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Die Gleichheit

vorgeschlagene Persönlichkeit könnte es ebensogut und viel leicht besser, weil sie diesen Dingen noch neutraler und vor­urteilsfreier gegenüberstehen würde. Ich könnte mir auch denken, daß ein Verein sich bilden könnte, der das Geschäft­liche für alle Schulelternabende einer Stadt- oder Land­gemeinde übernehmen würde. Je drei Mitglieder müßten sich einer Schule widmen, Einladungen versenden, Redner auffordern, die Abende leiten und die eventuell gefaßten Beschlüsse und Beschwerden der zuständigen Stelle über­bringen. Ein sehr kleiner Beitrag könnte von den Eltern zur Deckung der Unkosten erhoben werden. Vielleicht monat­lich 10 Bf. oder gar eine halbe Mark. Derselbe Verein könnte aber auch noch andere Ziele verfolgen. Er müßte, und dabei denke ich hauptsächlich an die Volksschulen, ge­jellige Abende für die abgegangenen Schüler und deren Angehörige veranstalten. Das Wort Angehörige" möchte ich recht weit gefaßt wissen. Natürlich männliche und weib­liche, damit ein möglichst großer Teil des Volkes an den Abenden teilnehmen kann. Diese müßten Sonnabend oder Sonntag stattfinden, Musik, Rezitation, Vorträge mit und ohne Lichtbilder müßten geboten werden. Ein geselliges Beisammensein, wobei gelegentlich auch getanzt werden könnte, müßte den Schluß jeder Veranstaltung bilden. Man will im Volfe am Sonntag ein Vergnügen haben. Da es nicht viel kosten darf, werden immer wieder die niedrigsten Variétés und Konzertlokale besucht, während diese an die Schulen angeschlossenen Abende neben dem Vergnügen sicher die Besucher auf eine höhere ästhetische und ethische Stufe heben würden. Zu den verantwortlichen Veranstaltern solcher Abende müßten stets Männer und Frauen aus den beteiligten Kreisen hinzugezogen werden. Die Kosten, die durch Benutzung der Schulräume ja gering bleiben, wären. durch einen kleinen Beitrag zu decken.

Die Verbindung des Menschen mit der Schule sollte während des ganzen Lebens nicht aufhören. Kindergarten, Schule, Fortbildungsschule, Erholungs- und Vergnügungs­stätte, eins müßte sich dem andern anreihen und ein segen spendendes Ganzes bilden. Auch hier werden erst durch weiblichen Einfluß wirklich fruchttragende Ideen in die Tat umgesetzt werden.

Aus unserer Bewegung

Soz. Frauenkonferenz in Baden

Anschließend an die Landesversammlung fand am 8. September in Karlsruhe   im Lokal Auerhahn" eine Frauenkonferenz mit folgender Tagesordnung statt: 1. Agitation und Organisation", Referentin Genoffin Blaje- Mannheim. 2." Frauenarbeit und Frauenschuh", Referentin Genossin Fischer- Karlsruhe.

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Die Verhandlung war von gutem Geiste gebragen, deutlich war zu erkennen, daß auch die badischen Frauen bestrebt sind, die Biele des Sozialismus verwirklichen zu helfen. Anregungen zur ferneren Tätigkeit tamen im 1. Punkt genügend zum Ausdruck.

In erster Linie betonte Genossin Blaje, daß es uns gelingen möge, unsere Frauenbewegung auf eine feste Grundlage zu stellen. Wir müssen bestrebt sein, die neu gewonnenen Genofsinnen zu schulen und zu tüchtigen Sozialistinnen heranzubilden. Da gilt als dringendste Arbeit, das Parteiprogramm zu erläutern.

Leseabende wären dazu erforderlich, auch die Gleichheit und wichtige Broschüren sollten uns dabei helfen. Auserlesene Ge nofsinnen, welche redegewandt sind, wären in besonderen Kursen unter Leitung eines tüchtigen Genossen weiterzubilden.

Ferner wäre zu wünschen, daß in alle Kommissionen Frauen gewählt werden, denn nur dort ist praktisch Parteiarbeit zu lernen. Zu den gemeinsamen Veranstaltungen der Partei sollten unsere Genossinnen vollzählig erscheinen.

Troßdem sind besondere Frauenversammlungen von großer Wichtigkeit, wie es auch im Jahre 1908 auf dem Nürnberger  Parteitag bei Schaffung der Neuorganisation zum Ausdruck fam. Kinderschutzkommissionen sollten, wo irgend möglich, gegründet, die früher bestandenen und während des Krieges eingegangenen neu aufgerichtet werden.

Das Frauenwahlrecht hat uns unter anderem in der Kommune ein großes Arbeitsfeld eröffnet. Eine größere Anzahl weiblicher

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Stadtverordneten und Gemeindevertreterinnen haben in mehreren Kommiffionen ihre Pflicht zu erfüllen, besonders in der sozialen Fürsorge und Wohnungspflege.

Im badischen Landtage fißen 4. Genofsinnen als Abgeordnete. An praktischer Mitarbeit fehlt es also bei einigen Genofsinnen. nicht, diesen fällt nun die Aufgabe zu, mit Hilfe mehrerer tätiger Genossinnen alle die fernstehenden und indifferenten Frauen und Mädchen für unsere Sache zu gewinnen.

Genossin Fischer- Karlsruhe gab uns ein geschichtliches Bild über die Entwicklung der Frauenarbeit. Ganz besonders betonte sie dabei, daß die Frau sehr häufig als Ausbeutungsobjekt diente und gar oft zur Schmukkonkurrentin des Mannes wurde.

Mit ergreifenden Worten schilderte die Referentin hierbei die Ausbeutung der Frauen während des Krieges durch die Heeres­Tieferanten; lettere seien auf Grund der schlechtbezahlten Frauen­arbeit nicht selten Millionäre geworden.

Wenn nun infolge der Umwälzung und durch Verordnungen die Frauenarbeit eingedämmt wird und den heimkehrenden Kriegern Blat gemacht werden muß, so ist die Frau beim Urteil selbst heranzuziehen. Die Bedürftigkeit ist bei allen Entlassungen genau zu prüfen. Aenderungen und Verbesserungen in verschiedenen Gesezen seien zu begrüßen, doch noch vieles fönnte eine bessere Ausgestaltung erfahren, wenn finanzielle Mittel vorhanden wären. Die Witwen und Waisenversicherung sei völlig unzureichend. Genosse Tr. Kraus schilderte uns in längeren verständnisvollen Ausführungen die Zukunftsaufgaben der Partei. Im Geiste ließ er nochmals die Schrecknisse des Weltkrieges an uns vorüber­ziehen und betonte, daß gerade die Frau dazu berufen sei, die Versöhnung der Völker herbeizuführen. In erster Linie dürfe die Frau das langersehnte Wahlrecht sich nicht nehmen lassen.

Genosse Marum von der Landtagsfraktion und Genosse Hahn bom Landesvorstand überbrachten der Konferenz herzliche Grüße und versprachen unserer fünftigen Arbeit aufrichtige Unterstüßung. Es waren 35 Genossinnen als Delegierte anwesend, die sich lebhaft an der Diskussion beteiligten.

Der Frauengesangverein Karlsruhe verschönerte die Konferens und brachte in dankenswerter Weise einige Lieder zum Vortrag. Es ist unser sehnlichster Wunsch, daß alle Teilnehmerinnen Karlsruhe   mit dem Bewußtsein verlassen haben, in der Heimat ihre Arbeit mit Feuereifer aufzunehmen und so die Frauen­bewegung und die Gesamtpartei zu fördern.

Denn gemeinsam wollen wir bezwingen Das Glend, das in Bann uns schlägt; Der Menschheit Güter zu erringen All dem, der Menschenantlik trägt.

Th. B.

Aus der Frauenbewegung des Auslandes

Die englischen Wahlen

Nach dem Sieg in Bothwell   hat die englische Arbeiterpartei bei der Ersatzwahl in Widnes   ihren zweiten, ebenso unerwarteten wie überraschend großen Erfolg errungen. Unser Genosse Henderson hat 1000 Stimmen mehr als sein Gegner erhalten, obgleich dieser Wahlkreis seit Jahrzehnten zum sichersten Besitz der Konservativen zählt. Ein deutliches Zeichen für den Um= schwung der Stimmung in England. Noch im Dezember 1918 war der Arbeiterkandidat gegen den Koalitionskandidaten mit 8694 Stimmen unterlegen. Nun hat Henderson glatt gesiegt.

Das ist um so mehr zu begrüßen, als Genosse Henderson jeit dem Rücktritt Vanderveldes Vorsitzender des Internationalen Bureaus ist. Er führte auch auf der Luzerner   Konferenz den Borsitz und hat dort sowohl seine Gerechtigkeit gegenüber Deutsch  land als auch seine unbedingte Gegnerschaft gegen den Bolsche­wismus deutlich zum Ausdruck gebracht.

Mit einem dritten Sieg rechnet die Arbeiterpartei bei der be= borstehenden Wahl in Pontefract, für die der Genosse Burns als Kandidat aufgestellt worden ist.

Ein besonderes Kennzeichen des Wahlkampfes ist das Eintreten der ländlichen Bevölkerung für die Kandidaten der Arbeiterpartei. " Die Landbevölkerung ist erwacht!" schreibt unser Bruderblatt, der Daily Herald", am 2. September. Und er fährt fort über den Anteil, den die englischen Frauen am Wahlkampf nehmen: Ein anderes Kennzeichen des Wahlfeldzuges ist die grenzen­lose Begeisterung der Arbeiterinnen, die sich mit einem Feuer­eifer in den Kampf stürzten, der ansteckend wirkte."

Hoffen wir, daß wir das bei den kommenden Wahlen im Winter K. H. auch von unseren deutschen Frauen sagen können.