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Die Gleichheit
müssen. Aufgabe unserer Genossinnen ist es, für diese Vorschläge zu sorgen.
Den Bezirksleitungen werden vom Parteivorstand besondere Flugblätter und Broschüren angeboten, die zum Teil unentgeltlich verteilt, zum Teil aber auch verkauft werden müssen. Diese sowie die letzten Nummern der„ Gleichheit" eignen sich vorzüglich für diesen Bwed; in ihnen ist wertvolles Material zur Aufklärung der wißbegierigen Frauen geboten. Auch ist die heutige Zeit wohl geeignet, auf diesem Wege für eine dauernde größere Verbreitung unserer Frauenzeitschrift zu sorgen. Mehr denn je soll die„ Gleichheit" das geistige Band zwischen allen Parteigenossinnen sein.
Fassen wir alle Sträfte zielbewußt zusammen, um in ruhiger, ziel flarer Arbeit unserer Partei, der alten sozialdemokratischen Partei Deutschlands , zum Siege zu helfen, dann haben wir für das uns gegebene Recht die uns zustehenden Pflichten erfüllt.
Aus unserer Bewegung
Genoffinnen! Arbeiterinnen!
Mit dem Sturz der alten Gewalt haben auch die Frauen Deutsch lands ihre politische Freiheit erhalten. Die sozialistische Regierung hat, getreu der alten sozialdemokratischen Programmforderung, verordnet, daß alle zwanzigjährigen Männer und Frauen zur gesets gebenden Nationalversammlung wahlberechtigt und wählbar sein sollen. Damit ist der vornehmste Grundsatz der Demokratie, wonach das gesamte Bolt sein eigenes Geschick formen soll, durchgeführt.
Ju kurzer Zeit wird das deutsche Volk die Wahl zur Nationalversammlung vornehmen. Mehr als 20 Millionen Frauen haben das Recht der Stimmabgabe. Haben die bisher in Deutschland vollständig entrechteten Frauen die politische Reife, die sie befähigt, über das zukünftige Geschick des Landes, in dem sie plötzlich vollberechtigte Staatsbürger geworden sind, zu entscheiden? Jest tragen wir Frauen mit an der Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Zufunft unseres Landes. Die Geschichte wird einst über uns urteilen. Richten wir heute unser Tun danach ein, daß wir uns einst verantworten, daß wir, die Trägerinnen der lebendigen Zukunft, unseren Kindern einst voll in die Augen schauen können.
Politische Freiheit ist nicht wirtschaftliche Freiheit. Sie wird erst gewonnen durch den Sozialismus. Er allein bringt auch den Frauen die volle Unabhängigkeit. Soll die Revolution dem Sozialismus die Tore ffnen, müssen wir Frauen unser Teil dabei erfüllen. Hinein in die sozialdemokratische Partei! Das muß heute die Losung der Frauen sein. Marie Juchacz .
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Altona - Ottensen . Eine wahrhaft imposante Frauenversammlung füllte am 21. November den großen Saal des„ Kaiserhof". Der Ruf, den die Vorstände der Altonaer und Ottensener sozialdemokratischen Bartei erlassen hatten, war nicht ungehört geblieben. Kopf an Stopf standen und saßen die Frauen. Die verschiedensten Berufsstände waren vertreten, neben der Eisenbahnerin sah man die Krankenschwestern, neben der Diakonissin und Schwester vom„ Roten Kreuz" die Straßenbahnschaffnerin. Andächtig folgte die Menge dem Vortrag der Genossin Schröder:„ Die Frau im neuen Deutschland ". Rednerin gedachte der schweren Augusttage 1914, all der Sorgen und Not, in die das Volk durch die lange Kriegsdauer geraten ist, und schilderte, wie der Militarismus des deutschen Kaiserreichs in sich zusammengebrochen ist. Aus den Trümmern ist ein neues, ein freies Deutschland entstanden. Diesem haben wir unsere ganze Kraft zu widmen. Die Rednerin behandelte dann eingehend das Programm der neuen Regierung. Die Abschaffung der alten Gesindeordnung wurde mit lebhaftem Beifall begrüßt. Die Erziehungsfrage, die Wohnungsnot, die sich während der Kriegszeit herausgebildet hat, die Mutterschaftsversicherung, der achtstündige Arbeitstag sowie das Frauenwahlrecht, mit dem Hinweis auf die Nationalversammlung wurden eingehend besprochen. Die Anwesenden dankten der Rednerin für ihren Vortrag durch lebhaften Beifall.
In der Diskussion ermahnte Genossin Dähn, die Einigkeit zu wahren, alles daran zu sezen, daß die Nationalversammlung eine Volksvertretung werde. Auch Fräulein Dr. Baum, die bekannte bürgerliche Frauenrechtlerin, richtete an die Versammlung die Mahnung zur Einigkeit, damit aus dem morschen Trümmerhaufen ein freies, glückliches Deutschland erstehe. Fräulein Ströger, Voltsschullehrerin, erwähnte die Wohnverhältnisse und trat für die Einheitsschule ein, während Genosse Wülften auf die Jugendorganisation hinwies. Mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf das freie Wahlrecht schloß die Versammlung, in der zahlreiche Neuaufnahmen gemacht
wurden.
Nr. 6
Aus Bremen . In einer Sigung des bremischen Arbeiter und Soldatenrats hat der der unabhängigen sozialdemokratischen Partei angehörende Reichstagsabgeordnete Henke den seltsamen Standpunkt vertreten, daß die Einführung des Frauenwahlrechts augenblicklich nicht unbedingt geboten erscheine. Dieser Ansicht treten die die organisierten Frauen vertretenden Unterzeichneten auf das entschiedenste entgegen. Die sozialdemokratischen Parteien jedweder Richtung stehen auf dem Boden des Erfurter Programms, das in seinem ersten Punkt das freie, gleiche, allgemeine und geheime Wahlrecht für alle Personen über 20 Jahre beiderlei Geschlechts fordert. Wenn Hente als Reichstagsabgeordneter die Grundsätze der sozialdemokratischen Partei so leichten Herzens preisgibt, so stellt er sich nicht nur in krassen Widerspruch mit der Gesamtpartei, sondern er bekundet auch, daß es ihm um die Verfechtung der Grundsätze der sozialdemokratischen Partei nie ernst gewesen sein kann. Das sozialdemokratische Programm kennt keine Bedingungen und Einschränkungen. Für die sozialdemokratischen Ortsvereine und für den sozialdemokratischen Kreiswahlverein des 19. Hannoverschen Wahlkreises und Bremerhaven : Elise Jensen.
Für den Ortsverein Bremerhaven : Frieda Geiger. Für den Ortsverein Geestemünde : Ida Hoffmann. Für den Ortsverein Lehe : Lydia Ring.
Kiel . Der Sozialdemokratische Verein Groß- Kiel hatte die Frauen zum Dienstag, den 26. November zu einer öffentlichen Frauenversammlung eingeladen. Und sie kamen! War das eine Freude für uns alle! So viele Frauen waren wohl kaum vorher zusammengewesen. Ein Zeichen, daß die Frau die Bedeutung unserer Zeit verstanden hat. Mit großer Ruhe und lebhaftem Interesse folgten die Zuhörer den Worten des Genossen Bilian, der an Stelle der erkrankten Genossin Reize( Hamburg ) den Vortrag hielt. In beredten Worten zeigte er den Anwesenden, wieviel der Staat uns Frauen bisher vorenthalten hat. Viel ist bisher an uns gesündigt worden, die wir wichtige Mitträgerinnen des Staates sind. Die Pflicht und das Recht haben wir, mitzuarbeiten und zu beraten. Mehrere Genofsinnen forderten zu reger Mitarbeit, zum Anschluß an die Partei und zum Lesen der„ Gleichheit" auf. Mit eindringlichen anfeuernden Worten, Seite an Seite mit dem Manne zu lämpfen und zu siegen, schloß der Vorsitzende die Versammlung mit den Worten: Der Kampf ist zu Ende, es lebe der Kampf! 250 Aufnahmen für die Partei und 100 Leserinnen der„ Gleichheit" waren das greifbare Resultat A. J. der Versammlung.
München . Über die politischen Umwälzungen und die neuen Rechte und Pflichten der Frauen sprach in einer von der Münchener Frauenagitationsfommission einberufenen Versamm lung am 25. November Genosse Franz Schmitt im großen Saal des Kolosseums. Mit welch großem Interesse die Frauen heute an den politischen Vorgängen teilnehmen, zeigte das bereits um 7 1hr überfüllte Versammlungslokal. Genosse Schmitt gab einen Rückblick über die Ereignisse der jüngsten Zeit und hob die bedeutsamen Fortschritte, die auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet von der neuen Regierung bereits ins Werk gesetzt worden sind, ganz be= sonders hervor. Durch den Rat der Volksbeauftragten wurden die Arbeiterschutzbestimmungen für Frauen und Jugendliche wieder in Straft gesetzt, die alten, seit Jahrzehnten und Jahrhunderten be stehenden Gesindeordnungen wurden mit einem Schlag beseitigt. Arbeitslosenfürsorge wurde sofort getroffen, und die Gemeinden haben die nötigen Arbeiten in kürzester Zeit zu vollbringen. Die alte Forderung der sozialdemokratischen Partei, gleiches Wahlrecht für beide Geschlechter, wurde restlos erfüllt. Von nun an tönnen alle Personen vom vollendeten zwanzigsten Lebensjahr an zu allen gesetzgebenden Störperschaften wählen. Mit der Verleihung des Wahlrechts an die Frauen erwächst diesen aber auch eine außerordentliche Verantwortung. Alle reaktionären Kreise in Bayern rechnen damit, daß mit Einführung des Wahlrechts für die Frauen sie eine gewaltige Waffe in Händen haben, um aufs neue ihre alte Macht wieder einzuführen und zu bekräftigen. Diese Hoffnung muß mit Energie durch fortdauernde Arbeit der Frauen zuschanden gemacht werden. Nur dann, wenn die arbeitenden Frauen mitſchaffen an allen notwendigen Arbeiten und sich auch am öffentlichen Leben beteiligen, werden sie es vermögen, den ihnen gebührenden Einfluß sich zu sichern. Der Referent benannte noch eine ganze Reihe von wichtigen Problemen, die der Erledigung in nächster Butunft harren, Bers besserung des Arbeiterinnenschutzes, Schutz der werdenden Mutter durch ausreichende Unterstützung vor und nach der Schwangerschaft, Geburtshilfe, Stillgelder usw. Alle diese Aufgaben können nur dann erfüllt werden, wenn die Frauen bereit sind, sich in Zukunft mit aller Kraft in den Dienst der Politit zu stellen und im öffentlichen Leben dahin zu streben, den großen Aufgaben der nächsten Zeit gerecht zu werden. In einer überaus regen Aussprache wurde leb