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Die Gleichbeit

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für ihren Lebensunterhalt selber sorgen können und nicht mehe dem Staat zur Last fallen brauchen. Freudig, begrüßten wir deshalb folgenden Antrag des Professors Dr. Schloßmann im bevölkerungspolitischen Ausschuß: Die verfassunggebende Preußische Landesversammlung wolle truppel und der kriminellen Jugend und zeigte sich außerordentlich beschließen:

hiermit umfaßt ist. Genossin Schöfer rollte die einzelnen Zweige der Wohlfahrtspflege, Armen- und Waisenpflege, Vormundschaft, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge, die Fragen der Schulärzte. ** Schulspeisung und Schulpflegerinnen auf. Sie gedachte ber

die Staatsregierung zu ersuchen, so rasch. wie möglich der ... verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung einen Geschentwurf vorzulegen, nach dem. den unbemittelten Krüppeln unter 18 Jahren öffentliche Fürsorge gewährt wird. liter. öffentlicher Fürsorge versteht der Ausschuß: a) rechtzeitige Auffindung der Krüppel;

b) Behandlung heilbarer oder besserungsfähiger Krüppel; c). Berufsausbildung der Krüppel entsprechend ihrer Arbeits­fähigkeit;

d) Apstaltsunterbringung für solche Krüppel, die ihrer be­

dürfen.

Gegen den Antrag stimiinten drei deutschnationale Herren, darunter auch ein Pfarrer: Das ist sehr zu bedauern, da man in Preußen bis jetzt ganze 10 000 Mt. im Haushaltungsplan für Zwede der Krüppelfürsorge vorgesehen hat. In allen anderen Staaten ging man schon 1914 Preußen voran. In Bayern   hat man jür eine staatliche Anstalt 2 Millionen Mark und einen Staatszuschuß von 77 932 Mt. bereitgestellt. In Oldenburg   ist die Krüppelfürsorge durch das Gesetz vom 7. Dezember 1910 ver­staatlicht worden. Die Thüringischen   Staaten haben sich für die Zwecke der Krüppelfürsorge zu einem Verein für Krüppelfür­forge in Thüringen  " zusammengeschlossen. Die Staatsbeihilfe besteht hier in Zuschüssen zum Pflegegeld. In Braunschweig   hat die Landesvertretung einmalig 200 000 Mt. bewilligt. Gegenüber diesen Leistungen steht Breußen wieder an letter Stelle. Wir Frauen der Landesversammlung müssen unsere ganze Kraft dafür einsehen, daß die Frattionen den Antrag des Professors Dr. Schloßmann einstimmig annehmen. Lina. Ege.

München  . Am 1. und 2. November fand hier im Gewerk­schaftshause eine Frauenkonferenz für Oberbayern  , Schwaben  , Landshut   und Pfarrkirchen   statt. Die Konferenz war sehr gut beschickt; das Interesse der Genossinnen war sehr rege. Ge­nossin Juchacz   überbrachte die Grüße des Parteivorstandes und wünschte der Konferenz, besten Gefolg. Genoffe Nimmerfall hielt das erste Referat: Die Frau: in der sozialdemokratischen Ora ganisation." Diese Ausführungen waren auf die Verhältnisse in Bayern   besonders zugeschnitten. Er sagte u. a.: Fürs erste habe uns das Frauenwahlrecht vielleicht geschabet; im Reichstag, im Landtag, in den Gemeinden säßen wahrscheinlich mehr Sozia­listen, wenn die Masse der Frauen ihre Zeit schon begriffen hätte. Er erklärte es für bedauerlich, daß in die Gemeinde­parlamente so wenig Frauen gewählt wären. Für das zweite Referat: Mutterschutz und Muterschaftsversicherung" hatte sich die Organisation Luise Schröder   aus Altona  , M. d. N. hergerufen. Betrachten wir den Ruf an die Genossin aus dem hohen Norden als ein gutes Omen für einträchtiges Zusammenwirken im ganzen Reich. In ihrer ruhigen, fachlichen und menschlich so warmen Art führte die Genossin Schröder die Teilnehmer in das große Gebiet der Bevölkerungspolitit. Der Wert der Frau als Mutter muß im Staatsleben anerkannt werden. Das höchste Glück der Frau, die Mutterschaft, ist oft die größte seelische und förperliche Qual; ganz besonders letbet die. uneheliche Mutter. Es müssen nicht nur die geschriebenen, sondern auch die unge­schriebenen Gejebe geändert werden; es gilt, den Kampf gegen Borurteile und überkommene Ansichten. Auf diesen Grundsäßen wurzelten in, reichem Maße, die angeführten. Tatsachen aus der Geschichte der älteren und jüngsten. Mutterschaftsbewegung und die gut durchdachten Vorschläge für die Gesetzgebung. Die Reiche wochenhilfe jei nur ein Mittel, nm vorübergehend die ärgste Not der Mütter zu lindern; der künftige Reichstag muß eine Mutter­und Familienhilfe schaffen. Ob das in Form einer Versicherung geschieht oder durch eine allgemeine gestaffelte Steuer, fann heute nicht gelöst werden. Grundjab für fünftige Arbeiten aber müsse sein: Jeder Mann und jede Frau müssen dem Einkommen gemäß für Mutter- und Fa= milienhilfe zahlen, alle Mütter und Sinder follen gleichmäßig ilfe erhalten.

2.

Genoffin Dr. Schöfer sprach über Kommunale und soziale Frauenarbeit". Es wurde den Zuhörenden bei diesem Vortrag. im ganzen Umfange Hlar, welch ein ungeheuer großes Gebiet

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gut informiert auf dem Gebiete der Wohnungspflege und-auf­ficht, der Fürsorge für Gefährdete und der Erziehungsanstalten. Sie zeigte an der Hand eines reichen Materials nicht nur das ganze Elend der Gegentrart, sondern bewies auch dabei weiten Blick für die Arbeitsmöglichkeiten der Zukunft. Das vierte Refe­rat hatte die Genossin Ostler aus Penzberg  . Der Vortrag bildete eine wertvolle Ergänzung zu den Ausführungen der Genojfir Dr. Schöfer. Sie berichtete über ihre zehnjährige soziale Tätig­felt. Sie zeigte, wie für sie aus den kleinsten Anfängen der Selbsthilfe unter den Frauen der in Penzberg   lebenden Berg­arbeiterschaft bedeutende soziale Arbeit geleistet worden ist, die weit über die Grenze des Ortes bekannt und anerkannt wird. Man möchte wünschen, daß die Ausführungen der Genossin Oftler, die so ganz aus der Praris geschöpft waren und in wun derbar klarer Weise vorgetragen wurden, allen unseren Ge­nofsinnen bekannt würden. Sämtliche Vorträge entfachten eine äußerst lebhafft und fachliche Aussprache. Der große Wert dieser Konferenz ist auch darin zu suchen, daß die Leitung der Organisation und die Genossinnen untereinander einmal einen Ueberblick erhalten haben, wie intensiv- schöpferisch die Frauen­bewegung für Nordbayern ist.

Ueber die Fraut und ihre Stellung in der Republik  " sprach die Genossin Juchacz- Berlin, M. d. N., in einer sehr gut besuchten Frauenversammlung Montagabend int Thomasbräu. Genossin Juchacz   erzählte von den Leiden und der Rechtlosigkeit der Frau, die dank der kapitalistischen   Wirtschaftsordnung in das Erwerbsleben hineingezogen wurde. Das hatte eine große Uni­wälzung im ganzen Geistes- und Seelenleven nicht nur der der Sozialdemokratie nahestehenden, sondern auch der bürgerlichen. Frauen zur Folge. Ihre rege Anteilnahme und die soziale Mil­arbeit während des Krieges hat die öffentliche Meinung für ihre politische Freiheit vorbereitet. Jetzt haben sie seit einem Jahre das Recht, zu mählen und gewählt zu werden. Sie können bei allen Gesezen, die speziell für uns Frauen von so großer Be= deutung sind, ihren Einfluß geltend machen. Folgen Sie, so schloß die Rednerin unter reichem Beifall, Ihrem sozialen Triebe, Dann haben Sie mehr vom Leben, als wenn Sie nur den egoistischen Trieb, nur für die engere Familie zu sorgen, ver­folgen. Mit dem Verstand und mit dem Gefühl müssen wir arbeiten für die Allgemeinheit, dann schaffen wir für uns und unsere Kinder. Zum Schlusse verwies die Referentin auf die Notwendigkeit der Stärkung der Parteipresse und des Frauen­organs, Die Gleichheit".

Mitteilungen

Zur Beachtung.

Der Parteivorstand hat den Bezirksorganisationen drei Broschüren für die Zwecke der Frauenagitation angeboten. Es ist. erstens die Broschüre Schuh unseren Frauen und Müttern". Die Broschüre enthält in überarbeiteter Form den Vortrag, den die Genossin Adele Schreiber   auf der sozialdemokratischen Frauenkonferenz in Weimar   am 16. Juni gehalten hat. Die Broschüre ist ihres Inhaltes wegen für Funktionärinnen, Refe­rentinnen und zum Vorlesen an Frauenabenden sehr zu emp= fehlen. Dasselbe ist der Fall mit der zweiten Broschüre Frauen arbeit und Frauenorganisation. Es ist dies das Referat gleichen Namens, welches Genossin Gertrud. Hanna ebenfalls auf der Reichsfrauenkonferenz gehalten hat. Die erste Broschüre ist von den Organisationen zum Preise von 46,50 Mf. pro 1000 zu beziehen, die zweite kostet 42 Mr. Finanzschwache Kreise fönnen sie über die Bezirkskommissionen gratis beziehen. Ferner fei auf eine für die praktische Arbeit innerhalb der sozialdemo fratischen Frauenbewegung. geschriebene Broschüre von Genosfin Juchacz Praktische Winfe für die sozialdemokratische Frauen­bewegung", hingewiesen. Genossinnen, die für ihre Arbeit diese " Broschüren wünschen, können dieselben durch ihre Organisation eder von Frauenbureau des Parteivorstandes, Berlin   SW., Lindenstr. 3, unentgeltlich erhalten.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bohm- Schuch. Druck: Borwärts Buchdruckerei. Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. S. fämtlich in Berlin   SW 68, Lindenstraße 3