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Die Gleichheit

Burschen legte er schwerste Pflichten. Sie mußten die Sorge für Familie und Häuslichkeit mit auf sich nehmen. Diese Zeit der Not machte die Menschen schneller reif.

Die Revolutionsregierung zog daraus die Konsequenzen; sie gab den Männern und Frauen mit Vollendung des zwanzigsten Lebensjahrs ihr volles Staatsbürgerrecht. So schafft auch die Jugend mit an der Gesetzgebung im neuen Deutschland  . Und die Jugend wird mit dafür streiten, daß das Leben freier wird in jeder Beziehung. Jede gesetzliche Freiheit, die neu erstritten wird, ist eine Hemmung weniger für das kommende Geschlecht. Und eines ist vielleicht das größte, was unsere Arbeiterjugend jetzt leisten kann, das ist: daß sie im Kampfe um ihr Recht geistige Waffen gebrauchen lernt, ja, daß es ihr vielleicht sogar gelingt, auf der Gegenseite nicht nur Entgegenkommen aus Zweckmäßigkeits­gründen zu wecken, sondern es dämmert vielleicht schon manchen, die jetzt so schwer den Herrenstandpunkt verleugnen können, in einigen Jahren die Erkenntnis auf, daß ihr Recht Unrecht ist vor dem Gerichtshof der Menschheit und daß das gleiche Recht für alle die höchste Stufe der Kultur an sich auch ihrer eigenen Kultur bedeutet. Diese Erkenntnis zu fördern wird die vornehmste Aufgabe der reiseren Arbeiterjugend sein. Sie seht viel Selbstbeherrschung voraus und viel Gerechtigkeitsjinn auch für die andere Klasse. Und viel Mut. Diesen Mut wird sie auch brauchen in ihren eigenen Reihen unter ihren jüngeren Volfsgenossen, die noch zu start an die Sorge für das eigene Leben, zu wenig an die Pflicht gegen die Gemeinschaft denken. Wahrhaftigkeit und Zuverlässig­teit müssen wieder das Ehrenschild der deutschen Jugend werden. Daß sie es werden können, dafür müssen unsere Volksvertreter sorgen, indem sie alle Lebensbedingungen sozialer gestalten.

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Es wird wieder Mai- der erste Maimonat nach vier Jahren Strieg. Für viele Kinder ist es der erste Friedensmai. Und unserer Jugend müssen wir ein Maienfest bereiten, ein Freudenfest nach allem, was sie entbehren mußte. Darum, ihr Eltern, Lehrer und Lehrerinnen, habt ihr irgend Zeit, geht mit euren Kindern einmal in die Maienwelt hinein. Ein Feiertag im Freien wirft seinen Glanz über viele einförmige Schultage, und wenn ihr gemeinsam dem schmetternden Sang der Finken lauschtet, dem Siegeslied der Amsel oder dem zärtlichen Zwitscherton der Kleinen Meisen, dann wird eine Schranke zwischen euch niederfallen und ihr werdet euch menschlich lieben und verstehen lernen. Kein noch so fest geschlos= senes Tor sollte der Maiensonne widerstehen.

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Auch die Waisenhäuser sollten einen Festtag machen. Wenn man die kleinen armseligen Gestalten sieht, die alle im langen Buge bereint jeder in sich vereinſamt über die Straße ziehen, da weiß man, daß auch hier neue Lebensbedingungen geschaffen wer­den müssen. Denn auch diese Jugend, die der Elternliebe und Zärt­lichkeit entbehren muß, drängt in die Weite und in die Höhe und lebt doch wie im Kerker im fest zugewiesenen engen Raume, jahr­aus, jahrein. Auch hier müssen wir der Jugend, muß die Jugend selbst ihren Altersgenossen einen Platz an der Sonne erkämpfen. Auch diesen Kindern soll der Völkermai seine warmen Sonnen­strahlen senden.

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Vielleicht wird einmal doch der 1. Mai der Weltenfeiertag in werden! Daß er es wird, dazu kann die Jugend helfen jeder Generation immer wieder die Jugend. Heute schon, wo die Jugend bei uns frei geworden ist von allen Schranken und allen Banden, die sie in ihrer ureigensten Entwicklung hemmten, heute, wo sie die Kraft des jungen Lebens zugleich mit der Verantwor­tung für Gegenwart und Zukunft in sich fühlt, heute schon muß fie für das große Ziel arbeiten, das fern vielleicht, aber nicht un­erreichbar vor uns liegt, daß jedes Menschenkind, das geboren wird, gleiches Recht am Leben hat. Mag es nun werden, was es will, mag Geist und Gesinnung es drängen, nur die Freiheit der Entschließung muß gewährleistet werden. Und daß diese Freiheit nicht eine Hemmung des Gesamtwohls, sondern eine Förderung der menschlichen Gesellschaft bedeutet, dazu muß die immer tiefer begriffene Idee des Sozialismus führen.

Hildegard Vielhaber.

Frauenkultur im neuen Deutschland  . Wie sich die Kultur im besiegten Deutschland   gestalten wird, vermag niemand vorauszusagen. Denn die geistige Entwick­lung eines Volkes hängt von seiner politischen und wirtschaft­lichen Lage ab.

Die Frauen stehen jedenfalls vor gänzlich neuen und schwie­rigen Aufgaben. Denn sie sollen einerseits an allen öffent­

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lichen Angelegenheiten tatkräftig mitwirken, andererseits ihre natürlichen Aufgaben erfüllen, das heißt heiraten, gebären, Kinder erziehen und einen Haushalt führen.

Man pflegt zu sagen, daß eine Mutter eher sechs Kinder ernähren kann als umgekehrt sechs erwachsene Kinder eine Mutter. In der guten alten Zeit"- vor dem Kriege- war das noch möglich; in dem verarmten und ausgehungerten Deutschland   werden Ehepaare vermutlich sechs Kinder nicht aufziehen wollen die Geburtenzahl wird sinken.

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Die wirkliche Frauenkultur kann nur abseits vom brutal­sten Erwerbskampf gedeihen. Denn eine abgehezte und vom täglichen Daseinskampf erschöpfte Frau hat nicht mehr die Straft, in ihrem eigenen Heime viel Kultur zu verbreiten. In einem wirklich sozialistischen Staate muß auf die schwächeren physischen Kräfte der Frau Rücksicht genommen, das heißt, Frauenkräfte dürfen nicht ausgebeutet werden.

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Im öffentlichen Leben wird die Frau ohne Zweifel durch Taft und Güte dort, wo sonst die männlichen Leiden­schaften sich zu gewalttätigen Gefühlen steigern mildernd eingreifen. Niemals werden Frauen, die in der öffentlichen Volksvertretung Sitz und Stimme haben, Kriegsvorlagen annehmen und in neue Kriege einwilligen können. Allerdings haben sie bei Striegsausbruch in die allgemeine Kriegsbegei­sterung" miteingestimmt weil eben Massensuggestionen von unerhörter Gewalt sie dazu zwangen.

Die Hauptaufgabe der Frau im neuen Deutschland   liegt auf dem Gebiet der Friedensbewegung, vielmehr der tatkräf­tigen Kriegsverhinderung. Nie mehr sollten Frauen ihre Männer und Söhne mit dem Wahlspruch der alten Spar­tanerinnen: Mit dem Schilde oder auf dem Schilde" in den Krieg schicken, sondern eher den Machthabern, die sie zu Ariegen zwingen wollen, mutigen Widerstand entgegenstellen.

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Warum man Revolutionen erst nach einem verlorenen Kriege macht anstatt bei Ausbruch des Krieges, dar­über habe ich mir vergebens den Kopf zerbrochen. Auch der glänzendste Sieg würde ja für die furchtbaren Menschenver­luste keine Entschädigung bedeuten. Die Kultur der Frauen muß sich dahin entwickeln, daß sie ihren Söhnen von Kind­heit an den Abscheu gegen den Krieg einprägen und sie lehren Speere werfen" gegen diejenigen, die ihnen zu­muten, Menschen zu töten!

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Die Kultur der Ehe ist die eigentliche und intimste Sphäre der Frau. Bei dem Gefahrenwirbel, der das Leben geworden ist, ist dringend zu raten, diese Gemeinschaft so dauerhaft wie möglich zu erhalten, damit die Menschen nicht ganz atomisiert werden und nicht bloß in staatlichen und anderen sozialen Berufspflichten aufgehen, die ihnen niemals das ersetzen, was nur ein Mensch dem anderen geben kann: Liebe!

Grete Meisel- Heß  .

Die Genossenschaften und der Friede.

Die demokratische Republik, die wir uns errungen haben, ist der Boden, auf dem wir die soziale Republik aufbauen wollen; wir dürfen die demokratische Grundlage nicht gefährden, wenn wir den Sozialismus wollen. Und für den Sozialismus, für das Glück der Menschheit, für Herausgabe unserer Gefangenen und für den Weltfrieden werden wir demonstrieren am 1. Mai. Die Errungenschaften der Revolution müssen wir sichern und stehen vor dem schweren Problem, die Sozialisierung zu beginnen in einer Zeit, in der die Industrie daniederliegt, die zum großen Teil ihrer Arbeitsfähigkeit durch Kohlen- und Rohstoffmangel be­raubt und durch Arbeitseinstellungen start erschüttert ist.

Da sollten wir uns daran erinnern, daß wir einen wichtigen Faktor in unserer Genossenschaftsbewegung haben, die schon seit Jahrzehnten die Sozialisierung mit Erfolg in die Praxis umzu setzen bestrebt ist. Der bei der Warenverteilung sich ergebende Überschuß fällt der Allgemeinheit der Mitglieder zu, zum Teil durch prozentuale Anteilnahme des einzelnen Mitglieds, zum überwiegenden Teil durch überführung in die Gemeinschaftskaffe, aus welcher heraus dann Erweiterungen der Eigenbetriebe und Neueinrichtung solcher geschaffen werden, die ohne weiteres auf