Nr. 6
Die Gleichheit
hafter Protest erhoben gegen die von den Feinden uns auferlegten Waffenstillstandsbedingungen, die allen Versprechungen Wilsons Hohn sprechen. Zum Schluß erfolgte die Wahl eines Frauenrats.
Ju Neukölln fanden türzlich zwei große Frauenversammlungen statt. Es sprachen die Genossinnen Bohm- Schuch und Juchacz , das Thema lautete:„ Die Frauen und die Revolution". Beide Verfammlungen nahmen troß redlichen Bemühungen der Spartakusse, sie zu stören, einen glänzenden Verlauf. Die anwesenden Frauen stimmten den Vortragenden zu und nahmen mit großer Mehrheit folgende Resolution an:„ Die Versammlung ist der Meinung, daß der von der sozialistischen Regierung eingeschlagene Weg, der zur Nationalversammlung führt, richtig ist. Nur in der restlos durchgeführten Demokratie erblickt sie den Weg, um die Errungenschaften der Revolution zu sichern. Deshalb muß das deutsche Volk zur Nationalversammlung kommen, die allein aus der Gefahr der Fortsetzung des Krieges, des Hungers und Elends herausführen kann. Die Versammlung hat das Vertrauen zur gesamten deutschen Arbeiterschaft, daß sie, die reif genug war, die Revolution so wunderbar durchzuführen, auch die Kraft haben wird, unter Voraussetzung voller Demokratie zum Sozialismus zu kommen."
Nürnberg . Im großen Saale des Industrie- und Kulturvereins tagte am Montag, den 18. November eine gutbesuchte Frauenversammlung. Sie wurde mit einem von Frau Eisner schwungvoll vorgetragenen Gedicht eingeleitet. Die Tagesordnung lautete:„ Die politischen Umwälzungen und die neuen Rechte und Pflichten der Frauen". Die Referentin Genoffin Grünberg schilderte die Entstehung und den Verlauf der Revolution, die zur Errichtung der Republik führte, deren Behauptung nunmehr unsere höchste Aufgabe sein muß. Nicht eine tapitalistische Republik soll es sein, sondern ein auf sozialer Gerechtigkeit aufgebauter Freistaat, in dem feinerlei fapitalistische Ausbeutung mehr herrscht. Die Rednerin ging dann zu den Wahlen. zur Nationalversammlung über, bei denen jetzt auch die Frauen ihre Stimme geltend machen fönnen. Die aufgeklärten Frauen und Mädchen der Stadt sollen mit ihren Verwandten auf dem Lande in Verbindung treten und sie über die Gefahren aufklären, die unsere junge Freiheit bedrohen, wenn bei den Wahlen die Reaktion Oberwaffer bekommt. Genoffin Grünberg schilderte die zahllosen luge rechtigkeiten des alten Systems und legte dar, was die Frauen von der neuen Ordnung erwarten dürfen. Freilich dürfen wir nicht hoffen, daß uns sofort die gebratenen Tauben in den Mund fliegen; schwere Zeiten stehen uns bevor, aber wir müssen unverzagt am Aufbau einer besseren Zukunft arbeiten..
An den Vortrag knüpfte sich eine anregende Diskussion; alle Rednerinnen sprachen im Sinne der Referentin. 85 Aufnahmen zur Partei und ebenso viele Abonnenten für die„ Gleichheit" und die " Fränkische Tagespost" wurden gewonnen. Eine Reihe von Genossinnen meldete sich zur Mitarbeit. Ferner wurde der Wunsch geäußert, daß Frauenversammlungen in der nächsten Zeit wieder stattfinden möchten.
Was fordern wir Frauen vom neuen Deutschland ?
Diese Frage beantwortete Genoffin Luise Schroeder in einer von den Parteivereinen von Altona - Ottensen zum 21. November einberufenen, start überfüllten Frauenversammlung unter dem Beifall von Tausenden von Frauen aus allen Streisen der Bevölkerung wie folgt:
Da infolge der Blutopfer dieses Krieges in Zukunft ein weit größerer Prozentsatz der Frauen als bisher ein Leben voller Berussarbeit vor sich sieht, so ist der Punkt 8 des Programms der deutschen sozialdemokratischen Reichsleitung von besonderer Bedeutung auch für die Frauen. Weitestgehende Schutzbestimmungen für die Frauenarbeit sind notwendig, um das Leben der Frau, besonders auch das ihrer Nachkommenschaft zu schüßen. Da die Frauen aus den Kriegsbetrieben jetzt entlassen werden, so ist für aus= reichende Arbeitsgelegenheit zu sorgen, die für die Frau besonders in der Textilindustrie, der Schuhfabritation, den Spinnereien und anderen Betrieben, die während des Strieges infolge Mangels an Rohstoffen lahmgelegt wurden, zu finden sein dürfte, vorausgesezt, daß uns der Friedensschluß die Wiedereinfuhr der Rohmaterialien sichert. Die an sich selbstverständliche Bestimmung, daß jeder heim fehrende Soldat die Arbeitsstelle wieder einnehmen soll, die er bei seiner Einziehung zum Heeresdienst verlassen hat, wird die Folge haben, daß viele Tausende von Frauen, die diese Stellen inzwischen ausgefüllt haben, arbeitslos werden. Für diesen Fall sichert freilich das Programm der Regierung die Erwerbslosenunterstügung zu; aber ein junger arbeitsfähiger Mensch will arbeiten, nicht von Unterstützung leben. Deshalb müßte, falls nötig, der achtstündige
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Marimalarbeitstag für die übergangszeit so weit heruntergesezt werden, daß die Möglichkeit für jeden, der arbeiten muß und will, geschaffen wird, Arbeit zu finden.
Da die Zeit vorbei ist, in der das Mädchen die Berufsarbeit nur als eine Übergangszeit zwischen Schule und Ehe betrachtete, so muß dem Mädchen genau so wie dem Knaben Gelegenheit gegeben werden, sich für den Beruf gründlich vorzubereiten und sich denselben dann nach seinen Fähigkeiten und nach seiner Lust und Liebe dafür auszusuchen. Dazu gehört in erster Linie die Einheitsschule für Knaben und Mädchen, eine gründliche Lehrzeit sowie der Fortbildungsschulzwang auch für das Mädchen. Um aber der Einheitsschule erst den wahren Wert zu geben, muß ein vollstän diges Verschwinden der erwerbsmäßigen Stinderarbeit gefordert wer den, da sonst das Kind, welches vor oder nach der Schule durch Arbeit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen muß, stets ins Hintertreffen geraten wird. Diese Forderung kann aber nur erfüllt werden, wenn gefeßlich ein Minimallohn festgesezt wird, der der Familie ein auskömmliches Leben gewährleistet. Selbstverständlich ist hierbei, daß gleiche Arbeit von Mann und Frau gleich entlohnt wird.
Die Heimarbeit muß aufhören, da sie ein Hindernis für Verwirklichung sowohl des Minimallohnes wie auch des Maximalarbeitstages bildet. Desgleichen muß die Ausnahmestellung der Dienstmädchen und des Hauspersonals aufhören. Auch sie müssen eine festgesetzte Arbeitszeit erhalten und nach derselben genau so frei sein wie jeder andere Mensch. Ferner muß gefeßlich eine Ferienzeit für alle Erwerbstätigen festgelegt werden.
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Die Frauen, welche das Glück haben, im eigenen Hause schalten und walten zu können, müssen soviel wie möglich von den vielen kleinen und kleinlichen Arbeiten des täglichen Lebens befreit werden. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, daß die Arbeiterwohnungen nicht nur mit allen hygienischen Einrichtungen versehen, sondern daß in ihnen auch alle technischen Errungenschaften der Neuzeit - elektrisches Licht, Dampfheizung, Warmwassereinrichtung, Baschküchen zur Anwendung kommen, wozu in eineinrichtung, Waschküchen zelnen Häuserblocks womöglich auch Gemeinschaftsküchen kommen müßten. Nur so kann die Frau frei werden für die heute besonders wichtige Erziehung ihrer Kinder, frei aber auch für ihre eigene Weiterbildung, die besonders jetzt, wo die Frauen endlich die Gleichberechtigung mit dem Manne erhalten haben, besonders wichtig ist. Die Erlangung des Frauenwahlrechts schließt schwere Pflichten in sich, für die die Frau sich wappnen muß, indem sie soviel wie möglich das nachholt, was Erziehung und Vorurteil an ihr gesündigt haben.
Große Aufgaben, wie die oben geschilderten, harren ihrer Lösung. Daran muß die Frau mitarbeiten. Hinzu kommt noch so manches andere Gebiet, wie das der Lebensmittelversorgung, die Fragen des Schul- und Erziehungswesens, die heute besonders wichtige Frage der Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehe= lichen, die vielen Gebiete der Sozialgesetzgebung: die Mutterschaftsversicherung, die Fürsorge für die unterernährten und kranken Frauen, für die sowohl körperlich wie seelisch durch den Krieg erkrankten Kinder, Fürsorge für Striegerwitwen und Waisen, für Striegsbeschädigte. Das alles sind die eigensten Gebiete der Frau.
Aber auch in der großen Politit wird man sie nicht entbehren können. Sie wird mit dazu helfen müssen, das Verhältnis der Völker zueinander wieder anzufnüpfen. Um all das leisten zu können, muß die Frau viel an sich arbeiten, müssen alle, die da wissend geworden sind, Aufklärung verbreiten. Die bedeutendste Entscheidung, die je durch den Wahlzettel herbeigeführt worden ist, harrt unserer das erstemal, da wir zur Urne schreiten: die Nationalversammlung ! Arbeiten wir alle, daß sie uns gerüstet findet!
Die Frauen und die Arbeiterräte.
Gehören die Frauen nicht dazu? Fast scheint es so. Im gewählten Arbeiterrat von Groß- Berlin befinden sich verschwindend wenige Frauen, im Vollzugsrat gar keine. Aus Nürnberg wird dagegen gemeldet, daß Genoffin Grünberg Sitz und Stimme im Arbeiterrat hat.
Daß von der Tätigkeit der Frauen während des Krieges sehr viel abhing, weiß heute jeder Mensch, daß sie beim Aufbau des neuen Deutschland nicht entbehrt werden können, ist ebenso selbstverständlich. Trotzdem ist es nicht zu verwundern, wenn sie in den politischen Kämpfen, die ihren Gipfelpunkt in der Revolution fanden, noch nicht stark in den Vordergrund