden lassen, font­dern die Ostfragen mit in die allgemeinen Verhandlungen ziehen. Diesen Standpunkt haben die Genossen Scheidemann   und Ebert dem holländischen Genossen Troelstra   gegenüber vertreten, welcher nach wie vor bemüht ist, eine internationale Sozialisten­konferenz zustande zu bringen und alle mißverständlichen Hinder­nisse, welche noch zwischen den Sozialisten der feindlichen Länder bestehen, aus dem Wege zu räumen. Daß diese Hindernisse noch groß sind, bewies der Verlauf des englischen Gewerkschaftskongresses, welcher Anfang September tagte. Der australische Premierminister Hughes, der amerikanische   Gewerkschaftsführer Gompers und der Vorsitzende der englischen Seemannsgewerkschaft Havelock Wilson gebärdeten sich geradezu kriegstoll, aber die Versammlung selbst war von einem anderen Geiste beseelt, dem der Präsident Ddgen in seinen Ausführungen Ausdrud gab. Unzweifelhaft ist auch der Frie denswille der englischen Arbeiterschaft start, aber noch will sie es nicht unumwunden zum Ausdruck bringen, denn die angenommene Resolution sagt, daß mit Friedensverhandlungen erst begonnen werden kann, wenn die Deutschen   Belgien   und Frankreich   geräumt hätten oder daraus vertrieben worden seien. Kann die englische Ar­beiterschaft annehmen, daß die Regierungen der Entente ihre Heere an der deutschen Grenze haltmachen lassen würde?

Die Aufnahme der Friedensnote Österreich  - Ungarns, die es am 14. September an die Regierungen der Entente richtete und in der eine gegenseitige Aussprache in einem neutralen Lande ohne Unterbrechung der Kriegshandlung vorgeschlagen wird, bestätigt solche Hoffnungen nicht. Diese Note, der sich Deutschland   nachträglich anschloß, stellt den ernstesten Friedensversuch dar, der bisher unter­nommen wurde. Amerika   lehnte sie mit einer Firigkeit ab, die selbst dem früheren französischen   Minister Albert Thomas   zu weit geht. Der französische   Ministerpräsident Clemenceau   hat eine friegsheßende, deutschfeindliche Rede gehalten, und die französische   Regierung erklärt jetzt, daß dies die Antwort auf die österreichisch- ungarische Note sei. Aus England klang die Ablehnung durch den Mund Balfours ge­mäßigter; Italien   lehnte die Zusammenkunft ebenfalls ab. Von der Alliiertenzusammenkunft in Paris   wird wahrscheinlich noch eine ge­meinsame Antwort abgefaßt werden, aber es fann kaum einem Zweifel unterliegen, daß sie ablehnend lauten wird. Dann muß also die Menschheit weiter durch dies Meer von Blut und Elend waten, weil die Regierungen der Entente es so wollen und weil die Völker der Entente es sich gefallen lassen. Dürfte die deutsche Regierung so etwas dem Volke bieten?

--

Damals! Gewiß trant er einmal ein Glas über den Durst doch das passierte selten bis zu der unfeligen Stunde! Was ward eigentlich, was ihn immer und immer aus dem Hause ins Wirtshaus trieb?

War es nicht der fortwährende Anblick der Jammergestalt seines mißgestalteten Stnaben?

Er hatte trinken müssen, um das Gewissen zu betäuben! Das böse Gewissen! Lug und Trug! Es ließ sich nicht betäuben, ließ seine Stimme nicht ersticken im Fuseldunst. Für kurze Zeit wohl, für Stunden vielleicht-

-

--

-

immer wurde es wieder

wach zeigte ihm täglich die elende Gestalt seines ältesten: Sieh, das ist dein Werk! Im Rausch hast du dein Kind, das Pfand eurer Liebe, um sein Lebensglück gebracht!"

-

Als Heinrich Rabe noch jung und ledig war, hatten sich die Mädels bald die Augen nach ihm ausgeguckt. Sie rissen sich fast um den schneidigen Unteroffizier, dem einmal eine Militär­anwärterstelle winkte. Gewiß hatte er manchmal einen kleinen Schwips, das machte den Mädels Spaß, sie meinten, er sei dann immer so richtig nett, und liefen ihm weiter nach, bis die Martha, das hübscheste Mädel im Städtchen, an ihm hängen blieb.

Was tat's! Heinrich Rabe war kein Lump. Er ließ sie nicht sitzen. Das Kind, das da kommen sollte, mußte einen Vater haben. So machten sie Hochzeit. Und bald kam das Kind. Ein prächtiger Knabe war's. Und seinen vollen Namen gab er ihm, Heinrich Rabe. Dieses sonnige Glück, das der kleine fugel­runde, ferngesunde Bub, ihr Heini, ins Haus brachte. Wie verschönte das Mutterglückt seiner Martha blasse Wangen. Wie lachte und tollte die mit ihrem Jungen, bis zu der un­feligen Stunde!-

-

Heinrich Rabe hatte mit gleichgesinnten Freunden bei Wein und Bier Kaisers Geburtstag gefeiert. Schwer bezecht hatte