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Die Gleichheit
Siege führen kann, wir dürfen nicht zugeben, daß andere Barteien sich wieder in den Besitz der Macht setzen. Wir müssen ihnen entgegenarbeiten, müssen ihre Hoffnungen zuschanden machen. Die Frauen müssen zusammengerufen und aufgeklärt werden. Eine riesengroße Arbeit ist zu leisten. Sie muß getan werden.
Um die Lebensfragen auch der Frauen geht es bei der Neuordnung, die sich in Deutschland vollzieht. Die Fragen der Vergesellschaftung industrieller und landwirtschaftlicher Großbetriebe, die Trennung von Kirche und Staat, der Völkerbund, Steuer- und Wahlrechtsfragen, auch die für uns Frauen besonders bedeutungsvollen bevölkerungspolitischen Fragen, das alles wird bald im Mittelpunkt der öffentlichen Besprechung stehen. Es ist unsere Pflicht, uns über die Bedeutung dieser Dinge zu unterrichten und zu versuchen, sie in unserem Sinne zu beeinflussen, die Möglichkeit ist uns jetzt gegeben.
Genossinnen, Frauen des Volkes, tut eure Pflicht, schafft Aufklärung überall. Schaltet euch nicht durch Zersplitterung bei der Mitbestimmung unserer Zukunft aus! Allein eine Nationalversammlung mit sozialistischer Mehrheit kann dem deutschen Volke eine Bestand versprechende und im ganzen Volke verankerte Regierung geben.
Diese Volksregierung so bald wie möglich zu bekommen, muß unser größtes Bestreben sein. Jahrzehnte hat unsere Partei für das Frauenwahlrecht vergeblich gekämpft, über Nacht ist es uns geworden, zeigen wir Frauen jetzt bei den Nationalwahlen, daß wir seiner würdig sind. Stellen wir unsere ganze Kraft in den Dienst der Revolution, dann wird der Sieg nicht ausbleiben. Darum nochmals: Tut eure Pflicht! Marie Afning, Duisburg .
Wohlauf!
Es geht eine Brise, es hebt sich ein Wind, Die Segel, sie knaffern und schwellen, Wohlauf denn, für Kinder und Kindeskind Ins Ruder gelegt euch, Gesellen!
Und drohen auch Schiffe, gewaltige, rings
Die Bahn zu versperren den Booten,
Geschaut nicht nach rechts und geschaut nicht nach links! Brecht durch! Sonst seid ihr Heloken.
Was rauschen die Wogen, was rinnt in der Luft?
Was ziffert von Lande zu Lande?
Die Toten, sie graben dem Leben die Gruft,
Die Sklaven, sie hüten die Bande.
Doch über die dumpfe geduldige Welf Jäh fuhr es aus Höhen und Gründen, Drum vorwärts und dorthin das Steuer gestellt, Wo die Feuer der Freiheit sich zünden!
Und wollt ihr die Kinder des neuen Geschlechts Erlösen vom faulen Geflunker,
Stopft Wachs in die Ohren euch vor dem Gekrächz Der Pfaffen und Jobber und Junker!
Und wollt die Geftade der Sehnsucht ihr schaun, Wo die Säulen der Menschlichkeit ragen, So greiff in die Ruder mit kühnem Vertraun Und die Wellen, sie werden euch fragen.
Aus unserer Bewegung Politische Unterweisungsabende.
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Blötzlich bemühen sich die bürgerlichen Parteien krampfhaft, die Frauen und Mädchen für die Politik reif zu machen. Dieselben Parteien, die bisher nichts von einer politischen Gleichberechtigung der Frau mit dem Manne wissen wollten, die immer behaupteten, die Frau gehört ins Haus, an den Kochtopf, diese Parteien entdecken plöglich ihre Vorliebe für die Demokratie und die politische Bedeutung der Frauen, weil die Frauen gegen den Willen der bürgerlichen Parteien wahlberechtigt geworden sind.
Im Rhein - und Ruhrgebiet ist die Bemühung um die Frauen besonders rührig. Hier, wo das Zentrum sich bei der Bevölkerung noch eines großen Anhangs erfreut, und wo auch die Nationalliberalen, diese Demokraten von vorgestern, sehr stark vertreten sind,
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wird der Wahlkampf besonders heiß werden. Politische Unterweisungsabende" für Frauen und Mädchen müssen jetzt helfen, die Schäflein zu sich heranzuziehen.
Die Nationalliberalen, die sich jetzt„ Deutsche Volkspartei " nennen,
fordern in einem Inserat die Frauen und Mädchen auf, zu diesen ,, Belehrungsveranstaltungen" zu kommen.
Da heißt's nun für uns sozialdemokratische Frauen und Mädchen doppelt auf dem Posten zu sein! Wir dürfen es uns nicht verhehlen, welchen Einfluß die Religion auf das leicht beeinflußbare Gemüt vieler Frauen ausübt und wie gerade die katholischen Geistlichen ihre gläubigen Seelen zu lenken verstehen.
Den Frauen muß es deshalb vor allem klar gemacht werden, daß die Sozialdemokratie von jeher in ihr Programm die Forderung des Frauenwahlrechts aufgenommen hat und auch stets dafür eingetreten ist.
Unsere Frauen zusammenkünfte, die wir schon längst eingeführt hatten, müssen jetzt noch weiter ausgebaut werden. So beschlossen die sozialdemokratischen Frauen Duisburgs in ihrer letzten Zusammenfunft, fortan jede Woche zusammenzukommen. In dankenswerter Weise hat Genosse Horkenbach sich die Aufgabe gestellt, die Frauen in ihren Aufklärungsarbeiten tatkräftig zu unterstützen. Mehr noch als bisher werden öffentliche Frauenversammlungen veranstaltet werden. Alles, was in unseren Kräften steht, wird geschehen, um die Wölfe in Schafspelzen zu entlarven. Und wenn es heißt, zur Wahlurne gehen, soll uns der Augenblick finden: tatbereit! ★ Berta Mardwald.
Biebrich a. Nh. Es war kurz nach der ersten Frauenkonferenz der sozialdemokratischen Frauen Deutschlands im Striege als ich das erstemal nach Biebrich kam. Ich sollte den Frauen dort über den Verlauf jener Konferenz berichten. Im Begriff, den kleinen Saal zu betreten, rief mich der Vorsitzende zurück und sagte:" Ihren verabredeten Vortrag kann ich nicht brauchen, der ganze Saal ist voll Frauen, aber darunter sind höchstens 4 bis 6 organisiert, alle anderen sind zum erstenmal da." Was tun? Ich änderte meine Dis positionen und erzählte den Frauen etwas von der Sozialdemo fratie und dem, was sie will. Als wir auseinander gingen, hatten 47 Frauen ihren Eintritt in die Sozialdemokratische Partei erklärt. Seitdem bin ich öfters in Biebrich gewesen. Jedesmal empfing mich ein größerer Streis von Frauen, und jedesmal hatte sich das Verständnis für unsere Ziele vertieft. Das Selbstbewußtsein dieser in der Mehrzahl aus einfachen Arbeiterinnen und Frauen von Arbeitern bestehenden Frauen war erwacht und verlangte nach Betätigung und Auswirkung. So eroberten sie sich nach und nach ein fommunales Amt nach dem andern, in denen sie mit beratender Stimme für das Wohl ihrer Mitschwestern tätig sind.
Die Revolution hat auch in Biebrich anfeuernd gewirkt, der Raum, in dem die erste Versammlung stattfand, ist längst zu klein gewors den; ein großer, gutausgestatteter Saal in dem schönsten Hotel am Rhein empfing uns das leztemal. Freude und Begeisterung bewegten die große, fast ausschließlich von Frauen besuchte Versammlung, und die Worte der Rednerin, sowie die des lebendigen und rührigen Borsigenden fanden lebhaftes Echo. Ihre Last am Tragen von Verantwortlichkeit hat sich vermehrt, und so haben sie erreicht, daß ihnen zwei Size im Arbeiter- und Soldatenrat zugestanden wurden. Alte Vorurteile haben in solcher Gesellschaft keinen Platz, und es hat sich die Versammlung feinen Moment besonnen und als erste die tüchtige Frau ihres Vorsitzenden als Delegierte in jene Körperschaft bestimmt und damit ein weiteres Beispiel gegeben, wie in Zukunft Mann und Frau Schulter an Schulter arbeiten werden für das Wohl der Gesamtheit. M. G. H.
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Erfurter Programm
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J. H. W. Dieh Nachf. G.m.b.H. in Stuttgart .
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