Nr. 16

Die Gleichheit

das Wohlergehen der dort beschäftigten Arbeiter eingestellt sind durch vorbildliche Lohn- und Arbeitsverhältnisse. So wird hier der Unternehmergewinn durch die Genossenschaften ausgeschaltet und der Ertrag der Allgemeinheit zugeführt und hiermit das Prole­tariat aus der Knechtschaft des Kapitalismus befreit.

Im Wirrwarr der Revolutionszeiten ist die Genossenschafts­bewegung in den Hintergrund getreten. In der jetzigen hochpoli­tischen Zeit ist für sie nicht viel Raum gewesen, aber doch steht fie da als ein Felsen von Erz, der den Untergrund abgeben muß für die Sozialisierung der gesamten Lebensmittelversorgung unserer Bevölkerung. Schon drohen die Inhaber der privaten Lebensmittelgeschäfte mit Streit, wenn nicht bald die ihnen un­angenehme und ihren Verdienst einschränkende Zwangswirtschaft aufhört. Und das weiß jeder einsichtige Volkswirtschafter: es fann fein größeres Unglück für Deutschlands   Ernährung geben als die Wiedereinführung des freien Handels, solange die Knappheit der Waren anhält. Mögen sie streiken, die Lebensmittelhändler, mögen fie ihre Drohung wahr machen die Konsumentenorganisation fann nur Vorteil davon haben, und den ihr noch fernstehenden Bevölkerungskreisen wird dadurch die Wichtigkeit und Notwendig­keit der wirtschaftlichen Selbsthilfe am schlagendsten bewiesen.

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Die Genossenschaft ist die Vorstufe zum Sozialismus. War es nicht unsere kapitalistische Wirtschaft, die im Verein mit Militaris­mus und Herrschsucht zu dem unseligsten aller Kriege geführt hat? War es nicht das wilde Drauflosproduzieren ohne Frage nach dem Bedarf, war es nicht der Kampf um den Arbeitsmarkt, durch den die Handelsleute aller Staaten zu Konkurrenten wurden, die sich gegenseitig den Absatz streitig machten? War es nicht derselbe Kapitalismus, der seinen Arbeitern die Arbeitszeit nicht verkürzen wollte, der sich um einige Groschen Lohnerhöhung sträubte, weil er fürchtete, daß sein Konkurrent im Nachbarland ihm dann die Kundschaft fortnehmen würde? Daher die überfüllung des Welt­marktes mit Waren, daher der Kampf um die Absatzmärkte. Alles Teile der Ursachen, die zum Völkerkrieg geführt und uns arm und elend gemacht haben.

Den Bedarf der Menschheit an Gütern feststellen und dann diesen Bedarf in Betrieben produzieren, die der Allgemeinheit ge­hören, unter Wahrung der Rechte der Arbeiter, der Verbraucher und der Allgemeinheit; Austausch von Rohstoffen und Fabrikaten mit anderen Ländern nach Maßgabe der Aufnahmefähigkeit; Rege­lung der Erzeugung, Regelung des Verbrauchs- und das Wort wird zur Tatsache werden: Die Genossenschaft ist der Weg zum Frieden! Wer den Frieden will, der wolle auch die Genossenschaft, sie darf nicht vergessen werden am ersten Weltenmai der Re­volution. Gertrud Lodahl  .

Feiger Gedanken

Truk  .

Allen Gewalten

Bängliches Schwanken, Zum Truk   sich erhalten,

Weibisches Zagen,

Angstliches Klagen Wendet kein Elend, Macht dich nicht frei.

Nimmer sich beugen, Kräftig fich zeigen, Rufet die Arme Der Götter herbei.

Tagebuchblätter aus Weimar  .

Goethe.

Den 8. April 1919. Der Präsident der Nationalversammlung   hat die erste Sizung nach der Pause auf den 9. April angefeßt. Heute haben wir Wich­tiges in der Fraktion zu besprechen. Redner für den Etat werden bestimmt, die Stimmung im Lande besprochen. Schluß 10% Uhr.

Den 9. April 1919. Schiffer bespricht die Finanzlage. Zahlen schwirren. Milliarden, Millionen! Uns schwindelt. Doppelt und dreifach armes Deutsch­ land  !

Den 10. April 1919. Scheidemann   spricht. Die Zuschauertribünen sind bis auf den letzten Platz besetzt. Die sozialdemokratischen Fraktionen weisen große Lücken auf: in Berlin   tagt der Rätekongreß  ! Es kommen am Vormittag noch Pfeifer vom Zentrum in einer großangelegten, für das Ausland bestimmten Rede und von uns Hoch zum Wort. Am Nachmittag marschieren dann in mehr oder weniger gehalt­bollen Reden die Redner der anderen Parteien auf. Abgeordneter

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Rießer von der Deutschen Volkspartei   hat auch diesmal wieder Bech: das Haus ist fast leer. An diese parlamentarische Unart haben sich im Laufe ihres" Dabeiseins" auch die Frauen gewöhnt. Es ist aber verständlich, wenn man nach vier tapfer angehörten Reden einmal verschnauft.

Den 11. April 1919.

Die Tagesordnung sieht zum Fürchten lang aus. Zuerst die be­rühmten kleinen Anfragen, dann die Beratung der Sommerzeit. Herr Geheimrat Koebner gibt sich rechtschaffen Mühe, die Regie­rungswünsche vorzutragen und für die Sommerzeit Stimmung zu machen. Es ist ihm aber nicht gelungen, wie die oftmals heiter aufgenommenen Reden der einzelnen Fraktionsredner beweisen. Mit Ausnahme eines deutschnationalen Arztes find alle Parteien gegen die Sommerzeit; bei der Abstimmung wird die Wiederein­führung abgelehnt. Wir Frauen sind besonders froh darüber. Wissen wir doch, daß den Kindern die Stunde Schlaf täglich ge= raubt war und sie körperlich sehr darunter litten. Folgen noch Landsbergs eindringliche Ausführungen zum Entwurf eines Ge setzes über die Ausbildung von Kriegsteilnehmern zum Richter­amt. Ohne Verweisung an eine Kommission wird das Gesetz von allen Parteien des Hauses angenommen; ebenfalls und ohne Debatte findet das Kriegssteuergesetz vom 21. Juni 1916 Annahme.

Den 12. April 1919.

Eine merkwürdige Aufgeregtheit liegt als Stimmung über demt Hause, als der Präsident um 10 Uhr vormittags die Sizung er­öffnet. Bei den folgenden Verhandlungen wird die Tagesordnung nicht eingehalten und der letzte Punkt, die Regelung der Kaliwirt­schaft, vorweggenommen. Dies und das Gesek, welches die Re­gierung ermächtigt, Berordnungen zu erlassen, wird nach aus­gedehnter Beratung an Ausschüsse verwiesen. Das Haus vertagt sich dann mittags 2 Uhr auf Montag. Dann soll die bedeutsame Interpellation der Sozialdemokraten, die Ernährungsfrage be= handelnd, besprochen und vom Reichsernährungsminister be­antwortet werden.

Den 14. April 1919.

Die sozialdemokratische Interpellation, die vom Reichsernäh­rungsminister Antwort auf schwierige Ernährungsfragen ver­langt, gibt zuerst unserem Genossen Röhle( Sachsen  ) Gelegenheit, seine erste Rede in der Nationalversammlung   zu halten. In seiner Antwort ist Minister Schmidt von strengster Sachlichkeit. Er be­kräftigt nachdrüdlich, was wir ja leider zur Genüge wissen, daß das Sinken der Valuta unsere Ernährungsschwierigkeiten ber­schlimmert. Und jeder Streittag läßt die Valuta mehr sinken. Eine wichtige Fraktionssißung, die unbedingt zwischendurch stattfinden muß, verhindert uns am Anhören der Debatteredner. Wir kommen gerade hinzu, wie der Abgeordnete Wurm( U. S. P.) feststellt, daß unser Volt sich nur durch angestrengteste Arbeit retten tann, daß wir ohne diese verloren find. Es folgt noch eine Sitzung der Fraktion.

Den 15. April 1919.

Heute soll Schluß vor Ostern gemacht werden. Auf der langen Tagesordnung steht unter anderem die Beratung des Gefeßent­wurfes der Regierung zum 1. Mai. Minister David begründet in wundervollen Säßen den Entwurf. Alles bringt er zum Ausdruck, was uns aus chaotischer Gegenwart hoffnungsfroher in die Zu­funft schauen läßt. Markant sind seine Worte über den Krieg und seine Folgen. Der Zentrumsredner und auch der Vertreter der Demokraten äußern sich sehr vorsichtig, aber zustimmend. Von ganz rechts kommt angriffsluftiger Widerspruch, von einem prote­stantischen Prediger in pastoralem Pathos vorgetragen; von links spricht Haase, dem der von den Mehrheitsparteien eingebrachte Antrag zum Regierungsentwurf nicht weit genug geht. Ein Deutsch­nationaler beweist, daß er und seine Partei an den Dingen nicht lernen wollen. In geschickter Weise spricht Hildebrand von unserer Partei. Eine Geschäftsordnungsdebatte nimmt Zeit und Geduld weg und beschert uns eine namentliche Abstimmung. Das Gesetz ist angenommen. 161 Abgeordnete stimmten dafür, 80 dagegen, darunter die Abgeordneten der 1. S. P. Nachdem noch die übrigen Punkte erledigt sind, vertagt sich das Haus, bis es durch den Präsidenten Fehrenbach wieder zusammenberufen wird.

Einige Bemerkungen muß ich heute am Abschluß dieser Tagung hierhersehen: Neben den verschiedensten Unarien der früheren Parlamentszeit ist auch eine unleidliche, unwürdige Geheimnis­tuerei in die Gegenwart herübergenommen worden. Zum Beispiel haben wir Abgeordnete bei dem Abgang Schiffers das Blümchen­zupfspiel befragen müssen: Geht er, geht er nicht? Eine solch schlechte Informierung der Fraktion führt zu Beinlichkeiten.

Elifabeth Röhl.