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Die Gleich beit

utalfes Kultur. Nicht umsonst wurde zur Feier der württem bergischen Verfassungsannahme im Landestheater das Drama des Schwabendichters, Schillers Wilhelm Tell ", aufgeführt. Mit seinen zündenden Worten löste es jubelnde Begeisterung aus. Wehmütig aber flang die Mahnung des sterbenden Attinghaus in den Jubel: Seid einig, einig, einig!" Werden wir es lernen, einig zu sein, damit ter Frost nicht alle Blütenträume des 9. No­bember vernet? Anna Blog, M. d.

Beibehaltung der Frauenreferate Fräulein Dr. Lüders, Mitglied der demokratischen Frak­tion der Nationalversammlung, ist wiederholt schriftlich und mündlich für die Beibehaltung der sogenannten Frauen­referate eingetreten. Die Frauenreferate sind seinerzeit in­folge des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsd enst bei den Kriegsomthaupt- und nebenstellen eingeführt worden. Sie hatten die Frauenarbeitsmelde- und-beratungsstellen sowie die Fürsorgevermittlungsstellen zu organisieren und zu überwachen. Das Kriegsamt in Berl'n hatte als Zentral­behörde ein entsprechendes Frauenreferat, dem ein natio­naler Ausschuß für Frauenarbeit im Kriege übergeordnet war. Die Frauenreferate hatten weibliche Arbeitskräfte für die Arbeiten zu gewinnen, die bis dahin von Männern ge­leistet worden waren, die für die Front freigemacht werden sollten, für Industrie- und Bureauarbeiten in Heimat und Etappe. Aus dieser Pflicht leiteten die Frauenreferate bre fozialen Aufgaben her: Schutz der arbeitenden Frauen durch besondere Vorkehrungen, Fabrikpflege usw., Erleichterung der bausfraulichen Pflichten durch entsprechende Fürsorge­einrichtungen. So hatten sie für Unterkunft und Verpfle gung in das Kriegsgebiet, die Etappe oder in Industrieorte abgewanderter Frauen, für Unterbringung und Erziehung ihrer Kinder zu sorgen. Sie haben auf Grund dieser Auf­gaben, wie das damals militärischer Brauch war, in alles hineinregiert. Wie Ludendorff die Kriegsbeschädigtenfrage vom Standpunkte des Endsiegs behandelte, so sic die Kinder­gärten. Wo sozial gesinnte und geschulte Frauen faßen, da

Zu ihnen bekennt fich mir eine Gemembe; bei jenen anderen steht die Vielheit des Volfes, die sklavisch das erste der Ge­bote zu erfüllen bemüht war: nicht zu denken!

Denn Nicht- Denken war im wilhelminischen Deutschland unbedingte Pflicht. Der Geist, alles Eigenleben. jedes Per jönlichkeitsgefühl, der den meisten innewohnende Drang nach Selbständigkeit wurde auf die ich möchte fagen: rafft nierteste Weise unterdrückt, erstickt, uniformiert.

Der Drang unserer Zeit an sich, der verwärtszwingende Wille, das neue Seelenleben", der Geist der Unterneh mung"( um mit Kari Lamprecht zu reden) findet dadurch feine Berurteilung; das würde ja starr- fonservatives Fest­halten am überholten Alten, würde& indseligkeit gegen jede Entwicklung bedeuten und wäre unvereinbar mit un­feren Zielen. Wohl aber wenden wir uns gegen die trost­lose Leere des Geistes, gegen dieses Hohle Produkt einer äußerlich so glanzvollen Kaiserz.it.

Man lefe Heinrich Manna Der Untertan".

In einem solchen Lande konnten sich Gedanken über die wahre Freiheit, den reinen Staatsbegriff, den notwendigen, aber noch nicht zur Tatsache gewordenen Zusammenhang von dem zur Bersönlichkeit gewordenen Individuum mit dem aus dr Freiheit erwachsenen und gebildeten Stoate nur auf Schleichhandelswegen entwickeln. Denn: Dent Gängelnden und Gegängelten, den zeitlichen Herrschern und

* E3 versteht sich von selbst, daß diese Anklage nicht alleis gegen Deutschland gerichtet ist. Sie gilt anderen Staaten ebenso, in erster Linie natürlich denen die dank ihren überaus ent­' widelten imperialistischen Tendenzen nicht dazu kommen, inner halb ihrer Grenzen eine Innenfultur" zu schaffen. Man ver­zeihe diesen Ausdruck, der jedoch das Richtige trifft.

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ging es, das war aber feineswegs überall der Fall. Geschah die Auswahl der Referentinnen doch durchaus nicht immer nach fachlichen Gesichtspunkten, sondern nur zu oft nach den politischen Ne gungen des militärischen Systems und nach persönlicher Empfehlung durch höhere Cffiziere und Beamte. Mit Schaudern denkt man an manche etappenreisende Re ferentin. So ist es erklärlich, daß nicht, wie Frl. Dr. Lüders ausführt, die me sten Ober- und Regierungspräsidien sich auf eine Rundfrage nach dem Nutzen der Referate sehr ent­schieden für ihr Fortbestehen ausgesprochen haben, sondern daß die Meinungen hierüber geteilt waren. Zweifellos. haben manche Frauenreferate durch planmäßige Zeitung der privaten Wohlfahrtspflege und der öffentlichen kleinerer Gemeinden Nützliches geleistet. Ihrer Beibehaltung in der Uebergangszeit, die das preußische Staatsministerium be­schlossen hat, steht daher nichts entgegen. Der Zweck der Frauenreferate ist allerdings mit dem Frieden weggefallen, und die fürsorgeriscen Ausgeben, die geblicben find, müssen in ganz anderem Geiste getan worden. Die Kriegsanits. fabrifpflege läßt sich z. B. n'cht mit dem Geist des Betriebs­rätegeleges vereinbaren. Das wird bedingen, daß den Frauenreferaten neue Stichtlinien für ihre Tätigkeit geg ben werden, und daß an manchen Stellen ein Personenwechsel stattfinde.

Bei Erörterung der ganzen Frage aber darf man nicht außer acht lassen, daß die Nevolution eine Neuregelung der. gesamten Wohlfahrtspflege bedingt. Frl. Dr. Lüders spricht schon aus, daß die private Fürsorge nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufgaben zu erfüllen, weil sie unter den heut gen Verhältnissen an Geldmangel leidet. Die private Wohlfahrtspflege follte im neuen Deutschland überhaupt ihre Rolle ausgespielt haben. Die ganze Politik Deutsch­ lands muß und wird auf einen Ausgleich in den Besitz- und Vermögensverhältnissen hinzielen. Nur solange d'ese Politik in den ersten Anfängen steckt, ist es angängig, doß sich die Wohlfahrtspflege darauf stüßt, daß Vermögende No'leidende nach eigenem Ermessen freiwillig unterstützen. Mit der beut gen Auffassung von Menschenrecht und Menschenwürde

den ihnen knechtisch Ergebenen ist ihre reine Einfachheit naturgemäß verbaßt.""

Wie konnte fich unter folchen Umständen das Volk- ich spreche absichtlich nicht von der groß n Masse"! in diese Probleme geistig einarbeiten, einfühlen, einleben, dereit nachhalt afte Erörterung und Berlebendigung zu seinen un­bedingten Dafeinsnotwendigkeiten gehören müßte? Es wird. ihrer ja faum bewußt, ihm waren nur unbestimmte Ahnun gen und Empfindungen und Shnsüchte zu eigen, die, in falsche Bahnen und zu trügerischen Zielen gelenft, fich aus wuch'en zu pofitiven Irrtümern, zu törichten. ewig schwan­lenden Meinungen, und die in ihrer Gesamtheit mit zum Schuldfaktor wurden an der grausamen Torheit des entsetz­lichsten aller Kriege.

Wie hätte sich bei den gegebenen und hier flüchtig gefann­zeichneten Verhältnissen ein Volk mit den Auswirkungen, den weittragenden Folgen, ja überhaupt auch nur mit den Bedingungen und den aus der Geschichte überkommenen. historisch n Forderungen eines Ereignisses beschäft men tönnen, das damals in unendlicher Ferne zu liegen schien, an das zu denken gleichermaßen Utopie und Verbrechen war? Ist doch sogar der Partei, die ja im Gedanken des Revolu tionären wurzelt, der Ausbruch überraschend genug ge kommen!

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Und wie endlich sollte immer unter Berücksichtigung der dame13 obwaltenden Verhältnisse ein Wolf endlich befähigt sein, darüber nachzudenken, daß Revolution n folcher Art, mit folchen grauenhaften Auswichsen, Belei.

Alexander von Gleichen- Rußwurm in seinem Buche Di Schönheit". Erschienen bei Julius Hoffmann, Stuttgart .