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Novemberfang der Frauen

Junges Jahr mit ichönen Tagen, Jugendluft und Ueberfchwang Wird zu Ichwerem Mühegang, Ebe wir gedenken.

Die Gleichheit

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Liebe fordern, Liebe Ichenken Und der Liebe Früchte tragen Das ist unier Los.

Sonnenlicht in grauen Tagen, Sommerwind und Herbitesflor. Kinder wachfen uns empor; Mädchen, Itill veríunken, Jungens, ihrer Kräfte trunken, Sehnen lich nach frischem Wagen Das ist unfer Glück.

Dunkles Jahr in dunklen Tagen. Krieg bricht düfterloh ins Land, Reißt die Jugend hand von band, Mütter vor die Gräber.

Tod geht um, der Schickialsweber. Mörder! Keiner will uns fragen. Das ift unfer Leid.

Neues Jahr mit neuen Tagen. Morgen glüht in Feuern rot: Friede, Freude, Freiheit, Brot! Ihrer Mütter Weinen

Wird die Menschen neu vereinen, Das ist unler Ziel.

Leo Arons  

Artur Zidler.

Die Sozialdemokratie ist jeht die mächtigste Bartei in Deutsch  lond, sie ist Regierungspartei geworden, und ihr anzugehören fordert nicht nur lein Opfer mehr, so mancher mag heute im Gegenteil das Bekenntnis zu ihr als das bequemite Sprung breit zu Ehren und Etellungen ansehen.

In der Heroenzeit der deutschen Arbeiterbewegung, in die des uns nan entriffenen Genossen Leo Arons  ' Jugend und Mannes alter fiel, war das anders. Der Sozialdemokrat war in der bürgerlichen Gesellschaft verjemt, mißtrauisch ging man ihm aus dem Wege, und es gehörte schon ein gewisser Mut dazu, fich öffentlich Sozialist zu nennen. Daß gar ein Unniversitäts­lehrer zugleich sozialdemokratischer Politiker war, das stand in Deutschland   einzig de, und es ist deshalb begreiflich, daß alle Regierungszöpfe sich vor Entfetzen darüber sträubten..

Im Jahre 1899 erhob das preußische Kultusministerium bei der philosophischen Fakultät der Berliner   Universität, bei der der Physiker Leo Arons   habilitiert war, gegen den bedeutenden, von seinen Kollegen hochgeschäßten Gelehrten die Antlage, durch feine politische Betätigung gegen feine Berufsehre als akademi­scher Lehrer verstoßen zu haben. Die Fakultät besoj sobiel Anstandsgefühl, Arons   freizusprechen, da ee nie versuchie, auf Die Studierenden agitatorisch einzuwirken" und nach dem Seug­nis der Fachmänner ein ausgezeichneter jüngerer Gelehrter und nach dem Zeugnis aller, die ihn näher fannten, ein tadellosez Brivelcharakter" fei. Doch die Regierung ruhte nicht. Um ihr Ziel: Arons   Ausschluß aus der akademischen Lehrtätigkeit au erreichen, brachte sie im Landtag ein eigenes Gesetz ein, die berüchtigte Bey Arons", das eine Handhabe zur Entfernung des gejährlichen Privatdozenten geben sollte. Die reaktionäre Land tagsmehrheit stimmte dem Gelegenheitsgefch zu, und Arons   wurde das Recht zur Ausübung der Privatdozentuz entzogen. Damit war ihm auch die Möglichkeit ausgedehnter wissenschaftlicher Weiterarbeit genommen. Der Vorgang ist nicht nur für die Stellungnahme der damaligen Regierungsfreise gegenüber ber Arbeiterbewegung, sondern vor allem auch für den Mann selbst charakteristisch, gegen den sich die kleinlich- gehässige Attion rich tete. Reo Arons brachte es nicht fertig, sich, wie das unter deut­jdjen Gelehrten üblich war und noch immer ist, mit bornehmer" Ausschließlichkeit in seine Spezialwissenschaft zu vergraben, so tief er ihr auch ergeben war und so bedeutende Erfolge er hier fchon errungen hatte. Er war fein bloßer Fach- und Schreib­stubengelehrter, er war ein Mensch mit leidenschaftlich glühendem Herzen, erfüllt von reinster Menschenlebe, durchbrungen von tem Bewußtsein, daß es die erste sittliche Pflicht jedes einzelnen

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fei, mit dem Einsatz seiner ganzen Kraft mit an der Lösung der gesellschaftlichen Probleme au arbeiten.

Aus reichem Hause stammend, von hoher wissenschaftlicher Be­jühigung, gab er sich doch nicht gleich der großen Mehrzahl seiner Sameraden in der Studentenzeit jugendlich forglosem Genießen hin. Schon damals quälte ihn das Problem der sozialen Un­gleichheit, und er vergrub sich in alle Wirtschaftstheorien, die einen Ausgleich der Klassengegenfähe zu verheißen schienen. So wurde er zunächst Anhänger der sogenannten Bodenreformer bewegung, die damals viele junge suchende Geifter in ihren Bann zog. Raftlos weiterdentend erkannte er bald deren Bea grenziheit und fand den Weg zum Margismus. Aber nicht auf Die wissenschaftliche Erkenntnis allein tam es ihm an. Wie die innere Auflehnung des fitlichen Gefühls gegen die Ungerechtig­Zeit der Kiaffenscheidung die bewegende Kraft für seine jogialen Studien war, so fühlte er die Pflicht nun auch an seinem Teil, praktisch für die Besserung der sozialen Zustände zu wirken. Er trat in die sozialdemokratische Partei ein und stellte ihr feine Strajt zur Verfügung. Bis zu den Jahren schwerster Krankheit hat Arons   niemals aufgehört nach den verschiedensten Richtungen hin im Dienste der Sozialdemokratie zu arbeiten.

Er war ein wundervoller Lehrer. In zahlreichen Vorträgen in der Arbeiterbildungsschule, an deren Gründung er beteiligt war, in naturwissenschaftlichen Kursen, in den von ihm geschaffenen schönen Weihnachtsbücherausstellungen im Gewerkschaftshaus, überall gewann er durch die selbstlos hingebende, gütig ver­stehende Art, mit der er sich in die Geele, feiner Hörer ver­Senfte, die Herzen der Arbeiter und Arbeiterinnen, überall suchte er in ihren zu weden, wovon er selbst so ganz erfüllt war: den Glauben an die erlösende Kraft des Geistigen im Menschen, der ihm angleich der Glaube an den Sozialismus war. Denn was Leo Arons   Sozialismus nannte, das war in Wahrheit der Begensatz zu der Welt der materiellen Interessen, des egoistischen Gewinnstrebens, in der wir heute noch so gut wie damals leben. Die sozialistische Gesellschaft bedeutete ihm eine Gesell. schaft der Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Menschenliebe, in der jeder für den anderen eintritt, jeder seine Arbeitskraft, fein beftes können in den Dienst des Ganzen stellt. Der Klaffen­Tampf war ihm wie Karl Marg mur das wirtschaftliche Mittel, fich diesem Sozialismus anzunähern, dessen fortschreitende Bex­virflichung indes fortschreitend die Solidarität allex Gesellschaftsglieder an Etelle des Klaffenlampjes jepen müsse. Freilich konnte Arons  , der strenger fachlicher Denter war, me versuchen, dies sozialistische deal anf utopistischem Wege durch zusetzen; er jah Welt und Menschen nicht durch phantastisch ver­zerrende rosenrote Brillengläser, sondern mit dem scharf be­obachtenden Blid des wissenschaftlichen Forschers. Deshalb war er Realpolitifer. Er wußte, daß die gesellschaftliche Entwicklung sich nicht in gewaltsamen Sprängen, in vorgezeichneter ichnur­perater Linie, sondern in lebendiger Triebfraft, von zahlreichen verschiedenen Punkten her vollzieht, daß oft gerade im Kleinsten und scheinbar Rüchternften der Same zum Größten und Wesent Hichsten stedt. Ihn bebeittete der tönende Bhrasenschwall der­üblichen Versammlungsreden nichts, hinter dem sich meist nur der Mangel fachlichen Wissens, konkreter Dentbegriffe und flaren Anschauungsvermögens verbirgt. Dagegen sah er in der blühen­ben Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung, in der altiven kommunalen und parlamentarischen Gesetzgebungsarbeit die eigentlich revolutionären Mittel der Arbeiterklasse. Zweigen der Bewegung widmete er sich deshalb an erster Stelle, als ihm der erzwungene Rüdtritt von dem akademischen Lehr­amt mehr Muße für die Parteitätigkeit übrig ließ. Lange Jahre war Arons   Mitglied der Berliner Stadtverordnetenver­sammlung, eines der Mitglieder, die nicht bloß Reben hielten, sondern wertvolle, von allen Parteien hochgeschäste fachliche Ar­belt leisteten.( Ganz besondere lag ihm das Bolks- und Fort­bidungsschulwesen am Herzen.) Die Gewerkschaften verdanten ihm oußerordentlich viel. Ohne seine Hilfe hätte das Berliner  Gewertschaftshaus nicht geschaffen werden können, und zahl­reiche seiner schönsten Einrichtungen find nur auf Arons  ' An­regung jurüdzuführen.

Diefen

In der inneren Bolitik ist er vor allem durch seinen jahres langen Kampf für die Beteiligung der Partei an den Wahlen zum Breußischen Landtag und später durch die eingehende Bes handlung der speziell preußischen Probleme bekanntgeworden. Seine Stellungnahme in diesen Fragen bedte fich mit feiner gesamten politischen Anschauungsweise. Er betämpfte auch hier die Unfruchtbarkeit der reinen Ablehnungs- und Demonstrations­