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Die Gleichheit

allein schon geeignet, das Rechtsempfinden der breiten Volksmassen zu verlegen. Angesichts der politisch erregten Zeit ist die Wieder­holung politischer Vergehen Jugendlicher mit absoluter Sicherheit zu erwarten. Die Vorwegnahme der strafrechtlichen Behandlung Jugendlicher aus dem Gesamtkomplex der allgemeinen Straf­rechtsreform ist daher eine der dringlichsten Aufgaben der Gegen wart. Das rege Interesse an der Jugendpflege ist ein besonders wertvoller Wesenszug breiter Massen unseres Volkes, namentlich unserer Frauen. Schleunige Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege für Jugendliche werden das Vertrauen dieser Kreise in den sozialen Rechtswillen der Regierung wesentlich stärken. Sie geben insbesondere aber uns Frauen auch formell die Sicherheit, daß wir in der deutschen Republik, befreit von den Fesseln veralteter Traditionen, unsere Fürsorgetätigkeit für die Jugend Hand in Hand mit den Organen des Staates nach sozial­pädagogischen Grundsäßen zum Wohle unserer Jugend, zum Wohle unserer ganzen Zukunft ausüben fönnen.

Für die sozialdemokratischen Frauen Groß- Berlins. Das Frauensekretariat. J. A.: Todenhagen. Bielefeld . Der Stadtverordnetenversammlung vom 28. Mai lag ein Antrag von Fräulein Dr. Morisse vor:" Der Magistrat wolle bei der preußischen Regierung dahin wirken, daß möglichst bald der Landesversammlung ein Gefeßentwurf borgelegt wird, nach welchem die Frauen zu den Ämtern der Schöffen und Geschwo­renen sowie als Beisigerinnen im Kaufmanns- und Gewerbege= richt und im Mieteinigungsamt zugelassen werden", welcher eine sehr lebhafte Debatte hervorrief und in erster Beratung gegen die Stimmen des Zentrums, der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei angenommen wurde. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte kam der Antrag nochmals zur Abstim mung. Derselbe war nun so abgeändert, daß" Reichs" regierung anstatt preußische" und an Stelle von Landesversammlung" Na­ tionalversammlung " gesagt wird. Bei der zweiten Abstimmung waren alle Parteien für den Antrag, nur die Deutschnationalen enthielten sich der Stimme.

Hedwig Dohm . Die unermüdliche Verfechterin der Rechts­forderungen der Frauen ist, 86 Jahre alt, kürzlich in Berlin ge­storben. Ihr Leben, das in der Rebellionsluft des Vormärz be= gann, ist streitbar, erkenntnisstark und in freudigem Schaffen auf gediehen und zu Ende gegangen. Große Romanwerte Hedwig Dohms sind zu lebenswahren Spiegelungen der Zeitabschnitte deutscher Frauenbewegung geworden. Ein Buch der Greifin Die Mutter" kämpfte für die Einsicht, daß Mutterschaft und Berufs­tätigkeit nicht als Gegenfäße aufgefaßt werden dürfen.

Hedwig Dohm war die Gattin Ernst Dohms, des namhaften langjährigen Leiters des Kladderadatsch", dessen hundertster Ge­burtstag vor kurzem die Erinnerung an ein Stück alten Berlins wachrief. Zu diesem Alt- Berlin hat auch die nun verstorbene be­deutende Frau gehört, und geistfrisch hat sie darüber hinaus bis in eine Beit der Verwirklichung kühnster Jugendwünsche leben dürfen.

Wie groß und richtig diese seltene Frau die Forderungen der neuen Zeit auffaßte, beweisen nachstehende Worte, welche die drei­undachtzigjährige Greisin schrieb:" Väter und Mütter klagen: die Kinder wollen uns über den Kopf wachsen! Jawohl, das sollen sie auch so will es ein Gesez des geistigen Kosmos. Neue Gene­rationen, die hinter den älteren Generationen zurückbleiben, sind die Vorboten sterbender Völker. Der Beruf des Kindes ist: zu= fünftig zu sein."

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Die Frauenbewegung des Auslandes.

Jm Daily Herald" vom 13. Mai ist eine Notiz enthalten, wo­nach die Frauenliga in London eine Sammlung zum Besten not­leidender Kinder in Deutschland ausgeschrieben habe. Den Anlaß Dazu hätten Briefe englischer Soldaten gegeben, in denen das Elend in Deutschland geschildert worden. Es wird dann weiter berichtet, daß die erste Hilfeleistung in einer Million Gummisauger be­standen habe, die von einem Komitee in Berlin über das Reich verteilt worden sei. Eine Frage: Hat die Frauenliga auch daran gedacht, daß den Säuglingen mit den Stöpseln wenig geholfen ist, daß es vielmehr und vor allem an Milch und sonstigen Kinder­nährmitteln gebricht? Und weiß die Liga, daß der" Friedensver­trag" den Säuglingen sogar die wenige Milch noch vor dem Munde G. W. Ha a g. wegnehmen will? Franenwahlrecht in Holland . Die Zweite Kammer der General staaten hat nach dreitägiger Debatte die Vorlage zur Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechtes für sämtliche Wahlen ange=

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nommen. Nur elf stock reaktionäre, protestantisch- klerikale Mit­glieder stimmten dagegen, sämtliche Liberalen und Katholischen sowie auch die Sozialisten verschiedener Färbung dafür, so daß anzunehmen ist, daß auch die Erste Kammer in kurzem die Vor­lage annehmen wird. In diesem Falle wird zum erstenmal im Jahre 1922 für das Parlament, im Jahre 1923 für die Kommunal­und Provinzialwahlen durch Frauen mitgestimmt. Nur wenn vor­her eine Auflösung der Parlamente stattfinden sollte, üben die Frauen schon vorher ihr Wahlrecht aus.

Mit dieser Annahme ist die erste der Forderungen durchgesetzt, die unsere Partei zusammen mit der Gewerkschaftszentrale im November 1918 aufstellte, als die deutsche Revolution ihre Wellen auch nach Holland schlug. Daß die Arbeiter für die anfänglich scharf bekämpfte Reform reif geworden sind, ist hauptsächlich. dem unermüdlichen Wirken der sozialistisch organisierten Frauen zuzu­schreiben, denen es zuerst gelang, eine wirkliche Volksbewegung für das allgemeine Frauenwahlrecht zu entfachen, was den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen mit ihrer Forderung des beschränkten Frauen­wahlrechtes nie gelang.

Die deutschen Gefangenen in Frankreich . Das nachstehende Schreiben wurde von französischen Arbeiterinnen an das Inter­ nationale Rote Kreuz gerichtet:

Saint- Etienne du Rouvray, den 15. Februar 1919. Mein Herr!

Entschuldigen Sie, wenn wir Frauen von Einberufenen uns er­lauben, Ihnen zu schreiben. Wir möchten Ihnen mitteilen, was sich in unserer Stadt Saint- Etienne abspielt:

Die deutschen Gefangenen, die auf der Eisenbahn beschäftigt sind, werden wie Sträflinge behandelt, sie werden wie die Hunde ge­schlagen und schlecht genährt. Das bricht uns Müttern der Einbe­rufenen das Herz. Denn wir sehen, daß diese Männer vor Hunger sterben. Trotzdem es uns selbst an Brot fehlt, können wir nicht anders, als ihnen von Zeit zu Zeit, wenn der Zufall es gestattet, Brot zuwerfen. Sie stürzen sich darauf wie ausgehungerte Tiere. Die französischen Wächter behandeln sie roh, nur wegen eines Bissens Brot. Wir hoffen, mein Herr, daß Sie in dieser Angelegen heit einschreiten werden, um ihr Los zu verbessern. Wir haben deswegen schon an verschiedene Stellen geschrieben, leider aber ohne jeden Erfolg. jeden Erfolg. Wir begrüßen Sie.

Eine Gruppe Arbeiterinnen

aus Saint- Etienne du Rouvray bei Rouen( Seine- Inférieure ).

Bekanntmachung.

Die Zwischenscheine der IX. Kriegsanleihe für die 4%%%% Schatzanweisungen können vom 4. Juni ab, für die 5% Schuldverschreibungen vom 23. Juni d. J. ab in die endgültigen Stücke mit Zinsscheinen umgetauscht werden.

Der Umtausch findet bei der Umtauschstelle für die Kriegs. anleihen", Berlin W 8, Behrenstraße 22, statt. Außerdem über­nehmen sämmtliche Reichsbankanstalten mit Stasseneinrichtung bis zum 5. Dezember 1919 die kostenfreie Vermittlung des Umtausches. Nach diesem Zeitpunkt können die Zwischenscheine nur noch un­mittelbar bei der Umtauschstelle für die Kriegsanleihen" in Berlin umgetauscht werden.

Die Zwischenscheine sind mit Verzeichnissen, in die sie nach den Beträgen und innerhalb dieser nach der Nummernfolge geordnet einzutragen sind, während der Vormittagsdienststunden bei den ge= nannten Stellen einzureichen; Formulare zu den Verzeichnissen sind bei allen Reichsbankanstalten erhältlich.

Firmen und Kassen haben die von ihnen eingereichten Zwischen­scheine rechts oberhalb der Stüdnummer mit ihrem Firmenstempel zu versehen.

Von den Zwischenscheinen der früheren Kriegsanleihen ist eine größere Anzahl noch immer nicht in die endgültigen Stüde umge­tauscht worden. Die Inhaber werden aufgefordert, diese Zwischen­scheine in ihrem eigenen Interesse möglichst bald bei der ,, Umtausch stelle für die Kriegsanleihen", Berlin W S, Behrenstraße 22, zum Umtausch einzureichen.

Berlin , im Juni 1919. Reichsbank- Direktorium.

Havenstein.

v. Grimm.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bohm- Schuch, Berlin SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Dieß Nachf. G.m.b.g. in Stuttgart .