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Die Gleichheit
der Menschheit. Die Jugend aber ist das Fundament, auf dem aufzubauen ist; sie ist dem Marmorblock gleich, der rohe Maffe zunächst von Künstlerhand zu edler Form und reiner Harmonie gebildet wird. Ein Teil der Charaktereigenschaften, die wir bei dem Menschen im reifen Alter finden, ist schon in der Jugend ausgeprägt; die Menschen sind von Natur aus weder absolut gut, noch absolut schlecht und mag auch der immerwährende Kampf ums Dasein ein Hartwerden des Charakters mit sich bringen, so hat doch als Folge der ökonomischen Verhältnisse sowie auf Grund der Vererbung auch schon die Jugend Fehler, die sich bis zu Vergehen und Verbrechen steigern und damit in den Kreis des öffentlichen Interesses treten.
An dieser Grenze greift die Staatsgewalt ein, und die Anklagebehörde bemächtigt sich des jugendlichen Verbrechers. Nun sind wir ja über jene schreckenerfüllte Zeit des Mittelalters hinweg, in der Tierprozesse an der Tagesordnung waren und in der natürlich auch der Jugend gegenüber irgendein tieferes psychologisches Verständnis nicht zu finden war. In dieser Hinsicht verdanken wir eine große Besserung in der öffentlichen Strafrechtspflege wie in der Behandlung der Jugendlichen der Aufklärungszeit und den ihr folgenden Jahrzehnten, und so finden sich denn auch im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich" vom 4. Mai 1871 Bestimmungen über die Bestrafung jugendlicher Personen, welche dem Verständnis für den jugendlichen Delinquenten in gewissem Sinne entgegenzukommen sich bemühen. Das Alter vom 12. bis 18. Jahre gilt als Strafmilderungsgrund; der Jugendliche ist freizusprechen, wenn er in diesem Alter die zur Erkenntnis der Strafbarkeit der Handlung erforderliche Einsicht nicht besessen hat(§ 56); er ist milder zu bestrafen, wenn er diese Einsicht besaß. Der wesentliche Inhalt des hierüber bestimmenden Paragraphen 57 ist der, daß gegen den Jugendlichen nicht auf Buchthaus erkannt werden kann, daß die bürgerlichen
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morden, zerstören zu müssen, oder diejenigen, die sich gegen diese Wahrheit" auflehnten und deswegen für verrückt erklärt wurden? Müssen wir uns denn der Lüge unterwerfen?„ Wenn wir das Elend, den Jammer der Welt erkennen, es still hinnehmen und uns nicht bemühen, es mit allen Sträften zu bekämpfen, so beweisen wir nur, daß wir dieses Glend verdient haben." Hier ist Duysen nicht nur Dichter, sondern Kämpfer und Vorfämpfer! Das Theater wird zur revolutionären Stätte! Es wird zum
Mittel, das unserem Willen die Richtung geben soll. Und diese Willensrichtung Duysens, der von der Kunst ausgeht, eint sich mit der wissenschaftlichen der Sozialisten: beide suchen über das Religiös- lebersinnliche fort lebenslängliche, lebensbejahende Wurzeln zu schlagen in der irdischen Welt. Und aus der tiefsten Sehnsucht und Not heraus mendet er sich an die Mütter:" Ja, warum schriet Ihr nicht, als Ihr in Eurem Lebensnerb gebroffen wurdet.... als man Euch Eure Kinder nahm? Ihr wäret die Berufenen gewesen."
Der Höhepunkt der Tragödie ist die Gerichtsszene. Und diese wie das letzte Bild am Sterbelager der Mutter sind von hoher dramatischer Wirkung. Den ersten Bildern fehlt diese und trotz der Schönheit und Gedrungenheit der Sprache und Ge. staltung und trotz des Gedankenreichtums, findet sich vielleicht kein Theaterdirektor, der das Wert auf die Bühne bringt. Es gehört Mut und Können dazu, aber wenn beides vorhanden, dürfte der Versuch lohnen. K. H.
N. Lenin ,„ Die nächsten Aufgaben der Sowjet- Macht", Berlag Franz Pfemfert , Berlin- Wilmersdorf.
Leo Trogli, Arbeit, Disziplin und Ordnung werden die sozialistische Sowjet- Republik retten", Verlag Gesellschaft und Erziehung G. m. b. H., Berlin .
Der stärkste Eindruck, den die Ausführungen der beiden russischen Kommunistenführer hinterlassen, ist der einer rücksichtslosen Offenheit. Diese Selbstbefenntnisse, die schonungslos alle Fehler aufdecken, die von den Führern der russischen Räterepublik ge= macht wurden, verdienen in der Tat, von jedem Arbeiter, von jedem Sozialisten gelesen zu werden. Denn nur wenn das Pro
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Ehrenrechte ihm nicht abgesprochen werden können, sowie daß er nicht unter Polizeiaufsicht gestellt werden darf. Personen, welche bei Begehung der Handlung das 12. Lebensjahr nicht vollendet haben, können strafrechtlich nicht verfolgt werden.
In diese nüchternen Paragraphen ist das Schicksal unserer Jugendlichen gelegt. Daß dem Gesetzgeber jedes tiefere Verständnis für das Wesen des jugendlichen Verbrechers fehlt, dürfte auch dem Laien ohne weiteres flar sein; hier muß eine Reform an Haupt und Gliedern einsetzen, soll nicht der Gesamtheit des Volkes unsäglicher Schaden bereitet werden.
Was wir zunächst fordern, ist die weibliche Advo tatur im Verfahren gegen Jugendliche. Die Frau, oft selbst Mutter, muß naturgemäß ein anderes, tieferes Verständnis für die Seele des Jugendlichen befizen, als es der Mann selbst beim besten Willen haben kann. Gerade hier, wo es weit weniger auf eine wissenschaftlich- jurisusche Durchdringung doktrinär- theoretischen Stoffes ankommt, als auf ein liebevolles Versenken in die Ideenwelt eines jungen Menschen, der sich auf Irrwegen befindet, gerade hier kann die Mitarbeit der Frau nicht entbehrt werden. Die Frau, von der man sagt, daß sie noch einmal das Leben ihrer Kinder mitlebt, muß naturgemäß anders in das Wesen des Jugendlichen einzudringen imstande sein als jemand, dem die Frage lediglich eine Angelegenheit des juristischen Interesses oder der Uebertragung einer theoretischen Norm auf den praktischen Einzelfall ist.
Aber bei der bekannten Nichtachtung des Anwaltstandes durch das Richtertum fönnen wir uns mit der Frau als Verteidigerin nicht zufrieden geben; es würde ihr in diesem Falle eine lediglich beratende Rolle zugewiesen werden, während das Urteil legten Endes doch wieder in die Hände eines Richters gelegt würde, der vielleicht den Anregungen der Verteidigung nicht zu folgen imstande wäre. Unsere Forderung geht also dahin, der Frau das Mitbeschließungsrecht einzuräumen, das heißt, letariat in seiner Gesamtheit sich die russischen Grfahrungen zu eigen macht, ist die Gewähr vorhanden, daß die gleichen Fehler bei uns vermieden werden.
Troß der Einsicht in die begangenen Fehler, troß der erkannten Notwendigkeit, die Revolution zurückzuschrauben, die Sowjetrepublik aus dem erträumten Idealzustand in die Wirklichkeit zu retten, halten Lenin und Trotti am Bolschewismus, das heißt an der russischen Form des Kommunismus fest. Ich dagegen habe aus beiden Schriften vor allem die Erkenntnis gewonnen, daß nicht die Kommunisten, sondern wir Mehrheitssozialisten auf dem rechten Wege sind.
So viel ist gewiß, daß von den rein kommunistischen Ideen und Grundsäßen, die die Bolschewisten bei Beginn ihrer Herr. schaft in die Tat umsetten, nicht mehr viel übrig ist. Daß die Bolschewisten gezwungen sind, ihren Radikalismus mehr und mehr abzuschwächen, und so allmählich durch die Macht der Tatsachen auf den Weg gedrängt werden, den die Sozialdemokratie von Anfang an als den einzig richtigen und einzig gangbaren erfannt R. H.
hat.
Die Broschüre„ Die Anklage der Gepeinigten", die wir in unserer Nr. 18 ausführlich besprochen haben, ist in dem Verlag " Der Firn", Berlin W. 62, Lutherstr. 19, erschienen. Der Preis beträgt 80 Pf.
Kein Vorbereiten hilft, das Rechte recht zu tun, Denn anders dachteft du, und anders tuft du nun. Ein andrer füblit du dich im Tun, als du dich dachteft, Und findelt andres vor, als du in Rechnung brachtelt. Drum ist kein Rat, als dich im ganzen recht zu fallen, Und dann das Seinige dem Augenblick zu laffen.
Friedr. Rückert.