Nr. 16

Die Gleichheit

männin   war eine der hervorragendsten Führerinnen und Be­raterinnen des Bauernaufstandes in Schwaben  .

Gleich ihr aber kämpften damals viele Frauen gegen Junker, Pfaffen und Städter, denn das Los der Frauen unter den Bauern und Leibeigenen war vor dem Bauernkrieg ja fast noch härter als das der Männer. Nicht nur auf ihre Arbeitskraft, ihren Besitztum hatten die Feudalherren An­spruch. Auch ihre Jungfräulichkeit mußten sie ihnen opfern, wenn sie es forderten, und ihre Kinder schon in früher Jugend dem harten Frondienst anheimfallen sehen. Aber nur ganz wenige Namen der Freiheitskämpferinnen des Bauernkriegs sind uns bekannt.

Mehr wissen wir von den Frauen, die sich an den Kämpfen der französischen   Revolution beteiligten. Doch sind es haupt­fächlich die Namen der bürgerlichen Frauen, die uns erhalten blieben. Gerade die französische   Revolution zeigt aber den großen Einfluß, den die Frauen auf die Entwicklung der Ge­schichte und der Menschheit haben. Es ist kein Zufall, daß die Zeit, in der Rousseaus Werke erschienen, zusammenfällt mit der Geburt und Kindheit der Robespierre, Danton  , Des­moulins und anderer Helden der Revolution. Die Mütter hatten sich in diese Werke vertieft, und mit der Muttermilch fogen die Kinder die Jdeale der Freiheit und Gleichheit ein, wurden sie auf die Wege geleitet, auf denen sie schritten, um ihr Ideal der Menschheitsbefreiung zu verwirklichen. Wir wissen aber auch, daß am 9. Oftober 1789 nicht die Männer des Pariser Volkes, sondern die Frauen, mehr als 8000 an der Zahl, nach Versailles   zogen, Arbeiterinnen der Vorstädte, Händlerinnen der Halle, getrieben von Not und Hunger, und daß sie den eigentlichen Sturz des Königs und des König­tums herbeigeführt haben. Auch ihre Namen sind vergessen, während die Namen einer Stael, einer Roland in keinem Bericht über die Vorgänge in Frankreich   fehlen, deren Ver­dienste natürlich auch unbestritten sind. Als Frau aus dem Volfe, wenigstens stammte sie aus ganz einfachen Verhält. nissen, besaß Marie Gonge, Olympe des Gonges, wie sie sich später nannte, hervorragenden Einfluß. Mit Wort und Schrift war sie nicht nur eine der glänzendsten Verteidige­rinnen der Frauenbewegung, sondern der Freiheit überhaupt. Wenn das Urteil über die öffentliche Wirksamkeit eines Men­schen bestimmt wird nach den Wirkungen, die er durch seine Tätigkeit auf den sozialen Fortschritt ausgeübt hat, so verdient der Name Olympe des Gonges mit an erster Stelle genannt zu werden. Neben ihr verdient der Name von Rose Lacombe  genannt zu werden, die den Zug der Frauen nach Versailles  geleitet hatte, die den ersten revolutionären republikanischen Frauenverein gründete und die ihre Aufgabe darin sah, einer fozialen Revolution die Wege zu bahnen.

Eine ähnliche Wirkung auf den sozialen Fortschritt übte Mary Wollstonecraft   aus, auch sie eine Erscheinung der Re­volutionsbewegung, die in England mit ihrer Schrift ,, Die Rechtfertigung der Menschenrechte" Bahn brach für die Ge­danken der Freiheit und Gleichheit.

Auch in Deutschland   blieben die Wirkungen der Gedanken der französischen   Revolution auf die Frauenwelt nicht ohne Wirkung. Vom Salon der Nahel und ihrer Freundinnen, aus dem Kreise der Weimarer   Frauen gingen ungeheure Wir­fungen aus. Die Frauen lernten teilnehmen an den großen Interessen, die die Welt bewegten. Das neunzehnte Jahr­hundert wurde das Jahrhundert der Frau. Die deutsche   Re­volution von 1848 meist eine Reihe von Frauen auf, welche direkt oder indirekt nicht nur an dem Kämpfen und Ringen der Freiheitskämpfer teilnahmen, sondern mit eigenen neuen Gedanken bahnbrechend wirkten. Ich habe vor kurzem erst darauf hingewiesen, mit wie sicherem Blicke Luise Otto   er­kannte, daß Deutschlands   Zukunft in den Händen der Ar­beiterschaft lag. Insbesondere erscheint bedeutungsvoll, daß überall von den Frauen eine Vertiefung und Erweiterung der weiblichen Bildung gefordert wurde, damit der Einfluß der Mütter auf die heranwachsende Jugend größer wird. Da­

125 mit ist natürlich auch ihr Einfluß auf die Entwicklung des ganzen Volfes ein sehr großer.

Der Sozialismus aber vor allem ist es, der den Frauen die Bahn frei macht, nicht nur für ihr eigenes Geschlecht, son­dern für alle die großen Gedanken mitzufämpfen, mitzu­arbeiten, die ihm als Ideal vorschweben und die der Be­freiung der ganzen Menschheit dienen. Die Arbeiterinnen­bereine waren die ersten, deren Mitglieder sich 1874 an der Wahlbewegung durch unermüdliche, opferfreudige Agitation beteiligten. Die Arbeiterinnenbewegung trug die revolutio­nierenden Ideen bis in den Schoß der Familie. Die Ar­beiterinnen nahmen mehr und mehr Stellung zu allen poli­tischen Tagesfragen. Weibliche Vertrauenspersonen und Agi­tatoren trugen mit wahrhaft apostolischer Begeisterung, den Verfolgungen der Behörden, der Verachtung von seiten der bürgerlichen Gesellschaft trozend, die Gedanken des Sozialis­mus in die fernsten und kleinsten Winkel des Reiches. So haben die Frauen, und gerade die Frauen des Volkes ge­holfen, die neue Zeit herbeizuführen. Noch war ihre Macht nicht groß genug, den Krieg zu verhindern, und doch waren es wieder die Frauen, die unermüdlich im Kriege Friedens­arbeit verrichteten. Und die Frauen des Volkes sind am 9. November Seite an Seite mit ihren Genossen hinausge­zogen und haben geholfen, den Sieg der Arbeiterklasse und damit des Sozialismus herbeizuführen. In dem Augenblick ist nun auch der Einfluß der Frauen auf die Geschichte ge­sichert. Sie ſizen in den Parlamenten und helfen Gesetze schaffen, die dem Wohle der ganzen Menschheit dienen sollen. Nun müssen sie Brücken bauen helfen, die wieder Mensch zu Menschen führen sollen. Die Frauen müssen die Fadel ent­zünden und mit ihr voranleuchten, daß wir aus dem finstern Tal der Gegenivart emporsteigen zur lichten Höhe, einer Zu­funft, in der Frieden und Freiheit unseren Kindern und Kindestindern gesichert wird für ewige Zeiten. Daß uns Frauen die Möglichkeit eines solchen Wirkens gegeben ist, das danken wir dem Einfluß der vielen unbekannten Ge­schlechtsgenossinnen, die seit Jahrhunderten all die Fäden ge­sponnen und geschürzt haben zu dem Gewebe, das wir die Entwicklungsgeschichte der Menschheit nennen.

Anna Blos  ( M. d. N.)

Krieg, Jugend und Maientag.

Wohl dir, Mat, wie du beglücktest Alles weit und breit!

( Walter von der Vogelweide  .)

Vier lange Jahre hat der Krieg gewütet. Wie eine schwere Wolfe lag es über unserem ganzen Lande. Wohl spielten die Theater, wohl gab es herrliche Musik in den Konzerten. Die Kinos waren voll und an den heißen Sommersonntagen zogen wohl auch einmal die hier gebliebenen Väter mit Frau und Kindern in den Wald. Aber es war nicht wie sonst, wo man jubelnd und frohen Herzens sich einmal einen freien Tag erlaubte. Man entrann jetzt nur der rastlos drängenden Arbeit in der Fabrik. Seinen Ge­danken, seinen Sorgen konnte man nicht entrinnen. Die Erwach fenen hatten venigstens das eine fie suchten zu begreifen, was um sie her geschah.

Aber die Kinder! Man spricht so leichthin von der sorglosen Jugend". Ja, wer die Kinder, gerade in den Großstädten, in diesem Kriege gesehen und in ihrer allmählichen Wandlung be­obachtet hat, der merkte wohl, daß hier von Sorglosigkeit im alten Sinne teine Rede war. Sie spielten Krieg, bauten Schüßen­gräben, warfen Handgranaten und machten Gefangene. Oder sie versuchten im Scherz und schließlich auch im Ernst Einbrüche und Diebstähle. Sie lernten, das knappe Pflichtteil ihrer Lebensmittel­ration durch kleine Gaunereien zu vergrößern. Sie sahen, wie die Mütter schieben und vertuschen mußten, um durchzukommen. Sie halfen dabei. Der Sinn für Recht und Unrecht, für Billigkeit und Wahrhaftigkeit ging naturgemäß dabei verloren. Die Forderungen, die die Schule an sie richtete, wurden immer weniger befriedigt. Dagegen stellte sich stetig zunehmend eine Verschlagenheit und eine oft ans Verbrecherische grenzende geschäftliche Gewandtheit heraus. Das war die Erziehung, welche der Krieg unserer Jugend brachte. Und auf die Schultern der Halberwachsenen jungen Mädchen und