Nr. 41

1322

29. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder.

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Prets: Monatlich 1,20 Mart, Einzelnummer 30 Pfennig Durch die Post bezogen vierteljährlich ohne Bestellgeld 3,60 Mart; unter Kreuzband 4,25 Mart

Berlin

29. November 1919

Die Frau und ihr Haus

Zuschriften fino zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morigpiat 147 40 Expedition: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Wer trägt die Schuld?

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Die Arbeiten des zweiten Unterausschusses des parlamen­tarischen Untersuchungsausschusses für die Schuld am Kriege find weitergegangen und scheinen nun mit der Vernehmung Ludendorffs und Hindenburgs, welche am 17. November statt. fand, ihren vorläufigen Abschluß gefunden zu haben. Und was ist das Ergebnis der Bernehmung der Herren von Beth­ mann Hollweg , Zimmermann, Capelle , Dr. Helfferich und der beiden Generäle? Daß der Mann, der als Neichskanzler Die Geschicke Deutschlands lenkte, so schwach war, daß er einem Leid tun könnte, wenn nicht Berge von Leichen und Ströme von Blut so frisch in unserer Erinnerung wären. Militärpartei war allmächtig, dagegen war nicht aufzukom men und das deutsche Volk stand in seiner Mehrheit nicht Hinter der Regierung, sondern hinter den Militärs, also: das deutsche Volk hat schuld an dem traurigen Ende, so fehrt so fehrt die Klage um die eigene Machtlosigkeit und die Anklage gegen das deutsche Volk aus allen Aussagen des Herrn von Betha mann wieder. Und diese Anklage gegen das deutsche Volf machen sich nun fast alle folgenden Herren, Zimmermann, Dr. Helfferich, Hindenburg und Ludendorff, zu eigen. Sie halten es für die selbstverständliche Tat von Ehrenmännern, die jeweiligen Mitarbeiter zu decken, in schöner Einmütigkeit für den ehemaligen Kaiser einzutreten und das Volk zu be­laften, es als den schuldigen Teil hinzustellen. Das Volt, welches gelitten hat und mehr, welches heldenmütig gelitten hat. Immer wieder steigt die Frage auf: was hätte dieses Bolt bei richtiger Führung erreichen können, wenn es schon bei diesem Kreuz- und Querregieren nicht tot zu kriegen war?

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Die Wahrheit wagte man diesem Volte im Dezember 1916 und im Januar 1917 nicht zu sagen. Warum denn nicht? Herr v. Bethmann stellt es heute als sein tragisches Geschick hin, daß er die Mehrheit des Volkes für seine fried­Lichen Ziele nicht hinter sich hatte. Wie kann der Wonn das behaupten, der nicht einmal den Versuch einer Feststellung der tatsächlichen Volksstimmung gemacht hat. Er sorgte im Dezember 1916 als die Frage: U- Boot- Krieg, oder: Friede ohne Sieg, zur Entscheidung stand nicht dafür, daß das Bolk die Wahrheit erfuhr, obwohl er seit dem Sommer 1916 wußte, daß eine militärische Entscheidung zu Lande unmöglich und Desterreich bald am Ende war.

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Oder war es so, daß die Regierung sowohl wie die Oberste Heeresleitung in ihres Herzenstiefen auf alle Fälle für den U- Boot- Krieg, die Ausnußung der letten Baffe, waren? Hätte das deutsche Volf gewußt, daß ohne U- Boot­Krieg Friedensmöglichkeiten bestanden, daß das Schicksal des deutschen Volkes auf Jahrhunderte entschieden war", wenn diese lette Rarte nicht stach", wie Herr Dr. Helffe­rich sich ausdrückte, hätte dann dieses Bolk nicht ein gewal. tiges: Salt! gesprochen? Fürchtete man an den entschei­denden Stellen diesen Volkswillen? Denn dann wäre ums allen zwar unermeßliches Elend erspart geblieben, Millionen

blühender Menschen lebten und wären gesund, aber die Sieges hoffnungen der Generäle und Nichtgeneräle wären durch ein solches Volksbekenntnis zum Frieden für immer vernichtet gewesen. Und so sagte man uns dent Volk- die Wahrheit nicht, sondern der Krieg wurde weiter­geführt und der U- Boot- Krieg brachte uns den stärksten Geg ner, Amerika , dazu.

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Die Friedenssehnsucht des deutschen Volkes war im Win­ter 1916/17 ungeheuer groß und nur der Glaube, daß unsere Feinde absolut keinen Frieden wollten, trieb es weiter. Diesen. Glauben mußten wir alle haben, weil wir das deutsche Frie­densangebot vom 12. Dezember 1916 trotz seines Tones für durchaus ehrlich hielten. Ob es so gemeint war, oder ob die Absicht bestand, damit die Friedensaktion des Präsidenten Wilson zu durchkreuzen, sollte die Untersuchung ergeben. Bisher ist ein Ergebnis in diesen Fragen nicht vorhanden. Dem einfachen, nicht juristisch ge­bildeten Berstande will es bedünken, als ob die Klärung dieser Fragen, viel wichtiger gewesen wäre, wie die Erörte rung über Unterseebootsbau und Krieg, wobei die Marine. fachleute den Untersuchungsrichtern entschieden über waren. Das Bild hatte sich hierbei schließlich so verschoben, daß die Frage nicht mehr lautete: Warum haben wir uns durch den U- Boot- Krieg Amerikas Friedenshilfe verscherzt und es ins Lager unserer Feinde getrieben? sondern: Warum habent wir nicht genügend U- Boote gebaut, um damit den Krieg zu gewinnen? Wir Sozialdemokraten glaubten nie an einen Sieg und darum arbeiteten wir für einen Verständigungs­frieden. Warum dieser nicht zustande kam, wollen wir, vor allem wir Frauen, durch die Arbeit des Untersuchungsaus­schusses erfahren.

Ueber unser Friedensangebot vom 12. Dezember 1916 sagte Herr v. Bethmann Hollweg als Zeuge:

Im Sommer 1916 Hatte Baron Burian ein Friedensangebot der Zentralinächte angeregt. Baron Burian zweifelte nach meinen Eindrücken an der Möglichkeit, den Krieg ausschließlich durch Waffengewalt erfolgreich zu beenden, glaubte aber den Zeitpunkt kommen zu sehen, wo die gesamten Zustände der Donaumonarchie einen weiteren Durchhalten nicht mehr ge­wachsen sein würden, weder materiell noch moralisch. Da bisher alle Sondierungen über Friedensmöglichkeiten resultat­los verlaufen waren, Baron Burian aber überzeugt war, daß die öffentliche Dokumentierung der Friedens. bereitschaft der Zentralmächte unentbehrlich sei, um die moralische Stimmung in ber Donaumonarchie hochzuhalten, regte er ein öffentliches Friedensangebot an, von den er eine gute Wirkung selbst für den Fall erhoffte, daß die Feinde cs ablehnen follten...."

Bei uns trat die erhoffte Wirkung ein.

In England wäre unserem Friedensangebot eine freund­Itchers Aufnahme ziemlich sicher gewesen, wenn nicht gerade einen Tag vor unserem Friedensschritt, a Iso am 11. De­8ember, das friedensgeneigtere Rabinett squith