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Den Frauen einen Frühlingsgruß! Euch allen, die in Fron und mühen 3hr dornenreiche Pfade geht, Euch sollen Maienrosen blühen! Greift lachend in die rote pracht: Ein Morgen glüht, den keine Wolke In schwarze Schatten hüllen wird, Ein Festtagsmorgen allem Volke!

Die Gleichheit

Den Frauen.

Und ob ihr wohnt am Seinestrand, An Skandinaviens   Felsentoren, Ob Londons   Nebel euch umspinnt, Ob Rußlands   Steppe euch geboren, Ob euch Italiens   Sonne scheint, Ob euch Germaniens   Eichenstärke Die muskeln spannt: ich rufe euch 3u einem großen Maienwerke! Den Haß, der die Nationen trennt, Soll eure Liebe überwinden, Wenn schwesterlich die Hände sich Sum letzten großen Kampfe finden. Des Sturmjahrhunderts Morgenschein Soll eurer Rechte Sieg verklären: Erst müßt ihr freie Menschen sein, Um freie Menschen zu gebären!

Den Frauen einen Maiengruß! Ihr tragt die Zukunft unterm Herzen, Thr fängt die Freiheit an der Brust, Das ist ein heilig Recht der Schmerzen: Das ist ein göttlich Frauenrecht, Das haltet fest mit starkem Wollen... Und eure rote Blume blüht, Wenn rings umher die Wetter grollen. 080000000000

Der erste gesetzlich eingeführte Mai­feiertag im neuen Deutschland  .

Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, Der täglich sie erobern muß.

( Goethe.) Wir stehen still, schauen zurück auf die Vergangenheit des ersten Mai, erleben noch einmal in furzen Augenblicken die qualvoll schmerzhafte Gegenwart und versuchen über Wolfen von Jammer und Wirrnis hinaus das Frührot der neuen Zeit, der Zukunft zu erspähen.

Mit ganz eigenen Gefühlen empfinden wir Frauen diese Maifeier. Wir sind politisch freie Menschen geworden und haben doch noch nicht das sichere, beglückende Gefühl der Frei­heit; zu viele Ketten flirren noch an unseren Gelenken. Un­verstand und Vorurteil begegnen uns noch immer auf Schritt und Tritt, mit geistigen und materiellen Nöten haben wir täglich zu kämpfen. Unsere Friedenssehnsucht ist noch nicht gestillt, die Wunden unserer Krieger sind noch nicht geheilt, viele unserer Söhne ertragen noch immer die Leiden der Ge­fangenschaft. Und doch sollen wir uns des Sieges freuen. Der Blick der sozialdemokratischen Frauen soll sich mit Stolz auf ihre Organisation richten, sie war uns das Mittel zum Zweck und wird es weiter sein. Viele schöne Ge­danken werden täglich in den Köpfen der Menschen geboren und verdichten sich zu Ideen; aber nur selten hat der Schöpfer der Idee allein die Kraft der Durchführung. Einigkeit macht starf, das war das Leitmotiv bei allen gemeinsamen Handlungen des Proletariats der Welt, die zum Aufstieg und Erfolg führten.

Vertreter organisierter Arbeitermassen waren es, die 1889 auf dem Arbeiterkongreß zu Paris   die Feier des 1. Mai be­schlossen; die Idee wurde zur Tat. Das organisierte Prole tariat aller Länder kämpfte in der Folge gemeinsam für seinen 1. Mai. Wie oft stellte sich dem Begehren der Arbeiter massen der harte Unternehmerwille, das krasse Machtbewußt­sein des wirtschaftlich Stärkeren entgegen. Wie oft haben Ar­beiter empfindlichen wirtschaftlichen Schaden erleiden müssen, weil sie sich um ihrer Ideale willen einen Feiertag nahmen. Die Organisation ließ die dee nicht niederdrücken, immer wieder stellten wir am 1. Mai gemeinsam unsere berechtigten Menschheitsforderungen auf. Uns ging es um das höchste Ziel, ums Menschentum und um den Völkerfrieden, wir wollten Licht, Luft und Sonne haben, auch uns verlangte nach den Höhen des Lebens.

Der Krieg, der organisierte Menschenmord, erschien stärker als unser gemeinsames Streben, wie ein Orfan ging er über uns hinweg, während wir am Boden lagen. Noch leiden wir unter den Nachwehen dieser furchtbaren Zeit, noch haben wir von unserer Zukunft kein klares Bild; trotzdem aber erheben sich die Menschheitsideale des 1. Mai in schönerer und ge­festigterer Form.

Nr. 16

Klara Müller- Jahnke.

Aus märchenblauen 3eiten klingt Ein Segenswort: den Fluch des Bösen, Der auf das Haupt der Menschheit fiel, Wird einst die Hand des Weibes lösen. Aus Lügenschlamm und Gassenstaub wird sie den Schatz der Wahrheit heben Und segnend ihn als Hort des Rechts Den kommenden Geschlechtern geben.

Den Frauen einen Segensgruß! Aus alter Kindermärchen Klarheit Lacht   hell in all den Sonnenglanz Das heilige Angesicht der Wahrheit. Kein Traumglück mehr, kein Sehnsuchtslaut: Es gilt den Kampf! auch euch, den Frauen, Und eure Kinder werden einst

Der Freiheit maitag feiernd schauen! 00000008

Und das ist doch das Große für uns Frauen: wir durften mitwirken, durften helfen in dem harten Kampfe um die gesekliche Festlegung des 1. Mai. Diesmal ist es gelungen, es muß weiter gehen, immer vorwärts dem Licht entgegen. Wir müssen stärker werden. Dazu hilft uns die Organisation. Mehr noch als bisher müssen wir dieses Machtmittel ge­brauchen lernen in dem vollen Bewußtsein, daß uns jeder Erfolg nur den Weg öffnet zu neuen Wünschen und neuem Streben. Es geht um den Völkerfrieden und den Völkerbund, um den Schutz der Arbeit in der ganzen Welt. Es geht dem Sozialismus entgegen. Marie Juchacz  .

Einst und jetzt.

Das Alte stürzt,

Es ändert sich die Zeit

Und neues Leben blüht aus den Ruinen.

Als im Jahre 1889 der Internationale Arbeiterkongreß   in Paris   tagte und außer anderen Beschlüssen auch den faßte, den 1. Mai alljährlich als Weltfeiertag des Proletariats aller Länder festzusetzen, wie jubelte da die deutsche, besonders die Industriearbeiterschaft dem ersten Weltfeiertag entgegen.

Um so mehr, da zur selben Zeit das Sozialistengesetz nach zwölfjährigem Bestehen endlich als unhaltbar aufgehoben wurde und die so lange unterdrückte Arbeiterklasse nun end­lich in aller Öffentlichkeit ihre Veranstaltungen pflegen konnte. Ich lebte damals in Hamburg   und beteiligte mich bereits lebhaft an der dortigen Parteibewegung. Besondere Aufmerk­samkeit widmete ich den in schwerer Arbeit steckenden und doch in Armut lebenden Arbeiterfrauen. Unter diesen Umständen war es gar nicht schwer, eine Anzahl Frauen für die Forde­rungen des Maitages: Achtstundentag, Arbeiterschutz usw. zu begeistern und zur Teilnahme am Maizug zu bewegen. Und wider Erwarten groß war die Teilnahme der Frauen am ersten Maizug in Hamburg  . Mancher zopfbehängte Spießbürger hat sicher das Ende der Welt vor Augen gesehen ob der Teilnahme der Frauen an diesem politischen Auftakt der Arbeiterklasse.

Aber die alte Klassenwelt und-herrschaft war noch lange nicht zermürbt genug zum Zusammenbruch, und die Arbeiter­schaft noch nicht flug genug, ihre eigenen Kraft- und Macht­verhältnisse richtig zu beurteilen. Die Folge war, daß nicht nur bei der ersten, sondern auch bei den späteren Maifeiern oft Arbeitsmaßregelungen von 3, 5 bis 8 Tagen die Strafe waren für diesen selbst gegebenen Feiertag. Mittlerweile aber wuchs die Gewerkschafts- wie die Parteibewegung riesengroß an, und nach vielen Kämpfen wurde sogar in manchen Tarif­abschlüssen der Gewerkschaften der erste Mai tariflich als Feier­tag festgelegt.

Besonders schwer war in den neunziger Jahren die Agi­tations- und Werbearbeit unter den Frauen, nicht nur wegen der besonderen Eigenart der Frauen selbst, sondern vielmehr